der ersten Hitze des Affekts wild und jähzornig; sind diese Augenblicke, in welchen sich ohnedem die wenigsten Menschen in ihrer Gewalt haben, vorüber: so werden sie wieder die gefälligsten und besten Leute von der Welt, und sind dann oft die Ersten, welche sich über ihre Hitze Vorwürfe machen. Dieß war grade der Fall bei Schacks Vater. Er wurde leicht aufgebracht; eine Kleinigkeit konnte ihn in Flammen setzen, und ein heftiges Feuer glühete alsdenn in seinen funkelnden Augen; aber er war auch bald wieder besänftiget, sonderlich wenn er einiges Nachgeben bemerkte, -- ein Umstand, wodurch so leicht die heftigsten Gemüther entwafnet werden können. Ein gutes Wort von seiner Gattin konnte ihn oft mitten in seiner Hitze zu einem Lamme machen, und er vergab alsdenn mit einer unbeschreiblichen Herzensgüte oft seinen größten Beleidigern. Von unzähligen Beispielen nur eins, wie leicht der brave Mann mit denen, die ihn offenbar gekränkt hatten, wieder ausgesöhnt werden konnte. --
Einstmahls hatte er einigen Studenten, die sich in seiner Kirche während des Gottesdienstes unanständig aufgeführt, und ihm mit einer unverschämten Burschendreistigkeit grade ins Gesicht gelacht hatten, bei seinem Heimgange aus der Kirche auf eine sehr derbe Art die Wahrheit gesagt. Die Studenten hatten, wie man leicht vermuthen kann, seine Verweise -- mit Grobheiten erwie-
der ersten Hitze des Affekts wild und jaͤhzornig; sind diese Augenblicke, in welchen sich ohnedem die wenigsten Menschen in ihrer Gewalt haben, voruͤber: so werden sie wieder die gefaͤlligsten und besten Leute von der Welt, und sind dann oft die Ersten, welche sich uͤber ihre Hitze Vorwuͤrfe machen. Dieß war grade der Fall bei Schacks Vater. Er wurde leicht aufgebracht; eine Kleinigkeit konnte ihn in Flammen setzen, und ein heftiges Feuer gluͤhete alsdenn in seinen funkelnden Augen; aber er war auch bald wieder besaͤnftiget, sonderlich wenn er einiges Nachgeben bemerkte, — ein Umstand, wodurch so leicht die heftigsten Gemuͤther entwafnet werden koͤnnen. Ein gutes Wort von seiner Gattin konnte ihn oft mitten in seiner Hitze zu einem Lamme machen, und er vergab alsdenn mit einer unbeschreiblichen Herzensguͤte oft seinen groͤßten Beleidigern. Von unzaͤhligen Beispielen nur eins, wie leicht der brave Mann mit denen, die ihn offenbar gekraͤnkt hatten, wieder ausgesoͤhnt werden konnte. —
Einstmahls hatte er einigen Studenten, die sich in seiner Kirche waͤhrend des Gottesdienstes unanstaͤndig aufgefuͤhrt, und ihm mit einer unverschaͤmten Burschendreistigkeit grade ins Gesicht gelacht hatten, bei seinem Heimgange aus der Kirche auf eine sehr derbe Art die Wahrheit gesagt. Die Studenten hatten, wie man leicht vermuthen kann, seine Verweise — mit Grobheiten erwie-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0098"n="98"/><lb/>
der ersten Hitze des Affekts wild und jaͤhzornig; sind diese Augenblicke, in welchen sich ohnedem die wenigsten Menschen in ihrer Gewalt haben, voruͤber: so werden sie wieder die gefaͤlligsten und besten Leute von der Welt, und sind dann oft die Ersten, welche sich uͤber ihre Hitze Vorwuͤrfe machen. Dieß war grade der Fall bei Schacks Vater. Er wurde leicht aufgebracht; eine Kleinigkeit konnte ihn in Flammen setzen, und ein heftiges Feuer gluͤhete alsdenn in seinen funkelnden Augen; aber er war auch bald wieder besaͤnftiget, sonderlich wenn er einiges Nachgeben bemerkte, — ein Umstand, wodurch so leicht die heftigsten Gemuͤther entwafnet werden koͤnnen. Ein gutes Wort von seiner Gattin konnte ihn oft mitten in seiner Hitze zu einem Lamme machen, und er vergab alsdenn mit einer unbeschreiblichen Herzensguͤte oft seinen groͤßten Beleidigern. Von unzaͤhligen Beispielen nur eins, wie leicht der brave Mann mit denen, die ihn offenbar gekraͤnkt hatten, wieder ausgesoͤhnt werden konnte. —</p><p>Einstmahls hatte er einigen Studenten, die sich in seiner Kirche waͤhrend des Gottesdienstes unanstaͤndig aufgefuͤhrt, und ihm mit einer unverschaͤmten Burschendreistigkeit grade ins Gesicht gelacht hatten, bei seinem Heimgange aus der Kirche auf eine sehr derbe Art die Wahrheit gesagt. Die Studenten hatten, wie man leicht vermuthen kann, seine Verweise — mit Grobheiten erwie-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[98/0098]
der ersten Hitze des Affekts wild und jaͤhzornig; sind diese Augenblicke, in welchen sich ohnedem die wenigsten Menschen in ihrer Gewalt haben, voruͤber: so werden sie wieder die gefaͤlligsten und besten Leute von der Welt, und sind dann oft die Ersten, welche sich uͤber ihre Hitze Vorwuͤrfe machen. Dieß war grade der Fall bei Schacks Vater. Er wurde leicht aufgebracht; eine Kleinigkeit konnte ihn in Flammen setzen, und ein heftiges Feuer gluͤhete alsdenn in seinen funkelnden Augen; aber er war auch bald wieder besaͤnftiget, sonderlich wenn er einiges Nachgeben bemerkte, — ein Umstand, wodurch so leicht die heftigsten Gemuͤther entwafnet werden koͤnnen. Ein gutes Wort von seiner Gattin konnte ihn oft mitten in seiner Hitze zu einem Lamme machen, und er vergab alsdenn mit einer unbeschreiblichen Herzensguͤte oft seinen groͤßten Beleidigern. Von unzaͤhligen Beispielen nur eins, wie leicht der brave Mann mit denen, die ihn offenbar gekraͤnkt hatten, wieder ausgesoͤhnt werden konnte. —
Einstmahls hatte er einigen Studenten, die sich in seiner Kirche waͤhrend des Gottesdienstes unanstaͤndig aufgefuͤhrt, und ihm mit einer unverschaͤmten Burschendreistigkeit grade ins Gesicht gelacht hatten, bei seinem Heimgange aus der Kirche auf eine sehr derbe Art die Wahrheit gesagt. Die Studenten hatten, wie man leicht vermuthen kann, seine Verweise — mit Grobheiten erwie-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/98>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.