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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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einem Gasthause einer Anzahl Studenten gleich einer Bachantin mit den wollüstigsten Stellungen in die Arme lief, sich auf ihren Schoos setzte, und endlich mit ihnen verschwand. Es hätte mir wer weiß wie viel geboten werden können, ich wäre nicht mitgegangen. Lange Zeit beschäftigte ich mich einst mit einem statistischen Plane, wie alle Mädchen im Lande, um den Ausschweifungen der Jugend Einhalt zu thun, ehrlich verheurathet werden könnten; - allein mein armer Plan war nichts, als - Jdeal.

Man sagt, daß Sprödigkeit ein probates Mittel sei, wodurch unsere Schönen nicht selten männliche Herzen zu fesseln wüßten, - und ihr Betragen scheint sich auf den psychologischen Grundsatz zu beziehen, daß das, was uns schwer gemacht wird, unser Verlangen dennoch nur desto mehr reitzt; - allein nie hat Sprödigkeit eines Frauenzimmers obige Würkung, sondern vielmehr das Gegentheil bei mir hervorgebracht. Jch werde gegen keinen Menschen mehr in Harnisch gebracht, als gegen ein sprödes Mädchen, ich habe dabei oft die Gesetze der Höflichkeit übertreten, und habe mich lieber mit einem alten Weibe unterhalten, als jene Närrinn meiner Unterredung zu würdigen. Jch habe daher auch immer gegen verheurathete Frauenzimmer eine stärkere Zuneigung als gegen Mädchen empfunden, weil jene gemeiniglich das zippe und spröde Wesen abgelegt haben, was diesen so oft


einem Gasthause einer Anzahl Studenten gleich einer Bachantin mit den wolluͤstigsten Stellungen in die Arme lief, sich auf ihren Schoos setzte, und endlich mit ihnen verschwand. Es haͤtte mir wer weiß wie viel geboten werden koͤnnen, ich waͤre nicht mitgegangen. Lange Zeit beschaͤftigte ich mich einst mit einem statistischen Plane, wie alle Maͤdchen im Lande, um den Ausschweifungen der Jugend Einhalt zu thun, ehrlich verheurathet werden koͤnnten; – allein mein armer Plan war nichts, als – Jdeal.

Man sagt, daß Sproͤdigkeit ein probates Mittel sei, wodurch unsere Schoͤnen nicht selten maͤnnliche Herzen zu fesseln wuͤßten, – und ihr Betragen scheint sich auf den psychologischen Grundsatz zu beziehen, daß das, was uns schwer gemacht wird, unser Verlangen dennoch nur desto mehr reitzt; – allein nie hat Sproͤdigkeit eines Frauenzimmers obige Wuͤrkung, sondern vielmehr das Gegentheil bei mir hervorgebracht. Jch werde gegen keinen Menschen mehr in Harnisch gebracht, als gegen ein sproͤdes Maͤdchen, ich habe dabei oft die Gesetze der Hoͤflichkeit uͤbertreten, und habe mich lieber mit einem alten Weibe unterhalten, als jene Naͤrrinn meiner Unterredung zu wuͤrdigen. Jch habe daher auch immer gegen verheurathete Frauenzimmer eine staͤrkere Zuneigung als gegen Maͤdchen empfunden, weil jene gemeiniglich das zippe und sproͤde Wesen abgelegt haben, was diesen so oft

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[86/0088] einem Gasthause einer Anzahl Studenten gleich einer Bachantin mit den wolluͤstigsten Stellungen in die Arme lief, sich auf ihren Schoos setzte, und endlich mit ihnen verschwand. Es haͤtte mir wer weiß wie viel geboten werden koͤnnen, ich waͤre nicht mitgegangen. Lange Zeit beschaͤftigte ich mich einst mit einem statistischen Plane, wie alle Maͤdchen im Lande, um den Ausschweifungen der Jugend Einhalt zu thun, ehrlich verheurathet werden koͤnnten; – allein mein armer Plan war nichts, als – Jdeal. Man sagt, daß Sproͤdigkeit ein probates Mittel sei, wodurch unsere Schoͤnen nicht selten maͤnnliche Herzen zu fesseln wuͤßten, – und ihr Betragen scheint sich auf den psychologischen Grundsatz zu beziehen, daß das, was uns schwer gemacht wird, unser Verlangen dennoch nur desto mehr reitzt; – allein nie hat Sproͤdigkeit eines Frauenzimmers obige Wuͤrkung, sondern vielmehr das Gegentheil bei mir hervorgebracht. Jch werde gegen keinen Menschen mehr in Harnisch gebracht, als gegen ein sproͤdes Maͤdchen, ich habe dabei oft die Gesetze der Hoͤflichkeit uͤbertreten, und habe mich lieber mit einem alten Weibe unterhalten, als jene Naͤrrinn meiner Unterredung zu wuͤrdigen. Jch habe daher auch immer gegen verheurathete Frauenzimmer eine staͤrkere Zuneigung als gegen Maͤdchen empfunden, weil jene gemeiniglich das zippe und sproͤde Wesen abgelegt haben, was diesen so oft

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/88>, abgerufen am 22.11.2024.