Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0024" n="24"/><lb/> gesammlet: (gewiß ist es, daß ich nicht durch unmaͤßiges Essen und Trinken daran Schuld gewesen, weil ich mein <choice><corr>ordentliches</corr><sic>ordentlichs</sic></choice> Maas hatte, so oft ich predigte.) Kurz, ich hatte kaum das Capitel zu erklaͤren angefangen, so konnte ich mich auf etwas, das ich sagen wollte, nicht bald besinnen, und in dem ich mich stark anstrenge und das Gedaͤchtniß forcire, so merke ich, daß mein Urin fort will, und dies mit einem solchen starken Nisu und Treiben, daß ich den Augenblick in die groͤßte Furcht gesetzt wurde, und je mehr ich fuͤrchtete, daß es geschehen moͤchte, je mehr wuchs die Noth. Jch konnte nicht laͤnger auf der Kanzel stehen, sondern suchte mich durch Niedersetzen zu helfen; aber auch dieses half nicht, sondern es incommodirte mich dieser unvermuthete Zufall so unmaͤßig, daß ich mit dem Capitel uͤber Hals uͤber Kopf eilte, die wichtigsten Dinge nur fluͤchtig und obenhin beruͤhrte, so daß ich in drei Viertelstunden schon damit fertig war, und also den ganzen Brei verschuͤttete, oder das ganze Capitel mehr verderbte, als erklaͤrte. Jedermann wollte wissen, was mir zugestoßen, ich sagte aber niemanden das geringste davon, zwang mich auch nach der Predigt, und stand unsaͤgliche Angst bei dem Seegensprechen aus, in der gaͤnzlichen Meinung, es wuͤrde mir vor dem Altar noch begegnen, was ich auf der Kanzel befuͤrchtet hatte. Denn waͤre ich, sobald ich von der Kanzel kam, auf die Seite gegangen, so wuͤrde jedermann haben errathen koͤn-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0024]
gesammlet: (gewiß ist es, daß ich nicht durch unmaͤßiges Essen und Trinken daran Schuld gewesen, weil ich mein ordentliches Maas hatte, so oft ich predigte.) Kurz, ich hatte kaum das Capitel zu erklaͤren angefangen, so konnte ich mich auf etwas, das ich sagen wollte, nicht bald besinnen, und in dem ich mich stark anstrenge und das Gedaͤchtniß forcire, so merke ich, daß mein Urin fort will, und dies mit einem solchen starken Nisu und Treiben, daß ich den Augenblick in die groͤßte Furcht gesetzt wurde, und je mehr ich fuͤrchtete, daß es geschehen moͤchte, je mehr wuchs die Noth. Jch konnte nicht laͤnger auf der Kanzel stehen, sondern suchte mich durch Niedersetzen zu helfen; aber auch dieses half nicht, sondern es incommodirte mich dieser unvermuthete Zufall so unmaͤßig, daß ich mit dem Capitel uͤber Hals uͤber Kopf eilte, die wichtigsten Dinge nur fluͤchtig und obenhin beruͤhrte, so daß ich in drei Viertelstunden schon damit fertig war, und also den ganzen Brei verschuͤttete, oder das ganze Capitel mehr verderbte, als erklaͤrte. Jedermann wollte wissen, was mir zugestoßen, ich sagte aber niemanden das geringste davon, zwang mich auch nach der Predigt, und stand unsaͤgliche Angst bei dem Seegensprechen aus, in der gaͤnzlichen Meinung, es wuͤrde mir vor dem Altar noch begegnen, was ich auf der Kanzel befuͤrchtet hatte. Denn waͤre ich, sobald ich von der Kanzel kam, auf die Seite gegangen, so wuͤrde jedermann haben errathen koͤn-
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