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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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5. Eine Traumahndung.

Der Herzog von **, ein Mann von hellem Geist und vielen Kenntnissen, ein pünktlich strenger Freund der Wahrheit -- ein ächter christlicher Bidermann unter den Fürsten -- schon frühe durch Leiden, und im männlichen Alter durch körperliche Beschaffenheit, bisweilen zur Aengstlichkeit gestimmt -- hatte im Jahr 1769, in der Nacht vom 8ten zum 9ten October, die sehr lebhafte Empfindung und Ahndung im Traum: es würde ihm am folgenden Tage ein fürchterliches Unglück begegnen. Sobald er am Morgen seine Familie zur gewöhnlichen gemeinschaftlichen Unterhaltungs- und Lesestunde bey sich versammlet sahe, erzählt er derselben seinen Traum, und die dadurch in seiner Seele erregte Unruhe. Er bittet alle, an dem Tage nicht auszufahren oder auszugehn, weil ihm bange sey, es möchte einem von ihnen ein Unglück begegnen.

Alle scherzen über den Traum, suchen ihm die Aengstlichkeit auszureden, und bitten ihn, nur eine Stunde in dem Lustwäldchen, das nahe am Schlosse liegt, spazieren zu dürfen. Der gute Fürstenvater erlaubt es; alle kommen glücklich nach Hause --


5. Eine Traumahndung.

Der Herzog von **, ein Mann von hellem Geist und vielen Kenntnissen, ein puͤnktlich strenger Freund der Wahrheit — ein aͤchter christlicher Bidermann unter den Fuͤrsten — schon fruͤhe durch Leiden, und im maͤnnlichen Alter durch koͤrperliche Beschaffenheit, bisweilen zur Aengstlichkeit gestimmt — hatte im Jahr 1769, in der Nacht vom 8ten zum 9ten October, die sehr lebhafte Empfindung und Ahndung im Traum: es wuͤrde ihm am folgenden Tage ein fuͤrchterliches Ungluͤck begegnen. Sobald er am Morgen seine Familie zur gewoͤhnlichen gemeinschaftlichen Unterhaltungs- und Lesestunde bey sich versammlet sahe, erzaͤhlt er derselben seinen Traum, und die dadurch in seiner Seele erregte Unruhe. Er bittet alle, an dem Tage nicht auszufahren oder auszugehn, weil ihm bange sey, es moͤchte einem von ihnen ein Ungluͤck begegnen.

Alle scherzen uͤber den Traum, suchen ihm die Aengstlichkeit auszureden, und bitten ihn, nur eine Stunde in dem Lustwaͤldchen, das nahe am Schlosse liegt, spazieren zu duͤrfen. Der gute Fuͤrstenvater erlaubt es; alle kommen gluͤcklich nach Hause —

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[75/0075] 5. Eine Traumahndung. Der Herzog von **, ein Mann von hellem Geist und vielen Kenntnissen, ein puͤnktlich strenger Freund der Wahrheit — ein aͤchter christlicher Bidermann unter den Fuͤrsten — schon fruͤhe durch Leiden, und im maͤnnlichen Alter durch koͤrperliche Beschaffenheit, bisweilen zur Aengstlichkeit gestimmt — hatte im Jahr 1769, in der Nacht vom 8ten zum 9ten October, die sehr lebhafte Empfindung und Ahndung im Traum: es wuͤrde ihm am folgenden Tage ein fuͤrchterliches Ungluͤck begegnen. Sobald er am Morgen seine Familie zur gewoͤhnlichen gemeinschaftlichen Unterhaltungs- und Lesestunde bey sich versammlet sahe, erzaͤhlt er derselben seinen Traum, und die dadurch in seiner Seele erregte Unruhe. Er bittet alle, an dem Tage nicht auszufahren oder auszugehn, weil ihm bange sey, es moͤchte einem von ihnen ein Ungluͤck begegnen. Alle scherzen uͤber den Traum, suchen ihm die Aengstlichkeit auszureden, und bitten ihn, nur eine Stunde in dem Lustwaͤldchen, das nahe am Schlosse liegt, spazieren zu duͤrfen. Der gute Fuͤrstenvater erlaubt es; alle kommen gluͤcklich nach Hause —

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/75>, abgerufen am 28.04.2024.