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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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hiebey meine Jdeen über die Moralität einer Leidenschaft geäußert habe; -- so scheint dies nun eigentlich nicht grade zu Materialien zu gehören, allein es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen Bezug auf unser Seyn denken können, sobald wir sie als eine Willensäußerung eines vernünftigen Wesens denken.

Eigentlich hätte ich wohl von der Selbstliebe anfangen sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Thätigkeit angesehen werden muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen müssen. Auch könnte ich noch hinzusetzen, daß erst nach einer genauen Anatomie der Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als das erste Prinzip des Wollens erscheine, und als ein solches erkannt werden müsse, was auch die Vertheidiger der selbstständigen wohlwollenden Gefühle dagegen sagen mögen.

P.


Neid -- Mißgunst --

Zu den an sich unangenehmen Gemüthsbewegungen, die in Rücksicht eines vernünftigen Wesens


hiebey meine Jdeen uͤber die Moralitaͤt einer Leidenschaft geaͤußert habe; — so scheint dies nun eigentlich nicht grade zu Materialien zu gehoͤren, allein es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen Bezug auf unser Seyn denken koͤnnen, sobald wir sie als eine Willensaͤußerung eines vernuͤnftigen Wesens denken.

Eigentlich haͤtte ich wohl von der Selbstliebe anfangen sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Thaͤtigkeit angesehen werden muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen muͤssen. Auch koͤnnte ich noch hinzusetzen, daß erst nach einer genauen Anatomie der Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als das erste Prinzip des Wollens erscheine, und als ein solches erkannt werden muͤsse, was auch die Vertheidiger der selbststaͤndigen wohlwollenden Gefuͤhle dagegen sagen moͤgen.

P.


Neid — Mißgunst —

Zu den an sich unangenehmen Gemuͤthsbewegungen, die in Ruͤcksicht eines vernuͤnftigen Wesens

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[56/0056] hiebey meine Jdeen uͤber die Moralitaͤt einer Leidenschaft geaͤußert habe; — so scheint dies nun eigentlich nicht grade zu Materialien zu gehoͤren, allein es scheint nur so; indem wir keine Leidenschaft ohne einen gewissen moralischen Bezug auf unser Seyn denken koͤnnen, sobald wir sie als eine Willensaͤußerung eines vernuͤnftigen Wesens denken. Eigentlich haͤtte ich wohl von der Selbstliebe anfangen sollen, da sie nach einer genauen Zergliederung unsrer Empfindungen, als der erste physische und moralische Wollenstrieb unserer gesamten Thaͤtigkeit angesehen werden muß; aber ich sage noch einmal, daß bey Sammlung bloßer Materialien noch nicht die Frage ist, ob sie in einer gewissen Ordnung liegen muͤssen. Auch koͤnnte ich noch hinzusetzen, daß erst nach einer genauen Anatomie der Leidenschaften die Selbstliebe in der Theorie der Empfindungen als das erste Prinzip des Wollens erscheine, und als ein solches erkannt werden muͤsse, was auch die Vertheidiger der selbststaͤndigen wohlwollenden Gefuͤhle dagegen sagen moͤgen. P. Neid — Mißgunst — Zu den an sich unangenehmen Gemuͤthsbewegungen, die in Ruͤcksicht eines vernuͤnftigen Wesens

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/56>, abgerufen am 28.04.2024.