Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
So feurig und lebhaft der Pastor Fluur vermöge seines Temperaments war, so selten bediente er sich doch harter körperlicher Strafen, wenn Schack Unbesonnenheiten begangen hatte. Er zeigte ihm gemeiniglich mit einigen nachdrücklichen Worten das Unanständige seiner Handlungen, und nahm sich sehr in acht, durch lange moralische Predigten ihn gegen seine jugendlichen Fehler gleichgültig zu machen, welches gemeiniglich die unglückliche Folge des langen unnützen Moralisirens über kindische Unarten zu seyn pflegt. Nur darin beging vielleicht das zärtliche Herz des guten Vaters einen kleinen Fehler, daß er, wenn er Schacks Muthwillen bisweilen ernstlich bestrafen mußte, nachher gleich wieder zu viel herablassende Güte gegen ihn blicken ließ, und ihm hinterher nicht selten ein kleines Geschenk mit Gelde zu machen pflegte. Es ist in der That eins von den wichtigsten Problemen in der Erziehungskunst, worüber Eltern und Lehrer nicht genug nachdenken können, welcher Strafen, und auf welche Art man sich derselben
So feurig und lebhaft der Pastor Fluur vermoͤge seines Temperaments war, so selten bediente er sich doch harter koͤrperlicher Strafen, wenn Schack Unbesonnenheiten begangen hatte. Er zeigte ihm gemeiniglich mit einigen nachdruͤcklichen Worten das Unanstaͤndige seiner Handlungen, und nahm sich sehr in acht, durch lange moralische Predigten ihn gegen seine jugendlichen Fehler gleichguͤltig zu machen, welches gemeiniglich die ungluͤckliche Folge des langen unnuͤtzen Moralisirens uͤber kindische Unarten zu seyn pflegt. Nur darin beging vielleicht das zaͤrtliche Herz des guten Vaters einen kleinen Fehler, daß er, wenn er Schacks Muthwillen bisweilen ernstlich bestrafen mußte, nachher gleich wieder zu viel herablassende Guͤte gegen ihn blicken ließ, und ihm hinterher nicht selten ein kleines Geschenk mit Gelde zu machen pflegte. Es ist in der That eins von den wichtigsten Problemen in der Erziehungskunst, woruͤber Eltern und Lehrer nicht genug nachdenken koͤnnen, welcher Strafen, und auf welche Art man sich derselben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0052" n="52"/><lb/> sinn gegen sie an den Tag legen: so werden sie uns, selbst bei einiger Strenge, uͤber alles lieben, werden inniges Zutrauen zu uns haben, und hierin muß gleichsam die Arzenei gegen ihren Eigensinn liegen, welcher durch harte Behandlungen eigentlich nur auf einige Zeit unterdruͤckt, aber gewiß nie ganz ausgerottet wird.« </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>So feurig und lebhaft der Pastor Fluur vermoͤge seines Temperaments war, so selten bediente er sich doch harter koͤrperlicher Strafen, wenn Schack Unbesonnenheiten begangen hatte. Er zeigte ihm gemeiniglich mit einigen nachdruͤcklichen Worten das Unanstaͤndige seiner Handlungen, und nahm sich sehr in acht, durch lange moralische Predigten ihn gegen seine jugendlichen Fehler gleichguͤltig zu machen, welches gemeiniglich die ungluͤckliche Folge des langen unnuͤtzen Moralisirens uͤber kindische Unarten zu seyn pflegt. Nur darin beging vielleicht das zaͤrtliche Herz des guten Vaters einen kleinen Fehler, daß er, wenn er Schacks Muthwillen bisweilen ernstlich bestrafen mußte, nachher gleich wieder zu viel herablassende Guͤte gegen ihn blicken ließ, und ihm hinterher nicht selten ein kleines Geschenk mit Gelde zu machen pflegte. </p> <p>Es ist in der That eins von den wichtigsten Problemen in der Erziehungskunst, woruͤber Eltern und Lehrer nicht genug nachdenken koͤnnen, welcher Strafen, und auf welche Art man sich derselben<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0052]
sinn gegen sie an den Tag legen: so werden sie uns, selbst bei einiger Strenge, uͤber alles lieben, werden inniges Zutrauen zu uns haben, und hierin muß gleichsam die Arzenei gegen ihren Eigensinn liegen, welcher durch harte Behandlungen eigentlich nur auf einige Zeit unterdruͤckt, aber gewiß nie ganz ausgerottet wird.«
So feurig und lebhaft der Pastor Fluur vermoͤge seines Temperaments war, so selten bediente er sich doch harter koͤrperlicher Strafen, wenn Schack Unbesonnenheiten begangen hatte. Er zeigte ihm gemeiniglich mit einigen nachdruͤcklichen Worten das Unanstaͤndige seiner Handlungen, und nahm sich sehr in acht, durch lange moralische Predigten ihn gegen seine jugendlichen Fehler gleichguͤltig zu machen, welches gemeiniglich die ungluͤckliche Folge des langen unnuͤtzen Moralisirens uͤber kindische Unarten zu seyn pflegt. Nur darin beging vielleicht das zaͤrtliche Herz des guten Vaters einen kleinen Fehler, daß er, wenn er Schacks Muthwillen bisweilen ernstlich bestrafen mußte, nachher gleich wieder zu viel herablassende Guͤte gegen ihn blicken ließ, und ihm hinterher nicht selten ein kleines Geschenk mit Gelde zu machen pflegte.
Es ist in der That eins von den wichtigsten Problemen in der Erziehungskunst, woruͤber Eltern und Lehrer nicht genug nachdenken koͤnnen, welcher Strafen, und auf welche Art man sich derselben
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/52>, abgerufen am 16.02.2025. |