Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Alle neue Begriffe und Empfindungen, welche wir bekommen und in uns wahrnehmen, gründen sich natürlicherweise auf Selbstbeobachtung, Selbstdenken; oder auf den Unterricht von Andern, vermöge symbolischer Zeichen, sie mögen nun in eigentlicher Wortsprache, in Gesichtsausdrücken oder Gesten bestehen. Es ist bisher noch kein Weg entdeckt worden, und es wird auch wohl nie ein solcher entdeckt werden, wie uns andere Menschen ohne symbolische Zeichen ihre Gedanken und Empfindungen mittheilen können. Selbst bei den oft so schnellen und überraschenden Gefühlen der Sympathie, wo eine Seele in die andere überzugehen, in ihr zu leben und zu empfinden, mit ihr durch einen unsichtbaren, unerklärlichen Einfluß verbunden zu seyn scheint, müssen entweder würkliche Gegenstände, würkliche Zeichen -- oder eingebildete vorhanden seyn, die auf eine symbolische Art zu unserm Herzen reden.

Aber, könnte man sagen, jene Mittheilung neuer Jdeen zwischen uns und höhern uns umgebenden Genien, ist doch möglich. Vielleicht würken diese auf eine unsichtbare Weise, für welche unsere Seele einen geheimen Sinn hat, wenn sie gleich die Berührung, die Bewegung dieses Sinnes nicht erklären, noch den individuell auf sie würkenden Geist angeben kann, jene Vorgefühle der Zukunft in uns, die so viele Menschen gehabt zu haben vorgeben; jene Begriffe und Vorhersehun-


Alle neue Begriffe und Empfindungen, welche wir bekommen und in uns wahrnehmen, gruͤnden sich natuͤrlicherweise auf Selbstbeobachtung, Selbstdenken; oder auf den Unterricht von Andern, vermoͤge symbolischer Zeichen, sie moͤgen nun in eigentlicher Wortsprache, in Gesichtsausdruͤcken oder Gesten bestehen. Es ist bisher noch kein Weg entdeckt worden, und es wird auch wohl nie ein solcher entdeckt werden, wie uns andere Menschen ohne symbolische Zeichen ihre Gedanken und Empfindungen mittheilen koͤnnen. Selbst bei den oft so schnellen und uͤberraschenden Gefuͤhlen der Sympathie, wo eine Seele in die andere uͤberzugehen, in ihr zu leben und zu empfinden, mit ihr durch einen unsichtbaren, unerklaͤrlichen Einfluß verbunden zu seyn scheint, muͤssen entweder wuͤrkliche Gegenstaͤnde, wuͤrkliche Zeichen — oder eingebildete vorhanden seyn, die auf eine symbolische Art zu unserm Herzen reden.

Aber, koͤnnte man sagen, jene Mittheilung neuer Jdeen zwischen uns und hoͤhern uns umgebenden Genien, ist doch moͤglich. Vielleicht wuͤrken diese auf eine unsichtbare Weise, fuͤr welche unsere Seele einen geheimen Sinn hat, wenn sie gleich die Beruͤhrung, die Bewegung dieses Sinnes nicht erklaͤren, noch den individuell auf sie wuͤrkenden Geist angeben kann, jene Vorgefuͤhle der Zukunft in uns, die so viele Menschen gehabt zu haben vorgeben; jene Begriffe und Vorhersehun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0002" n="2"/><lb/>
          <p>Alle <hi rendition="#b">neue</hi> Begriffe und Empfindungen, welche wir bekommen                   und in uns wahrnehmen, gru&#x0364;nden sich natu&#x0364;rlicherweise auf <hi rendition="#b">Selbstbeobachtung, Selbstdenken;</hi> oder auf den <hi rendition="#b">Unterricht von Andern, vermo&#x0364;ge symbolischer Zeichen,</hi> sie mo&#x0364;gen nun in                   eigentlicher Wortsprache, in Gesichtsausdru&#x0364;cken oder Gesten bestehen. Es ist                   bisher noch kein Weg entdeckt worden, und es wird auch wohl <hi rendition="#b">nie</hi> ein solcher entdeckt werden, <hi rendition="#b">wie</hi> uns                   andere Menschen ohne symbolische Zeichen ihre Gedanken und Empfindungen mittheilen                   ko&#x0364;nnen. Selbst bei den oft so schnellen und u&#x0364;berraschenden Gefu&#x0364;hlen der Sympathie,                   wo eine Seele in die andere u&#x0364;berzugehen, in ihr zu leben und zu empfinden, mit ihr                   durch einen unsichtbaren, unerkla&#x0364;rlichen Einfluß verbunden zu seyn scheint, mu&#x0364;ssen                   entweder <hi rendition="#b">wu&#x0364;rkliche</hi> Gegensta&#x0364;nde, wu&#x0364;rkliche Zeichen &#x2014; oder <hi rendition="#b">eingebildete</hi> vorhanden seyn, die auf eine symbolische                   Art zu unserm Herzen reden.</p>
          <p>Aber, ko&#x0364;nnte man sagen, jene Mittheilung neuer Jdeen zwischen uns und ho&#x0364;hern uns                   umgebenden <hi rendition="#b">Genien,</hi> ist doch <hi rendition="#b">mo&#x0364;glich.</hi> Vielleicht wu&#x0364;rken diese auf eine <hi rendition="#b">unsichtbare</hi> Weise, fu&#x0364;r welche unsere Seele einen <hi rendition="#b">geheimen</hi> Sinn hat, wenn sie gleich die Beru&#x0364;hrung, die Bewegung dieses                   Sinnes nicht erkla&#x0364;ren, noch den individuell auf sie wu&#x0364;rkenden Geist angeben kann,                   jene <hi rendition="#b">Vorgefu&#x0364;hle</hi> der Zukunft in uns, die so viele Menschen                   gehabt zu haben vorgeben; jene Begriffe und Vorhersehun-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0002] Alle neue Begriffe und Empfindungen, welche wir bekommen und in uns wahrnehmen, gruͤnden sich natuͤrlicherweise auf Selbstbeobachtung, Selbstdenken; oder auf den Unterricht von Andern, vermoͤge symbolischer Zeichen, sie moͤgen nun in eigentlicher Wortsprache, in Gesichtsausdruͤcken oder Gesten bestehen. Es ist bisher noch kein Weg entdeckt worden, und es wird auch wohl nie ein solcher entdeckt werden, wie uns andere Menschen ohne symbolische Zeichen ihre Gedanken und Empfindungen mittheilen koͤnnen. Selbst bei den oft so schnellen und uͤberraschenden Gefuͤhlen der Sympathie, wo eine Seele in die andere uͤberzugehen, in ihr zu leben und zu empfinden, mit ihr durch einen unsichtbaren, unerklaͤrlichen Einfluß verbunden zu seyn scheint, muͤssen entweder wuͤrkliche Gegenstaͤnde, wuͤrkliche Zeichen — oder eingebildete vorhanden seyn, die auf eine symbolische Art zu unserm Herzen reden. Aber, koͤnnte man sagen, jene Mittheilung neuer Jdeen zwischen uns und hoͤhern uns umgebenden Genien, ist doch moͤglich. Vielleicht wuͤrken diese auf eine unsichtbare Weise, fuͤr welche unsere Seele einen geheimen Sinn hat, wenn sie gleich die Beruͤhrung, die Bewegung dieses Sinnes nicht erklaͤren, noch den individuell auf sie wuͤrkenden Geist angeben kann, jene Vorgefuͤhle der Zukunft in uns, die so viele Menschen gehabt zu haben vorgeben; jene Begriffe und Vorhersehun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/2
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/2>, abgerufen am 21.11.2024.