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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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in Embrio Eindrücke annimmt, und vermöge dieser Eindrücke, obgleich noch auf eine sehr eingeschränkte Art, würksam ist. Daß wir diese Eindrücke, welche den ersten Stof der Seele liefern, nicht behalten, ist sehr natürlich, weil die Weiche des Gehirns und der Fiebern ihnen noch keine Dauer erlaubt.) Die Träume eines Schlafenden werden nach meiner Meinung alle aus Begriffen, die wir im Wachen gesammelt haben, zusammengesetzt. Hat die Seele ihre eigene Begriffe für sich, die nicht von der sinnlichen Empfindung oder der Reflexion herrühren, wie sie denn solche Begriffe haben müßte, wenn sie sich mit Gedanken beschäftigte, ehe sie von dem Körper einige Eindrücke empfängt; so ist es wohl etwas seltsames, daß sie bei ihrem geheimen Denken, welches so geheim ist, daß es der Mensch selbst nicht wahrnimmt, niemahls einige von solchen Begriffen den Augenblick, da der Mensch von seinem Traume erwacht, behalten kann. (Man hat bei der Behauptung einer beständigen Würksamkeit der menschlichen Denkkraft nicht nöthig, angeborne Begriffe anzunehmen, wie hier Locke voraussetzt. Ein genaues Studium der menschlichen Seele lehrt uns, daß alle Veränderungen unserer Vorstellungen und ihrer ersten Anfänge allein in der Erfahrung liegen, und wir setzen den Anfang der geistigen Thätigkeit unserer Natur in den Punct unseres Daseyns hin, wenn die ersten Vorstellungen durch körperliche Eindrücke in uns entstehen. Die


in Embrio Eindruͤcke annimmt, und vermoͤge dieser Eindruͤcke, obgleich noch auf eine sehr eingeschraͤnkte Art, wuͤrksam ist. Daß wir diese Eindruͤcke, welche den ersten Stof der Seele liefern, nicht behalten, ist sehr natuͤrlich, weil die Weiche des Gehirns und der Fiebern ihnen noch keine Dauer erlaubt.) Die Traͤume eines Schlafenden werden nach meiner Meinung alle aus Begriffen, die wir im Wachen gesammelt haben, zusammengesetzt. Hat die Seele ihre eigene Begriffe fuͤr sich, die nicht von der sinnlichen Empfindung oder der Reflexion herruͤhren, wie sie denn solche Begriffe haben muͤßte, wenn sie sich mit Gedanken beschaͤftigte, ehe sie von dem Koͤrper einige Eindruͤcke empfaͤngt; so ist es wohl etwas seltsames, daß sie bei ihrem geheimen Denken, welches so geheim ist, daß es der Mensch selbst nicht wahrnimmt, niemahls einige von solchen Begriffen den Augenblick, da der Mensch von seinem Traume erwacht, behalten kann. (Man hat bei der Behauptung einer bestaͤndigen Wuͤrksamkeit der menschlichen Denkkraft nicht noͤthig, angeborne Begriffe anzunehmen, wie hier Locke voraussetzt. Ein genaues Studium der menschlichen Seele lehrt uns, daß alle Veraͤnderungen unserer Vorstellungen und ihrer ersten Anfaͤnge allein in der Erfahrung liegen, und wir setzen den Anfang der geistigen Thaͤtigkeit unserer Natur in den Punct unseres Daseyns hin, wenn die ersten Vorstellungen durch koͤrperliche Eindruͤcke in uns entstehen. Die

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[78/0078] in Embrio Eindruͤcke annimmt, und vermoͤge dieser Eindruͤcke, obgleich noch auf eine sehr eingeschraͤnkte Art, wuͤrksam ist. Daß wir diese Eindruͤcke, welche den ersten Stof der Seele liefern, nicht behalten, ist sehr natuͤrlich, weil die Weiche des Gehirns und der Fiebern ihnen noch keine Dauer erlaubt.) Die Traͤume eines Schlafenden werden nach meiner Meinung alle aus Begriffen, die wir im Wachen gesammelt haben, zusammengesetzt. Hat die Seele ihre eigene Begriffe fuͤr sich, die nicht von der sinnlichen Empfindung oder der Reflexion herruͤhren, wie sie denn solche Begriffe haben muͤßte, wenn sie sich mit Gedanken beschaͤftigte, ehe sie von dem Koͤrper einige Eindruͤcke empfaͤngt; so ist es wohl etwas seltsames, daß sie bei ihrem geheimen Denken, welches so geheim ist, daß es der Mensch selbst nicht wahrnimmt, niemahls einige von solchen Begriffen den Augenblick, da der Mensch von seinem Traume erwacht, behalten kann. (Man hat bei der Behauptung einer bestaͤndigen Wuͤrksamkeit der menschlichen Denkkraft nicht noͤthig, angeborne Begriffe anzunehmen, wie hier Locke voraussetzt. Ein genaues Studium der menschlichen Seele lehrt uns, daß alle Veraͤnderungen unserer Vorstellungen und ihrer ersten Anfaͤnge allein in der Erfahrung liegen, und wir setzen den Anfang der geistigen Thaͤtigkeit unserer Natur in den Punct unseres Daseyns hin, wenn die ersten Vorstellungen durch koͤrperliche Eindruͤcke in uns entstehen. Die

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/78>, abgerufen am 22.11.2024.