Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.Jch stund, während daß Franz alles dieß sagte, wie in einen Fiebertraum verlohren. Da ich die Sache so äusserst geheim halten ließ, und Franz die meiste Zeit seines Aufenthalts bey dem Jnspector irre, und ohne Bewußtsein war; so begrif ich schlechterdings nicht, woher er alles so bestimmt, und zuverläßig wissen konnte. -- Jch suchte ihn gemeinschaftlich mit dem Vater von dem Besuch abzubringen. Wir stellten ihm vor, -- daß es zu spät sey; daß wir den Jnspector Morgen vor seiner Abreise noch besuchen könnten, wenn er ihn ja kennen sollte; -- daß es unsre Gesellschaft übel nehmen würde, wenn wir sie verliessen u.s.f. Umsonst; er schlug alle unsre Einwendungen zurük. "Verderben Sie mir doch die Freude nicht! -- fuhr er ruhig, und mit lachendem Munde gegen mich fort; Die Gesellschaft geht in Jhr Haus voran. Wir folgen in einer halben Stunde. Er soll seine Seelenfreude an dem Alten haben, liebster Vater! Jezt sizt er gewiß mit der Brille am Fenster, trinkt seine Vesper-Flasche, und liest in seiner alten Kayser-Chronik." Er nahm seinen Vater am Arme. Alles Sträuben war vergebens. Wir fanden den Alten Jnspector mit seiner Familie beim Abendessen. Er erschrak anfänglich, als er Franzen erblikte, weil er wuste, wie höchst wichtig mir's war, ihm seinen ganzen dasigen Aufenthalt verborgen zu hal- Jch stund, waͤhrend daß Franz alles dieß sagte, wie in einen Fiebertraum verlohren. Da ich die Sache so aͤusserst geheim halten ließ, und Franz die meiste Zeit seines Aufenthalts bey dem Jnspector irre, und ohne Bewußtsein war; so begrif ich schlechterdings nicht, woher er alles so bestimmt, und zuverlaͤßig wissen konnte. — Jch suchte ihn gemeinschaftlich mit dem Vater von dem Besuch abzubringen. Wir stellten ihm vor, — daß es zu spaͤt sey; daß wir den Jnspector Morgen vor seiner Abreise noch besuchen koͤnnten, wenn er ihn ja kennen sollte; — daß es unsre Gesellschaft uͤbel nehmen wuͤrde, wenn wir sie verliessen u.s.f. Umsonst; er schlug alle unsre Einwendungen zuruͤk. »Verderben Sie mir doch die Freude nicht! — fuhr er ruhig, und mit lachendem Munde gegen mich fort; Die Gesellschaft geht in Jhr Haus voran. Wir folgen in einer halben Stunde. Er soll seine Seelenfreude an dem Alten haben, liebster Vater! Jezt sizt er gewiß mit der Brille am Fenster, trinkt seine Vesper-Flasche, und liest in seiner alten Kayser-Chronik.« Er nahm seinen Vater am Arme. Alles Straͤuben war vergebens. Wir fanden den Alten Jnspector mit seiner Familie beim Abendessen. Er erschrak anfaͤnglich, als er Franzen erblikte, weil er wuste, wie hoͤchst wichtig mir's war, ihm seinen ganzen dasigen Aufenthalt verborgen zu hal- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0119" n="119"/><lb/> <p>Jch stund, waͤhrend daß Franz alles dieß sagte, wie in einen Fiebertraum verlohren. Da ich die Sache so aͤusserst geheim halten ließ, und Franz die meiste Zeit seines Aufenthalts bey dem Jnspector irre, und ohne Bewußtsein war; so <choice><corr>begrif</corr><sic>begrief</sic></choice> ich schlechterdings nicht, woher er alles so bestimmt, und zuverlaͤßig wissen konnte. — Jch suchte ihn gemeinschaftlich mit dem Vater von dem Besuch abzubringen. Wir stellten ihm vor, — daß es zu spaͤt sey; daß wir den Jnspector Morgen vor seiner Abreise noch besuchen koͤnnten, wenn er ihn ja kennen sollte; — daß es unsre Gesellschaft uͤbel nehmen wuͤrde, wenn wir sie verliessen u.s.f. Umsonst; er schlug alle unsre Einwendungen zuruͤk. »Verderben Sie mir doch die Freude nicht! — fuhr er ruhig, und mit lachendem Munde gegen mich fort; Die Gesellschaft geht in <choice><corr>Jhr</corr><sic>ihr</sic></choice> Haus voran. Wir folgen in einer halben Stunde. Er soll seine Seelenfreude an dem Alten haben, liebster Vater! Jezt sizt er gewiß mit der Brille am Fenster, trinkt seine Vesper-Flasche, und liest in seiner alten Kayser-Chronik.«</p> <p>Er nahm seinen Vater am Arme. Alles Straͤuben war vergebens. Wir fanden den Alten Jnspector mit seiner Familie beim Abendessen. Er erschrak anfaͤnglich, als er Franzen erblikte, weil er wuste, wie hoͤchst wichtig mir's war, ihm seinen ganzen dasigen Aufenthalt verborgen zu hal-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0119]
Jch stund, waͤhrend daß Franz alles dieß sagte, wie in einen Fiebertraum verlohren. Da ich die Sache so aͤusserst geheim halten ließ, und Franz die meiste Zeit seines Aufenthalts bey dem Jnspector irre, und ohne Bewußtsein war; so begrif ich schlechterdings nicht, woher er alles so bestimmt, und zuverlaͤßig wissen konnte. — Jch suchte ihn gemeinschaftlich mit dem Vater von dem Besuch abzubringen. Wir stellten ihm vor, — daß es zu spaͤt sey; daß wir den Jnspector Morgen vor seiner Abreise noch besuchen koͤnnten, wenn er ihn ja kennen sollte; — daß es unsre Gesellschaft uͤbel nehmen wuͤrde, wenn wir sie verliessen u.s.f. Umsonst; er schlug alle unsre Einwendungen zuruͤk. »Verderben Sie mir doch die Freude nicht! — fuhr er ruhig, und mit lachendem Munde gegen mich fort; Die Gesellschaft geht in Jhr Haus voran. Wir folgen in einer halben Stunde. Er soll seine Seelenfreude an dem Alten haben, liebster Vater! Jezt sizt er gewiß mit der Brille am Fenster, trinkt seine Vesper-Flasche, und liest in seiner alten Kayser-Chronik.«
Er nahm seinen Vater am Arme. Alles Straͤuben war vergebens. Wir fanden den Alten Jnspector mit seiner Familie beim Abendessen. Er erschrak anfaͤnglich, als er Franzen erblikte, weil er wuste, wie hoͤchst wichtig mir's war, ihm seinen ganzen dasigen Aufenthalt verborgen zu hal-
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