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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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angestellt hatte, daß ich in Ansehung seiner sicher seyn konnte.

Alle Anstalten wurden daher zu diesem Genesungsfeste gemacht. Jch sucht' es so einfach als möglich zu machen, lud wenige, und nur einige Busenfreunde des Jünglings, die er ausdrüklich begehrt hatte, darzu ein, und versprach mir einen seligen Tag der Wonne, und des Entzükens.

Der Tag kam heran. Es war ein Sonntag, welcher der merkwürdigste in meinem Leben bleiben wird. Wir giengen Vormittags gemeinschaftlich in die Kirche, wo mein Freund der Stadtpfarrer eine rührende Predigt hielt, und am Ende eine so eingreifende Anspielung auf die Wiederherstellung des Jünglings einwebte, daß wir uns der Trähnen nicht enthalten konnten. Da saß der ehrwürdige Vater, horchte dem Priester mit hangendem Haupte entgegen, blikte dann mit Trähnen der Wonne auf seinen Franz, und weinte zum Himmel: "O erhalt' mir ihn! Du hast ihn mir zum zweytenmal gegeben; drum erhalte mir ihn, Vater des Lebens!"

Jch hatte den würdigen Priester ebenfalls zu unserm kleinen Feste geladen. Es war ein rührender Anblik,als er ins Zimmer trat, und der Altvater ihm feyerlich entgegengieng, und ihm die Hand küßte für seine Predigt. "Ew. Hochwürden


angestellt hatte, daß ich in Ansehung seiner sicher seyn konnte.

Alle Anstalten wurden daher zu diesem Genesungsfeste gemacht. Jch sucht' es so einfach als moͤglich zu machen, lud wenige, und nur einige Busenfreunde des Juͤnglings, die er ausdruͤklich begehrt hatte, darzu ein, und versprach mir einen seligen Tag der Wonne, und des Entzuͤkens.

Der Tag kam heran. Es war ein Sonntag, welcher der merkwuͤrdigste in meinem Leben bleiben wird. Wir giengen Vormittags gemeinschaftlich in die Kirche, wo mein Freund der Stadtpfarrer eine ruͤhrende Predigt hielt, und am Ende eine so eingreifende Anspielung auf die Wiederherstellung des Juͤnglings einwebte, daß wir uns der Traͤhnen nicht enthalten konnten. Da saß der ehrwuͤrdige Vater, horchte dem Priester mit hangendem Haupte entgegen, blikte dann mit Traͤhnen der Wonne auf seinen Franz, und weinte zum Himmel: »O erhalt' mir ihn! Du hast ihn mir zum zweytenmal gegeben; drum erhalte mir ihn, Vater des Lebens!«

Jch hatte den wuͤrdigen Priester ebenfalls zu unserm kleinen Feste geladen. Es war ein ruͤhrender Anblik,als er ins Zimmer trat, und der Altvater ihm feyerlich entgegengieng, und ihm die Hand kuͤßte fuͤr seine Predigt. »Ew. Hochwuͤrden

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[112/0112] angestellt hatte, daß ich in Ansehung seiner sicher seyn konnte. Alle Anstalten wurden daher zu diesem Genesungsfeste gemacht. Jch sucht' es so einfach als moͤglich zu machen, lud wenige, und nur einige Busenfreunde des Juͤnglings, die er ausdruͤklich begehrt hatte, darzu ein, und versprach mir einen seligen Tag der Wonne, und des Entzuͤkens. Der Tag kam heran. Es war ein Sonntag, welcher der merkwuͤrdigste in meinem Leben bleiben wird. Wir giengen Vormittags gemeinschaftlich in die Kirche, wo mein Freund der Stadtpfarrer eine ruͤhrende Predigt hielt, und am Ende eine so eingreifende Anspielung auf die Wiederherstellung des Juͤnglings einwebte, daß wir uns der Traͤhnen nicht enthalten konnten. Da saß der ehrwuͤrdige Vater, horchte dem Priester mit hangendem Haupte entgegen, blikte dann mit Traͤhnen der Wonne auf seinen Franz, und weinte zum Himmel: »O erhalt' mir ihn! Du hast ihn mir zum zweytenmal gegeben; drum erhalte mir ihn, Vater des Lebens!« Jch hatte den wuͤrdigen Priester ebenfalls zu unserm kleinen Feste geladen. Es war ein ruͤhrender Anblik,als er ins Zimmer trat, und der Altvater ihm feyerlich entgegengieng, und ihm die Hand kuͤßte fuͤr seine Predigt. »Ew. Hochwuͤrden

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/112>, abgerufen am 08.05.2024.