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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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ben, indem die Menschen das Hörbare nur durch ihre eigene Stimme nachahmen durften, und so ziemlich allgemein man jetzt annimmt, daß das Hörbare den Anfang aller Wortsprache veranlaßt hat; so schwierig ist aber doch auf der andern Seite die Untersuchung einer Zeichensprache für abstracte Jdeen, und das um so viel mehr, weil uns alle historische Data über die Sache fehlen. Wir können ohnmöglich wissen, wenn sich dieser und jener abstracte Begriff der menschlichen Seele so aufdrang, so nahe lag, daß sie für ihn ein Wort suchen mußte; nicht, unter welchen Umständen sie dieses Wort fand, und welche Verbindung es mit dem übrigen Vorrathe schon vorhandener Wörter hatte. Aber demohnerachtet können wir dem wahrscheinlichen Gange der menschlichen Seele in Erwerbung abstracter Zeichen nachspüren. Jedes Volk, das sich eine Sprache erfand, wird zwar, wie auch die unendliche Verschiedenheit der Sprachen lehrt, einen eigenen Weg hierbei genommen haben; aber alle müßten doch auch hierbei den Eindrücken der Sinnlichkeit und der Analogie gefolgt seyn, vermöge welcher jeder rohe Mensch übersinnliche Gegenstände durch körperliche ausdrücken wird, die mit jenen nach seiner Empfindung eine Aehnlichkeit haben, und wovon ich weiter unten reden werde.

Ehe wir uns überhaupt eine Sprache denken, müssen wir uns allemahl eine Societät voraussetzen, ohne welche der Mensch gewiß stumm geblieben seyn


ben, indem die Menschen das Hoͤrbare nur durch ihre eigene Stimme nachahmen durften, und so ziemlich allgemein man jetzt annimmt, daß das Hoͤrbare den Anfang aller Wortsprache veranlaßt hat; so schwierig ist aber doch auf der andern Seite die Untersuchung einer Zeichensprache fuͤr abstracte Jdeen, und das um so viel mehr, weil uns alle historische Data uͤber die Sache fehlen. Wir koͤnnen ohnmoͤglich wissen, wenn sich dieser und jener abstracte Begriff der menschlichen Seele so aufdrang, so nahe lag, daß sie fuͤr ihn ein Wort suchen mußte; nicht, unter welchen Umstaͤnden sie dieses Wort fand, und welche Verbindung es mit dem uͤbrigen Vorrathe schon vorhandener Woͤrter hatte. Aber demohnerachtet koͤnnen wir dem wahrscheinlichen Gange der menschlichen Seele in Erwerbung abstracter Zeichen nachspuͤren. Jedes Volk, das sich eine Sprache erfand, wird zwar, wie auch die unendliche Verschiedenheit der Sprachen lehrt, einen eigenen Weg hierbei genommen haben; aber alle muͤßten doch auch hierbei den Eindruͤcken der Sinnlichkeit und der Analogie gefolgt seyn, vermoͤge welcher jeder rohe Mensch uͤbersinnliche Gegenstaͤnde durch koͤrperliche ausdruͤcken wird, die mit jenen nach seiner Empfindung eine Aehnlichkeit haben, und wovon ich weiter unten reden werde.

Ehe wir uns uͤberhaupt eine Sprache denken, muͤssen wir uns allemahl eine Societaͤt voraussetzen, ohne welche der Mensch gewiß stumm geblieben seyn

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[81/0081] ben, indem die Menschen das Hoͤrbare nur durch ihre eigene Stimme nachahmen durften, und so ziemlich allgemein man jetzt annimmt, daß das Hoͤrbare den Anfang aller Wortsprache veranlaßt hat; so schwierig ist aber doch auf der andern Seite die Untersuchung einer Zeichensprache fuͤr abstracte Jdeen, und das um so viel mehr, weil uns alle historische Data uͤber die Sache fehlen. Wir koͤnnen ohnmoͤglich wissen, wenn sich dieser und jener abstracte Begriff der menschlichen Seele so aufdrang, so nahe lag, daß sie fuͤr ihn ein Wort suchen mußte; nicht, unter welchen Umstaͤnden sie dieses Wort fand, und welche Verbindung es mit dem uͤbrigen Vorrathe schon vorhandener Woͤrter hatte. Aber demohnerachtet koͤnnen wir dem wahrscheinlichen Gange der menschlichen Seele in Erwerbung abstracter Zeichen nachspuͤren. Jedes Volk, das sich eine Sprache erfand, wird zwar, wie auch die unendliche Verschiedenheit der Sprachen lehrt, einen eigenen Weg hierbei genommen haben; aber alle muͤßten doch auch hierbei den Eindruͤcken der Sinnlichkeit und der Analogie gefolgt seyn, vermoͤge welcher jeder rohe Mensch uͤbersinnliche Gegenstaͤnde durch koͤrperliche ausdruͤcken wird, die mit jenen nach seiner Empfindung eine Aehnlichkeit haben, und wovon ich weiter unten reden werde. Ehe wir uns uͤberhaupt eine Sprache denken, muͤssen wir uns allemahl eine Societaͤt voraussetzen, ohne welche der Mensch gewiß stumm geblieben seyn

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/81>, abgerufen am 22.11.2024.