Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.3. Mütterliche Grausamkeit aus Melancholie und Verzweifelung. ![]() Katharine Häuslerin, aus einem Dorfe bei Donauwörth, 45 Jahr alt und 12 Jahr Ehefrau eines harten, störrigen Mannes, hatte, außer einem Fieber und derzuweilen in Unordnung gerathenen monatlichen Reinigung, keine Krankheit gehabt. Zu Ende des Jahres 1785 hatte sie im Dorfe, wo sie wohnte, einer Kuh heimlich die Milch ausgemolken. Dies wurde erfahren, und ihr flehentliches Bitten, daß dieser kleine Diebstahl ihrem Mann verborgen bleiben möchte, wurde zwar gewährt; aber man hielt das Versprechen nicht, und in der Folge bekam ihr Ehemann von diesem Verbrechen der Frau erst dunkle, dann klärere Nachricht. Ein von den Gerichten des Klosters zum heil. Kreutz in Donauwörth abgehörter Zeuge bezeugte, daß diese Frau immer brav, gottesfürchtig und häußlich gewesen wäre, aber immer vielen Sturm mit ihrem Mann gehabt habe. Von keiner Zerrüttung des Gemüths wuste dieser etwas: ein andrer sagte: man habe zuweilen an ihr bemerket, daß sie etwas hochmüthig sey, und zuweilen vor den Leuten vorbeigehe, ohne sie zu grüßen. 3. Muͤtterliche Grausamkeit aus Melancholie und Verzweifelung. ![]() Katharine Haͤuslerin, aus einem Dorfe bei Donauwoͤrth, 45 Jahr alt und 12 Jahr Ehefrau eines harten, stoͤrrigen Mannes, hatte, außer einem Fieber und derzuweilen in Unordnung gerathenen monatlichen Reinigung, keine Krankheit gehabt. Zu Ende des Jahres 1785 hatte sie im Dorfe, wo sie wohnte, einer Kuh heimlich die Milch ausgemolken. Dies wurde erfahren, und ihr flehentliches Bitten, daß dieser kleine Diebstahl ihrem Mann verborgen bleiben moͤchte, wurde zwar gewaͤhrt; aber man hielt das Versprechen nicht, und in der Folge bekam ihr Ehemann von diesem Verbrechen der Frau erst dunkle, dann klaͤrere Nachricht. Ein von den Gerichten des Klosters zum heil. Kreutz in Donauwoͤrth abgehoͤrter Zeuge bezeugte, daß diese Frau immer brav, gottesfuͤrchtig und haͤußlich gewesen waͤre, aber immer vielen Sturm mit ihrem Mann gehabt habe. Von keiner Zerruͤttung des Gemuͤths wuste dieser etwas: ein andrer sagte: man habe zuweilen an ihr bemerket, daß sie etwas hochmuͤthig sey, und zuweilen vor den Leuten vorbeigehe, ohne sie zu gruͤßen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0047" n="47"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head>3. Muͤtterliche Grausamkeit aus Melancholie und Verzweifelung.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref2"><note type="editorial"/>Pockels, C. F.</persName> </bibl> </note> <p>Katharine Haͤuslerin, aus einem Dorfe bei <choice><corr>Donauwoͤrth,</corr><sic>Denauwoͤrth,</sic></choice> 45 Jahr alt und 12 Jahr Ehefrau eines harten, stoͤrrigen Mannes, hatte, außer einem Fieber und derzuweilen in Unordnung gerathenen monatlichen Reinigung, keine Krankheit gehabt.</p> <p>Zu Ende des Jahres 1785 hatte sie im Dorfe, wo sie wohnte, einer Kuh heimlich die Milch ausgemolken. Dies wurde erfahren, und ihr flehentliches Bitten, daß dieser kleine Diebstahl ihrem Mann verborgen bleiben moͤchte, wurde zwar gewaͤhrt; aber man hielt das Versprechen nicht, und in der Folge bekam ihr Ehemann von diesem Verbrechen der Frau erst dunkle, dann klaͤrere Nachricht.</p> <p>Ein von den Gerichten des Klosters zum heil. Kreutz in <choice><corr>Donauwoͤrth</corr><sic>Denauwoͤrth</sic></choice> abgehoͤrter Zeuge bezeugte, daß diese Frau immer brav, gottesfuͤrchtig und haͤußlich gewesen waͤre, aber immer vielen Sturm mit ihrem Mann gehabt habe. Von keiner Zerruͤttung des Gemuͤths wuste dieser etwas: ein andrer sagte: man habe zuweilen an ihr bemerket, daß sie etwas hochmuͤthig sey, und zuweilen vor den Leuten vorbeigehe, ohne sie zu gruͤßen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0047]
3. Muͤtterliche Grausamkeit aus Melancholie und Verzweifelung.
Katharine Haͤuslerin, aus einem Dorfe bei Donauwoͤrth, 45 Jahr alt und 12 Jahr Ehefrau eines harten, stoͤrrigen Mannes, hatte, außer einem Fieber und derzuweilen in Unordnung gerathenen monatlichen Reinigung, keine Krankheit gehabt.
Zu Ende des Jahres 1785 hatte sie im Dorfe, wo sie wohnte, einer Kuh heimlich die Milch ausgemolken. Dies wurde erfahren, und ihr flehentliches Bitten, daß dieser kleine Diebstahl ihrem Mann verborgen bleiben moͤchte, wurde zwar gewaͤhrt; aber man hielt das Versprechen nicht, und in der Folge bekam ihr Ehemann von diesem Verbrechen der Frau erst dunkle, dann klaͤrere Nachricht.
Ein von den Gerichten des Klosters zum heil. Kreutz in Donauwoͤrth abgehoͤrter Zeuge bezeugte, daß diese Frau immer brav, gottesfuͤrchtig und haͤußlich gewesen waͤre, aber immer vielen Sturm mit ihrem Mann gehabt habe. Von keiner Zerruͤttung des Gemuͤths wuste dieser etwas: ein andrer sagte: man habe zuweilen an ihr bemerket, daß sie etwas hochmuͤthig sey, und zuweilen vor den Leuten vorbeigehe, ohne sie zu gruͤßen.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/47>, abgerufen am 16.07.2024. |