Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787."Jch fühlte, daß ich nicht lange mehr leben würde, meine Krankheit wurde bedenklich, und ich sahe mich endlich wirklich sterben. Welche Angst ich dabey ausgestanden, kann ich keinem Menschen beschreiben. Jch vergoß bittere Thränen über meinen eigenen Tod, und mein Blick hing mit einer schwermüthigen Stille an meinem Leichnam; -- aber auf einmal war's, als ob ein heller Strahl der Ruhe und Hoffnung durch meine Seele dränge. "Jsts doch nur dein hinfälliger irdischer Leib, dacht' ich, der da liegt, laß ihn verwesen, da ein weit edlerer Theil deines Wesens dir übrig geblieben ist". Jch betrachtete nun meine Leiche nicht mehr mit dem vorigen Schaudern; aber es dauerte nicht lange, als es in meiner Seele auf einmal schrecklich trübe ward, ich verlohr meine ganze Fassung, und eine unbeschreibliche Angst überfiel mich von neuem. Wer weiß denn -- so rief es mir im Jnnern meiner Seele zu, -- ob deine Seele nicht mit dem Körper verweset, ob sie nicht aus ihm heraus fliegt und zerflattert. Bey dem letzten Gedanken empfand ich die schrecklichste Seelenqual, wovon ich vorher und nachher nie eine ähnliche Empfindung gehabt habe. Jn dem Augenblick erhub sich ein lichtes Wölkchen von dem Scheitel meiner Leiche langsam in die Luft empor. Mit innigster Sehnsucht sahe ich meiner Seele nach; aber immer mit der bangen schrecklichen Empfindung: ob sie wohl zerflattern würde -- -- und was geschah? ich sahe sie zerflattern; »Jch fuͤhlte, daß ich nicht lange mehr leben wuͤrde, meine Krankheit wurde bedenklich, und ich sahe mich endlich wirklich sterben. Welche Angst ich dabey ausgestanden, kann ich keinem Menschen beschreiben. Jch vergoß bittere Thraͤnen uͤber meinen eigenen Tod, und mein Blick hing mit einer schwermuͤthigen Stille an meinem Leichnam; — aber auf einmal war's, als ob ein heller Strahl der Ruhe und Hoffnung durch meine Seele draͤnge. »Jsts doch nur dein hinfaͤlliger irdischer Leib, dacht' ich, der da liegt, laß ihn verwesen, da ein weit edlerer Theil deines Wesens dir uͤbrig geblieben ist«. Jch betrachtete nun meine Leiche nicht mehr mit dem vorigen Schaudern; aber es dauerte nicht lange, als es in meiner Seele auf einmal schrecklich truͤbe ward, ich verlohr meine ganze Fassung, und eine unbeschreibliche Angst uͤberfiel mich von neuem. Wer weiß denn — so rief es mir im Jnnern meiner Seele zu, — ob deine Seele nicht mit dem Koͤrper verweset, ob sie nicht aus ihm heraus fliegt und zerflattert. Bey dem letzten Gedanken empfand ich die schrecklichste Seelenqual, wovon ich vorher und nachher nie eine aͤhnliche Empfindung gehabt habe. Jn dem Augenblick erhub sich ein lichtes Woͤlkchen von dem Scheitel meiner Leiche langsam in die Luft empor. Mit innigster Sehnsucht sahe ich meiner Seele nach; aber immer mit der bangen schrecklichen Empfindung: ob sie wohl zerflattern wuͤrde — — und was geschah? ich sahe sie zerflattern; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0049" n="49"/><lb/> <p>»Jch fuͤhlte, daß ich nicht lange mehr leben wuͤrde, meine Krankheit wurde bedenklich, und ich sahe mich endlich wirklich sterben. Welche Angst ich dabey ausgestanden, kann ich keinem Menschen beschreiben. Jch vergoß bittere Thraͤnen uͤber meinen eigenen Tod, und mein Blick hing mit einer schwermuͤthigen Stille an meinem Leichnam; — aber auf einmal war's, als ob ein heller Strahl der Ruhe und Hoffnung durch meine Seele draͤnge. »Jsts doch nur dein hinfaͤlliger irdischer Leib, dacht' ich, der da liegt, laß ihn verwesen, da ein weit edlerer Theil deines Wesens dir uͤbrig geblieben ist«. Jch betrachtete nun meine Leiche nicht mehr mit dem vorigen Schaudern; aber es dauerte nicht lange, als es in meiner Seele auf einmal schrecklich truͤbe ward, ich verlohr meine ganze Fassung, und eine unbeschreibliche Angst uͤberfiel mich von neuem. Wer weiß denn — so rief es mir im Jnnern meiner Seele zu, — ob deine Seele nicht mit dem Koͤrper verweset, ob sie nicht aus ihm heraus fliegt und zerflattert. Bey dem letzten Gedanken empfand ich die schrecklichste Seelenqual, wovon ich vorher und nachher nie eine aͤhnliche Empfindung gehabt habe. Jn dem Augenblick erhub sich ein lichtes Woͤlkchen von dem Scheitel meiner Leiche langsam in die Luft empor. Mit innigster Sehnsucht sahe ich meiner Seele nach; aber immer mit der bangen schrecklichen Empfindung: ob sie wohl zerflattern wuͤrde — — und was geschah? ich sahe sie zerflattern;<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0049]
»Jch fuͤhlte, daß ich nicht lange mehr leben wuͤrde, meine Krankheit wurde bedenklich, und ich sahe mich endlich wirklich sterben. Welche Angst ich dabey ausgestanden, kann ich keinem Menschen beschreiben. Jch vergoß bittere Thraͤnen uͤber meinen eigenen Tod, und mein Blick hing mit einer schwermuͤthigen Stille an meinem Leichnam; — aber auf einmal war's, als ob ein heller Strahl der Ruhe und Hoffnung durch meine Seele draͤnge. »Jsts doch nur dein hinfaͤlliger irdischer Leib, dacht' ich, der da liegt, laß ihn verwesen, da ein weit edlerer Theil deines Wesens dir uͤbrig geblieben ist«. Jch betrachtete nun meine Leiche nicht mehr mit dem vorigen Schaudern; aber es dauerte nicht lange, als es in meiner Seele auf einmal schrecklich truͤbe ward, ich verlohr meine ganze Fassung, und eine unbeschreibliche Angst uͤberfiel mich von neuem. Wer weiß denn — so rief es mir im Jnnern meiner Seele zu, — ob deine Seele nicht mit dem Koͤrper verweset, ob sie nicht aus ihm heraus fliegt und zerflattert. Bey dem letzten Gedanken empfand ich die schrecklichste Seelenqual, wovon ich vorher und nachher nie eine aͤhnliche Empfindung gehabt habe. Jn dem Augenblick erhub sich ein lichtes Woͤlkchen von dem Scheitel meiner Leiche langsam in die Luft empor. Mit innigster Sehnsucht sahe ich meiner Seele nach; aber immer mit der bangen schrecklichen Empfindung: ob sie wohl zerflattern wuͤrde — — und was geschah? ich sahe sie zerflattern;
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