Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.nen er sein Vorgefühl entdeckt hat, vorhanden? Die Seite 99 - 101 angeführten Beispiele eines Ahndungsvermögens enthalten nichts Sonderbares in sich, und ich würde nimmermehr ein Vorhersehungsvermögen der Seele daraus hergeleitet haben, weil sie sich auf gewisse blos dunkle Empfindungen gründen, die wahrscheinlich blos von körperlichen Ursachen veranlaßt wurden. Daß Herr Kirchner von der Landkutsche springt und aus einem innern Drange zu Fuße geht, daß bald darauf die Landkutsche umfällt und er nicht zerquetscht wird, welches vielleicht auch nicht geschehen wäre, wenn er sitzen blieb; daß die ins Kloster gesteckte Ehefrau eine heftige Begierde zu entfliehen empfindet, würklich entflieht, und endlich auf dieser Flucht ihren Mann als Reisenden in einem Wirthshause findet, - ist eben nichts Sonderbares, und der Zufall hatte gewiß das meiste Spiel in der Sache. Am wenigsten aber kann die im dritten Stück des dritten Bandes angeführte Geschichte S. 20 zu den Ahndungen gerechnet werden. Jm dritten Stük des zweiten Bandes S. 118 erzählt Herr "Schon in meiner frühen Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele ohne die allergeringste äußere Veranlassung, plözlich nen er sein Vorgefuͤhl entdeckt hat, vorhanden? Die Seite 99 – 101 angefuͤhrten Beispiele eines Ahndungsvermoͤgens enthalten nichts Sonderbares in sich, und ich wuͤrde nimmermehr ein Vorhersehungsvermoͤgen der Seele daraus hergeleitet haben, weil sie sich auf gewisse blos dunkle Empfindungen gruͤnden, die wahrscheinlich blos von koͤrperlichen Ursachen veranlaßt wurden. Daß Herr Kirchner von der Landkutsche springt und aus einem innern Drange zu Fuße geht, daß bald darauf die Landkutsche umfaͤllt und er nicht zerquetscht wird, welches vielleicht auch nicht geschehen waͤre, wenn er sitzen blieb; daß die ins Kloster gesteckte Ehefrau eine heftige Begierde zu entfliehen empfindet, wuͤrklich entflieht, und endlich auf dieser Flucht ihren Mann als Reisenden in einem Wirthshause findet, – ist eben nichts Sonderbares, und der Zufall hatte gewiß das meiste Spiel in der Sache. Am wenigsten aber kann die im dritten Stuͤck des dritten Bandes angefuͤhrte Geschichte S. 20 zu den Ahndungen gerechnet werden. Jm dritten Stuͤk des zweiten Bandes S. 118 erzaͤhlt Herr »Schon in meiner fruͤhen Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele ohne die allergeringste aͤußere Veranlassung, ploͤzlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <list> <item><pb facs="#f0018" n="16"/><lb/> nen er sein Vorgefuͤhl entdeckt hat, vorhanden?</item> </list> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Die Seite 99 – 101 angefuͤhrten Beispiele eines Ahndungsvermoͤgens enthalten nichts Sonderbares in sich, und ich wuͤrde nimmermehr ein <hi rendition="#b">Vorhersehungsvermoͤgen</hi> der Seele daraus hergeleitet haben, weil sie sich auf gewisse blos dunkle Empfindungen gruͤnden, die wahrscheinlich blos von <hi rendition="#b">koͤrperlichen</hi> Ursachen veranlaßt wurden.</p> <p>Daß Herr <hi rendition="#b">Kirchner</hi> von der Landkutsche springt und aus einem innern Drange zu Fuße geht, daß bald darauf die Landkutsche umfaͤllt und er nicht zerquetscht wird, welches vielleicht auch <hi rendition="#b">nicht</hi> geschehen waͤre, wenn er sitzen blieb; daß die ins Kloster gesteckte Ehefrau eine heftige Begierde zu entfliehen empfindet, wuͤrklich entflieht, und endlich auf dieser Flucht ihren Mann als Reisenden in einem Wirthshause findet, – ist eben nichts Sonderbares, und <hi rendition="#b">der Zufall</hi> hatte gewiß das meiste Spiel in der Sache. Am wenigsten aber kann die im dritten Stuͤck des dritten Bandes angefuͤhrte Geschichte S. 20 zu den Ahndungen gerechnet werden.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Jm dritten Stuͤk des zweiten Bandes S. 118 erzaͤhlt Herr <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0162"><note type="editorial">Goͤckingk, Leopold Friedrich Guͤnther von</note>Goekingk</persName></hi> Folgendes von sich.</p> <p rend="indention2">»Schon in meiner fruͤhen Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele ohne die allergeringste aͤußere Veranlassung, ploͤzlich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0018]
nen er sein Vorgefuͤhl entdeckt hat, vorhanden?
Die Seite 99 – 101 angefuͤhrten Beispiele eines Ahndungsvermoͤgens enthalten nichts Sonderbares in sich, und ich wuͤrde nimmermehr ein Vorhersehungsvermoͤgen der Seele daraus hergeleitet haben, weil sie sich auf gewisse blos dunkle Empfindungen gruͤnden, die wahrscheinlich blos von koͤrperlichen Ursachen veranlaßt wurden.
Daß Herr Kirchner von der Landkutsche springt und aus einem innern Drange zu Fuße geht, daß bald darauf die Landkutsche umfaͤllt und er nicht zerquetscht wird, welches vielleicht auch nicht geschehen waͤre, wenn er sitzen blieb; daß die ins Kloster gesteckte Ehefrau eine heftige Begierde zu entfliehen empfindet, wuͤrklich entflieht, und endlich auf dieser Flucht ihren Mann als Reisenden in einem Wirthshause findet, – ist eben nichts Sonderbares, und der Zufall hatte gewiß das meiste Spiel in der Sache. Am wenigsten aber kann die im dritten Stuͤck des dritten Bandes angefuͤhrte Geschichte S. 20 zu den Ahndungen gerechnet werden.
Jm dritten Stuͤk des zweiten Bandes S. 118 erzaͤhlt Herr Goekingk Folgendes von sich.
»Schon in meiner fruͤhen Jugend begegnete mir es zuweilen, daß sich meiner Seele ohne die allergeringste aͤußere Veranlassung, ploͤzlich
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/18>, abgerufen am 16.07.2024. |