Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Man müßte mit der Erziehungsgeschichte dieses unglücklichen Menschen, und mit allen moralischen und physicalischen Umständen, welche auf seine Bildung einen nähern oder entferntern Einfluß hatten, genau und vom Anfang an bekannt seyn, wenn man die psychologischen Gründe seines sonderbaren Characters vollkommen richtig angeben wollte. Jch habe nur einzelne Data darüber von seinen Anverwandten erfahren können, und ich will sie so umständlich, als es mir nöthig dünkt, meinen Lesern mittheilen. Die Eltern dieses Unglücklichen waren Kaufleute in einer kleinen B-schen Stadt, und sehr gute Oekonomen, ob man ihnen gleich keinen übertriebnen Geitz Schuld geben konnte. Jhr Sohn wurde
Man muͤßte mit der Erziehungsgeschichte dieses ungluͤcklichen Menschen, und mit allen moralischen und physicalischen Umstaͤnden, welche auf seine Bildung einen naͤhern oder entferntern Einfluß hatten, genau und vom Anfang an bekannt seyn, wenn man die psychologischen Gruͤnde seines sonderbaren Characters vollkommen richtig angeben wollte. Jch habe nur einzelne Data daruͤber von seinen Anverwandten erfahren koͤnnen, und ich will sie so umstaͤndlich, als es mir noͤthig duͤnkt, meinen Lesern mittheilen. Die Eltern dieses Ungluͤcklichen waren Kaufleute in einer kleinen B–schen Stadt, und sehr gute Oekonomen, ob man ihnen gleich keinen uͤbertriebnen Geitz Schuld geben konnte. Jhr Sohn wurde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0031" n="29"/><lb/> Schlafrock zum Verkauf aus; ja er sucht sogar die Kinder der Nachbarschaft zu bereden, daß sie ihre Eltern heimlich bestehlen und die Beute mit ihm theilen sollen. Verschiedenemahl ist er heimlich entlaufen, und man hat ihn in den Doͤrfern um die Stadt herum mit niedergeschlagenem Huthe und umgewandten Kleidern bettelnd gefunden. Ueberhaupt ist seine Begierde zu entlaufen oft sehr stark, er hat schon verschiedentlich die Fenster deswegen eingeschlagen, und Briefe auf die Gasse geworfen, welche an einen Buͤrgermeister der Stadt addressirt waren, der ihn aus seiner vermeintlichen Gefangenschaft befreien sollte.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Man muͤßte mit der Erziehungsgeschichte dieses ungluͤcklichen Menschen, und mit allen moralischen und physicalischen Umstaͤnden, welche auf seine Bildung einen naͤhern oder entferntern Einfluß hatten, genau und vom Anfang an bekannt seyn, <choice><corr>wenn man</corr><sic>wenn</sic></choice> die psychologischen Gruͤnde seines sonderbaren Characters vollkommen richtig angeben wollte. Jch habe nur einzelne Data daruͤber von seinen Anverwandten erfahren koͤnnen, und ich will sie so umstaͤndlich, als es mir noͤthig duͤnkt, meinen Lesern mittheilen.</p> <p>Die Eltern dieses Ungluͤcklichen waren Kaufleute in einer kleinen B–schen Stadt, und sehr gute Oekonomen, ob man ihnen gleich keinen uͤbertriebnen Geitz Schuld geben konnte. Jhr Sohn wurde<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0031]
Schlafrock zum Verkauf aus; ja er sucht sogar die Kinder der Nachbarschaft zu bereden, daß sie ihre Eltern heimlich bestehlen und die Beute mit ihm theilen sollen. Verschiedenemahl ist er heimlich entlaufen, und man hat ihn in den Doͤrfern um die Stadt herum mit niedergeschlagenem Huthe und umgewandten Kleidern bettelnd gefunden. Ueberhaupt ist seine Begierde zu entlaufen oft sehr stark, er hat schon verschiedentlich die Fenster deswegen eingeschlagen, und Briefe auf die Gasse geworfen, welche an einen Buͤrgermeister der Stadt addressirt waren, der ihn aus seiner vermeintlichen Gefangenschaft befreien sollte.
Man muͤßte mit der Erziehungsgeschichte dieses ungluͤcklichen Menschen, und mit allen moralischen und physicalischen Umstaͤnden, welche auf seine Bildung einen naͤhern oder entferntern Einfluß hatten, genau und vom Anfang an bekannt seyn, wenn man die psychologischen Gruͤnde seines sonderbaren Characters vollkommen richtig angeben wollte. Jch habe nur einzelne Data daruͤber von seinen Anverwandten erfahren koͤnnen, und ich will sie so umstaͤndlich, als es mir noͤthig duͤnkt, meinen Lesern mittheilen.
Die Eltern dieses Ungluͤcklichen waren Kaufleute in einer kleinen B–schen Stadt, und sehr gute Oekonomen, ob man ihnen gleich keinen uͤbertriebnen Geitz Schuld geben konnte. Jhr Sohn wurde
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/31>, abgerufen am 16.07.2024. |