Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.Dies war ungefähr die Methode, deren ich mich, nicht ohne vorhergehende Erfahrung, zu Heilung dieses Unglüklichen bediente, und sie war so würksam, daß er in Zeit von zween Monaten -- Bücher las, und mit unverfälschter Beurtheilung mit mir darüber sprach; -- daß er Musik-Stüke, die er ehmals nach Noten gespielt hatte, nun auswendig spielte, ja sogar eigne komponirte; (und ich glaube, daß eben dieß am meisten zu seiner gänzlichen Wiederherstellung beitrug) daß er Stundenlang der Nachtigall horchte und ihre Lieder auf seinem Klavier nachahmte; Stunden lang mit Kindern spielte, und sie Lieder lehrte, die er auswendig wuste; daß er ein paarmal wenn sein Anfall eben ausbrechen wollte, ihn aus Furcht vor meinen Drohungen gänzlich erstikte, und sich selbst durch Musik und Bücher zu zerstreuen wuste; daß er mit gewohnter Neugier nach litterarischen, und politischen Novitäten jagte; ja daß er am Ende gar Briefe, und Aufsäze mit seiner ganzen ehmaligen Geistesgegenwart schrieb, mir solche vorlas, mein Urtheil begehrte, u.s.w. Nun ließ ich Stuffenweise verschiedene seiner Bekannten, und Freunde aus der Stadt, und am Ende, nachdem ich ihn hinlänglich vorbereitet hatte, auch seine Eltern zu ihm kommen. Mit allen hatt' ich Abrede getroffen, auf die Meynung anzuspielen, und ihn darin zu bestärken, daß er blos einer hartnäkigen Körperlichen Krankheit wegen zu mir in die Stadt gethan worden, und Dies war ungefaͤhr die Methode, deren ich mich, nicht ohne vorhergehende Erfahrung, zu Heilung dieses Ungluͤklichen bediente, und sie war so wuͤrksam, daß er in Zeit von zween Monaten — Buͤcher las, und mit unverfaͤlschter Beurtheilung mit mir daruͤber sprach; — daß er Musik-Stuͤke, die er ehmals nach Noten gespielt hatte, nun auswendig spielte, ja sogar eigne komponirte; (und ich glaube, daß eben dieß am meisten zu seiner gaͤnzlichen Wiederherstellung beitrug) daß er Stundenlang der Nachtigall horchte und ihre Lieder auf seinem Klavier nachahmte; Stunden lang mit Kindern spielte, und sie Lieder lehrte, die er auswendig wuste; daß er ein paarmal wenn sein Anfall eben ausbrechen wollte, ihn aus Furcht vor meinen Drohungen gaͤnzlich erstikte, und sich selbst durch Musik und Buͤcher zu zerstreuen wuste; daß er mit gewohnter Neugier nach litterarischen, und politischen Novitaͤten jagte; ja daß er am Ende gar Briefe, und Aufsaͤze mit seiner ganzen ehmaligen Geistesgegenwart schrieb, mir solche vorlas, mein Urtheil begehrte, u.s.w. Nun ließ ich Stuffenweise verschiedene seiner Bekannten, und Freunde aus der Stadt, und am Ende, nachdem ich ihn hinlaͤnglich vorbereitet hatte, auch seine Eltern zu ihm kommen. Mit allen hatt' ich Abrede getroffen, auf die Meynung anzuspielen, und ihn darin zu bestaͤrken, daß er blos einer hartnaͤkigen Koͤrperlichen Krankheit wegen zu mir in die Stadt gethan worden, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0109" n="109"/><lb/> <p>Dies war ungefaͤhr die Methode, deren ich mich, nicht ohne vorhergehende Erfahrung, zu Heilung dieses Ungluͤklichen bediente, und sie war so wuͤrksam, daß er in Zeit von zween Monaten — Buͤcher las, und mit unverfaͤlschter Beurtheilung mit mir daruͤber sprach; — daß er Musik-Stuͤke, die er ehmals nach Noten gespielt hatte, nun auswendig spielte, ja <choice><corr>sogar</corr><sic>sogor</sic></choice> eigne komponirte; (und ich glaube, daß eben dieß am meisten zu seiner gaͤnzlichen Wiederherstellung beitrug) daß er Stundenlang der Nachtigall horchte und ihre Lieder auf seinem Klavier nachahmte; Stunden lang mit Kindern spielte, und sie Lieder lehrte, die er auswendig wuste; daß er ein paarmal wenn sein Anfall eben ausbrechen wollte, ihn aus Furcht vor meinen Drohungen gaͤnzlich erstikte, und sich selbst durch Musik und Buͤcher zu zerstreuen wuste; daß er mit gewohnter Neugier nach litterarischen, und politischen Novitaͤten jagte; ja daß er am Ende gar Briefe, und Aufsaͤze mit seiner ganzen ehmaligen Geistesgegenwart schrieb, mir solche vorlas, mein Urtheil begehrte, u.s.w. Nun ließ ich Stuffenweise <choice><corr>verschiedene</corr><sic>verschieden</sic></choice> seiner Bekannten, und Freunde aus der Stadt, und am Ende, nachdem ich ihn hinlaͤnglich vorbereitet hatte, auch seine Eltern zu ihm kommen. Mit allen hatt' ich Abrede getroffen, auf die Meynung anzuspielen, und ihn darin zu bestaͤrken, daß er blos einer hartnaͤkigen <hi rendition="#b">Koͤrperlichen</hi> Krankheit wegen zu mir in die Stadt gethan worden, und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0109]
Dies war ungefaͤhr die Methode, deren ich mich, nicht ohne vorhergehende Erfahrung, zu Heilung dieses Ungluͤklichen bediente, und sie war so wuͤrksam, daß er in Zeit von zween Monaten — Buͤcher las, und mit unverfaͤlschter Beurtheilung mit mir daruͤber sprach; — daß er Musik-Stuͤke, die er ehmals nach Noten gespielt hatte, nun auswendig spielte, ja sogar eigne komponirte; (und ich glaube, daß eben dieß am meisten zu seiner gaͤnzlichen Wiederherstellung beitrug) daß er Stundenlang der Nachtigall horchte und ihre Lieder auf seinem Klavier nachahmte; Stunden lang mit Kindern spielte, und sie Lieder lehrte, die er auswendig wuste; daß er ein paarmal wenn sein Anfall eben ausbrechen wollte, ihn aus Furcht vor meinen Drohungen gaͤnzlich erstikte, und sich selbst durch Musik und Buͤcher zu zerstreuen wuste; daß er mit gewohnter Neugier nach litterarischen, und politischen Novitaͤten jagte; ja daß er am Ende gar Briefe, und Aufsaͤze mit seiner ganzen ehmaligen Geistesgegenwart schrieb, mir solche vorlas, mein Urtheil begehrte, u.s.w. Nun ließ ich Stuffenweise verschiedene seiner Bekannten, und Freunde aus der Stadt, und am Ende, nachdem ich ihn hinlaͤnglich vorbereitet hatte, auch seine Eltern zu ihm kommen. Mit allen hatt' ich Abrede getroffen, auf die Meynung anzuspielen, und ihn darin zu bestaͤrken, daß er blos einer hartnaͤkigen Koͤrperlichen Krankheit wegen zu mir in die Stadt gethan worden, und
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/109>, abgerufen am 16.02.2025. |