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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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verbunden seyn werde. Wir schließen hiebei freilich oft sehr unrichtig und lieblos; allein wir schließen nun einmahl so, weil es die Analogie unserer Jdeen mit sich bringt, und weil wir uns geneigt fühlen, das zu verachten, was uns nicht gefällt.

Ein häßlicher Mann fällt uns nie so auf, als ein häßliches Frauenzimmer, und ich glaube aus folgenden Gründen. Wenn es gleich eben so gut eine männliche Schönheit, als eine weibliche giebt; so setzen wir doch immer die letztere als ein besonderes Eigenthum des andern Geschlechts voraus, wozu uns schon der feinere Gliederbau und das sanftere Colorit des weiblichen Gesichts berechtigt. Die Natur hat in der That den weiblichen Körper mit mehrern Reitzen als den männlichen begabt; allein der Mangel desselben würde uns nicht so sehr auffallen, wenn wir nicht sogleich für jene Reitze ein geheimes Jnteresse fühlten, was uns unaufhörlich zu dem andern Geschlechte hinzieht. Dieses Jnteresse, welches wir gegen keine Person unseres Geschlechts, selbst bei der wärmsten Freundschaft nicht empfinden, wird durch ein häßliches weibliches Gesicht aufgehoben, unsere sympathetischen Gefühle werden dadurch unterbrochen, unser Herz in seinen süßen Neigungen eingeschränkt, und es ist uns unmöglich, ein solches Frauenzimmer auf den ersten Anblick lieben zu können.

Diese Einschränkung unserer zärtlichen Gefühle, die immer auf eine dunkle Art in uns verborgen lie-


verbunden seyn werde. Wir schließen hiebei freilich oft sehr unrichtig und lieblos; allein wir schließen nun einmahl so, weil es die Analogie unserer Jdeen mit sich bringt, und weil wir uns geneigt fuͤhlen, das zu verachten, was uns nicht gefaͤllt.

Ein haͤßlicher Mann faͤllt uns nie so auf, als ein haͤßliches Frauenzimmer, und ich glaube aus folgenden Gruͤnden. Wenn es gleich eben so gut eine maͤnnliche Schoͤnheit, als eine weibliche giebt; so setzen wir doch immer die letztere als ein besonderes Eigenthum des andern Geschlechts voraus, wozu uns schon der feinere Gliederbau und das sanftere Colorit des weiblichen Gesichts berechtigt. Die Natur hat in der That den weiblichen Koͤrper mit mehrern Reitzen als den maͤnnlichen begabt; allein der Mangel desselben wuͤrde uns nicht so sehr auffallen, wenn wir nicht sogleich fuͤr jene Reitze ein geheimes Jnteresse fuͤhlten, was uns unaufhoͤrlich zu dem andern Geschlechte hinzieht. Dieses Jnteresse, welches wir gegen keine Person unseres Geschlechts, selbst bei der waͤrmsten Freundschaft nicht empfinden, wird durch ein haͤßliches weibliches Gesicht aufgehoben, unsere sympathetischen Gefuͤhle werden dadurch unterbrochen, unser Herz in seinen suͤßen Neigungen eingeschraͤnkt, und es ist uns unmoͤglich, ein solches Frauenzimmer auf den ersten Anblick lieben zu koͤnnen.

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[52/0054] verbunden seyn werde. Wir schließen hiebei freilich oft sehr unrichtig und lieblos; allein wir schließen nun einmahl so, weil es die Analogie unserer Jdeen mit sich bringt, und weil wir uns geneigt fuͤhlen, das zu verachten, was uns nicht gefaͤllt. Ein haͤßlicher Mann faͤllt uns nie so auf, als ein haͤßliches Frauenzimmer, und ich glaube aus folgenden Gruͤnden. Wenn es gleich eben so gut eine maͤnnliche Schoͤnheit, als eine weibliche giebt; so setzen wir doch immer die letztere als ein besonderes Eigenthum des andern Geschlechts voraus, wozu uns schon der feinere Gliederbau und das sanftere Colorit des weiblichen Gesichts berechtigt. Die Natur hat in der That den weiblichen Koͤrper mit mehrern Reitzen als den maͤnnlichen begabt; allein der Mangel desselben wuͤrde uns nicht so sehr auffallen, wenn wir nicht sogleich fuͤr jene Reitze ein geheimes Jnteresse fuͤhlten, was uns unaufhoͤrlich zu dem andern Geschlechte hinzieht. Dieses Jnteresse, welches wir gegen keine Person unseres Geschlechts, selbst bei der waͤrmsten Freundschaft nicht empfinden, wird durch ein haͤßliches weibliches Gesicht aufgehoben, unsere sympathetischen Gefuͤhle werden dadurch unterbrochen, unser Herz in seinen suͤßen Neigungen eingeschraͤnkt, und es ist uns unmoͤglich, ein solches Frauenzimmer auf den ersten Anblick lieben zu koͤnnen. Diese Einschraͤnkung unserer zaͤrtlichen Gefuͤhle, die immer auf eine dunkle Art in uns verborgen lie-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/54>, abgerufen am 22.11.2024.