Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Sie zitterte bei dieser Behandlung vor Furcht, und ging zu Bette, natürlich eine noch schlimmere Behandlung am folgenden Tage befürchtend. Jhre kleine Tochter von 7 Jahren kam zu ihr, sie betete mit dieser, und war entschlossen, ihren Mann, der ihr schon so oft den Tod gedrohet hatte, zu verlassen. Sie fragte ihre Tochter, ob sie beim Vater bleiben wolle? diese wollte nicht, weil sie die schlimme Behandlung des Vaters fürchtete. Nun verließ sie nach fleissigem Gebet mit dieser Tochter und ihrem andern 10 Wochen alten Kinde früh Morgens das Haus. Noch beim Fortgehen fragte sie ihre Tochter: ob sie beim Vater bleiben wolle? Lieber sterben, als beim Vater bleiben! war die Antwort des Kindes. Diese Antwort des Kindes, und die überall beengte und verzweifelte Lage der Mutter, der bei Tiefsinnigen so leichte Gedanke, durch einen erst verübten Mord desto leichter in den Himmel zu kommen, und die schlechte Behandlung der Kinder, die sie voraus sahe, falls sie mutterlos beim Vater erzogen wurden, -- dies alles bewog sie zu dem grausamen Entschluß,
Sie zitterte bei dieser Behandlung vor Furcht, und ging zu Bette, natuͤrlich eine noch schlimmere Behandlung am folgenden Tage befuͤrchtend. Jhre kleine Tochter von 7 Jahren kam zu ihr, sie betete mit dieser, und war entschlossen, ihren Mann, der ihr schon so oft den Tod gedrohet hatte, zu verlassen. Sie fragte ihre Tochter, ob sie beim Vater bleiben wolle? diese wollte nicht, weil sie die schlimme Behandlung des Vaters fuͤrchtete. Nun verließ sie nach fleissigem Gebet mit dieser Tochter und ihrem andern 10 Wochen alten Kinde fruͤh Morgens das Haus. Noch beim Fortgehen fragte sie ihre Tochter: ob sie beim Vater bleiben wolle? Lieber sterben, als beim Vater bleiben! war die Antwort des Kindes. Diese Antwort des Kindes, und die uͤberall beengte und verzweifelte Lage der Mutter, der bei Tiefsinnigen so leichte Gedanke, durch einen erst veruͤbten Mord desto leichter in den Himmel zu kommen, und die schlechte Behandlung der Kinder, die sie voraus sahe, falls sie mutterlos beim Vater erzogen wurden, — dies alles bewog sie zu dem grausamen Entschluß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0049" n="49"/><lb/> Mann muͤste es wissen, sie habe kein Gedaͤchtniß im Kopfe.</p> <p>Sie zitterte bei dieser Behandlung vor Furcht, und ging zu Bette, natuͤrlich eine noch schlimmere Behandlung am folgenden Tage befuͤrchtend. Jhre kleine Tochter von 7 Jahren kam zu ihr, sie betete mit dieser, und war entschlossen, ihren Mann, der ihr schon so oft den Tod gedrohet hatte, zu verlassen. Sie fragte ihre Tochter, ob sie beim Vater bleiben wolle? diese wollte nicht, weil sie die schlimme Behandlung des Vaters fuͤrchtete.</p> <p>Nun verließ sie nach fleissigem Gebet mit dieser Tochter und ihrem andern 10 Wochen alten Kinde fruͤh Morgens das Haus. Noch beim Fortgehen fragte sie ihre Tochter: ob sie beim Vater bleiben wolle? Lieber sterben, als beim Vater bleiben! war die Antwort des Kindes.</p> <p>Diese Antwort des Kindes, und die uͤberall beengte und verzweifelte Lage der Mutter, der bei Tiefsinnigen so leichte Gedanke, durch einen erst veruͤbten Mord desto leichter in den Himmel zu kommen, und die schlechte Behandlung der Kinder, die sie voraus sahe, falls sie mutterlos beim Vater erzogen wurden, — dies alles bewog sie zu dem grausamen Entschluß,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0049]
Mann muͤste es wissen, sie habe kein Gedaͤchtniß im Kopfe.
Sie zitterte bei dieser Behandlung vor Furcht, und ging zu Bette, natuͤrlich eine noch schlimmere Behandlung am folgenden Tage befuͤrchtend. Jhre kleine Tochter von 7 Jahren kam zu ihr, sie betete mit dieser, und war entschlossen, ihren Mann, der ihr schon so oft den Tod gedrohet hatte, zu verlassen. Sie fragte ihre Tochter, ob sie beim Vater bleiben wolle? diese wollte nicht, weil sie die schlimme Behandlung des Vaters fuͤrchtete.
Nun verließ sie nach fleissigem Gebet mit dieser Tochter und ihrem andern 10 Wochen alten Kinde fruͤh Morgens das Haus. Noch beim Fortgehen fragte sie ihre Tochter: ob sie beim Vater bleiben wolle? Lieber sterben, als beim Vater bleiben! war die Antwort des Kindes.
Diese Antwort des Kindes, und die uͤberall beengte und verzweifelte Lage der Mutter, der bei Tiefsinnigen so leichte Gedanke, durch einen erst veruͤbten Mord desto leichter in den Himmel zu kommen, und die schlechte Behandlung der Kinder, die sie voraus sahe, falls sie mutterlos beim Vater erzogen wurden, — dies alles bewog sie zu dem grausamen Entschluß,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/49>, abgerufen am 16.07.2024. |