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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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kann einen Begriff davon machen, und nun gestehe ich gern, daß eine Nation, die ein Schauspiel besitzt, wo die Acteurs im Ganzen von gleicher Vollkommenheit sind, mit Recht darauf stolz seyn kann.

Dergleichen Talente besaß Madam Zouck nun gar nicht, und hatte weder an Gestalt noch am Geiste das geringste mit einer Lais oder einer Sappho Gleiches, mit denen sie nur wegen einiger moralischen Beschaffenheit etwas Aehnliches besaß. Diese Madam Zouck machte großen Aufwand, und endlich kaufte sie eine Meierei vor einem der Thore von Cassel, die der H- -ischen Familie dort gehörte. Da wohnte sie eine Zeitlang, bis sie sich auf einmahl mit ihrer Begleiterinn aus Cassel wegmachte, ohne daß man recht wußte, wohin. Mademois. Raucour ging würklich nach Paris, wo sie den Schauplatz nach Berichtigung ihrer Angelegenheiten mit großem Beifall wieder bestiegen hat. Madam Zouck trieb ihr Wesen aber an andern Orten; man hörte von einem Unfalle mit einem Sturz vom Pferde, den sie im Leipziger Lager gehabt haben sollte, bis sie endlich ganz unerwartet wieder nach Cassel kam, nachdem sie ein Moratorium wegen der zurückgelassenen Schulden erhalten hatte.

Nicht lange darauf veranlaßte sie folgenden sehr seltsamen Zufall. Da sie die H-ische Meierei gekauft hatte, so blieb noch deßhalb eine Menge Sachen wegen der Bezahlung zu berichtigen. Dies machte, daß der Secretär H--, ein Sohn aus


kann einen Begriff davon machen, und nun gestehe ich gern, daß eine Nation, die ein Schauspiel besitzt, wo die Acteurs im Ganzen von gleicher Vollkommenheit sind, mit Recht darauf stolz seyn kann.

Dergleichen Talente besaß Madam Zouck nun gar nicht, und hatte weder an Gestalt noch am Geiste das geringste mit einer Lais oder einer Sappho Gleiches, mit denen sie nur wegen einiger moralischen Beschaffenheit etwas Aehnliches besaß. Diese Madam Zouck machte großen Aufwand, und endlich kaufte sie eine Meierei vor einem der Thore von Cassel, die der H– –ischen Familie dort gehoͤrte. Da wohnte sie eine Zeitlang, bis sie sich auf einmahl mit ihrer Begleiterinn aus Cassel wegmachte, ohne daß man recht wußte, wohin. Mademois. Raucour ging wuͤrklich nach Paris, wo sie den Schauplatz nach Berichtigung ihrer Angelegenheiten mit großem Beifall wieder bestiegen hat. Madam Zouck trieb ihr Wesen aber an andern Orten; man hoͤrte von einem Unfalle mit einem Sturz vom Pferde, den sie im Leipziger Lager gehabt haben sollte, bis sie endlich ganz unerwartet wieder nach Cassel kam, nachdem sie ein Moratorium wegen der zuruͤckgelassenen Schulden erhalten hatte.

Nicht lange darauf veranlaßte sie folgenden sehr seltsamen Zufall. Da sie die H-ische Meierei gekauft hatte, so blieb noch deßhalb eine Menge Sachen wegen der Bezahlung zu berichtigen. Dies machte, daß der Secretaͤr H—, ein Sohn aus

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[54/0054] kann einen Begriff davon machen, und nun gestehe ich gern, daß eine Nation, die ein Schauspiel besitzt, wo die Acteurs im Ganzen von gleicher Vollkommenheit sind, mit Recht darauf stolz seyn kann. Dergleichen Talente besaß Madam Zouck nun gar nicht, und hatte weder an Gestalt noch am Geiste das geringste mit einer Lais oder einer Sappho Gleiches, mit denen sie nur wegen einiger moralischen Beschaffenheit etwas Aehnliches besaß. Diese Madam Zouck machte großen Aufwand, und endlich kaufte sie eine Meierei vor einem der Thore von Cassel, die der H– –ischen Familie dort gehoͤrte. Da wohnte sie eine Zeitlang, bis sie sich auf einmahl mit ihrer Begleiterinn aus Cassel wegmachte, ohne daß man recht wußte, wohin. Mademois. Raucour ging wuͤrklich nach Paris, wo sie den Schauplatz nach Berichtigung ihrer Angelegenheiten mit großem Beifall wieder bestiegen hat. Madam Zouck trieb ihr Wesen aber an andern Orten; man hoͤrte von einem Unfalle mit einem Sturz vom Pferde, den sie im Leipziger Lager gehabt haben sollte, bis sie endlich ganz unerwartet wieder nach Cassel kam, nachdem sie ein Moratorium wegen der zuruͤckgelassenen Schulden erhalten hatte. Nicht lange darauf veranlaßte sie folgenden sehr seltsamen Zufall. Da sie die H-ische Meierei gekauft hatte, so blieb noch deßhalb eine Menge Sachen wegen der Bezahlung zu berichtigen. Dies machte, daß der Secretaͤr H—, ein Sohn aus

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/54>, abgerufen am 25.11.2024.