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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

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ser herzlichen Wünsche mein Leben bestrahlen? wann werde ich mit freudiger Stimme ausrufen können? Du hast Deinen Bruder wieder!

Aus einem Briefe erfuhr ich den Ort Deines Auffenthalts und Deiner Beschäftigung. Erwarte nicht von mir, daß ich etwas gegen diese sagen werde. Nein, Bruder! ich sage Dir, daß Du in Deinem wirklichen Verhältnisse so glücklich seyn, so glücklich werden kannst, als in jedem andern; denn was ist Glück anders, als Zufriedenheit? Zufriedenheit erhälst Du freilich durch die Befriedigung Deiner Begierden, und dauerhafte wahre Zufriedenheit nur durch Befriedigung vernünftiger Begierden; eine andere ist das Vergnügen eines Moments, der zehntausend folgende vergiftet. Wahre Zufriedenheit kannst Du immer haben, lieber Bruder! verbinde nur Weisheitkenntniß Deiner Umstände mit der Wahl Deiner Begierden, und Klugheit mit der Wahl der Mittel zur Befriedigung derselben. Siehst Du die Unmöglichkeit der Stillung eines oder des andern Verlangens; so leide den Mangel, dulde ihn! ersetze ihn durch die Gewährung eines schätzbarern, größern, das mehr zur Vervollkommung Deines Zustandes beiträgt, oder Dir einen stärkern Drang in Deiner Seele macht. Nur wähle immer das, was Du nach allen Verhältnissen für Dich als das Beste erkennst; dann bist Du glücklich, und noch in der irrdischen Hülle empfindest Du einen Himmel voll Wonne.


ser herzlichen Wuͤnsche mein Leben bestrahlen? wann werde ich mit freudiger Stimme ausrufen koͤnnen? Du hast Deinen Bruder wieder!

Aus einem Briefe erfuhr ich den Ort Deines Auffenthalts und Deiner Beschaͤftigung. Erwarte nicht von mir, daß ich etwas gegen diese sagen werde. Nein, Bruder! ich sage Dir, daß Du in Deinem wirklichen Verhaͤltnisse so gluͤcklich seyn, so gluͤcklich werden kannst, als in jedem andern; denn was ist Gluͤck anders, als Zufriedenheit? Zufriedenheit erhaͤlst Du freilich durch die Befriedigung Deiner Begierden, und dauerhafte wahre Zufriedenheit nur durch Befriedigung vernuͤnftiger Begierden; eine andere ist das Vergnuͤgen eines Moments, der zehntausend folgende vergiftet. Wahre Zufriedenheit kannst Du immer haben, lieber Bruder! verbinde nur Weisheitkenntniß Deiner Umstaͤnde mit der Wahl Deiner Begierden, und Klugheit mit der Wahl der Mittel zur Befriedigung derselben. Siehst Du die Unmoͤglichkeit der Stillung eines oder des andern Verlangens; so leide den Mangel, dulde ihn! ersetze ihn durch die Gewaͤhrung eines schaͤtzbarern, groͤßern, das mehr zur Vervollkommung Deines Zustandes beitraͤgt, oder Dir einen staͤrkern Drang in Deiner Seele macht. Nur waͤhle immer das, was Du nach allen Verhaͤltnissen fuͤr Dich als das Beste erkennst; dann bist Du gluͤcklich, und noch in der irrdischen Huͤlle empfindest Du einen Himmel voll Wonne.

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[65/0065] ser herzlichen Wuͤnsche mein Leben bestrahlen? wann werde ich mit freudiger Stimme ausrufen koͤnnen? Du hast Deinen Bruder wieder! Aus einem Briefe erfuhr ich den Ort Deines Auffenthalts und Deiner Beschaͤftigung. Erwarte nicht von mir, daß ich etwas gegen diese sagen werde. Nein, Bruder! ich sage Dir, daß Du in Deinem wirklichen Verhaͤltnisse so gluͤcklich seyn, so gluͤcklich werden kannst, als in jedem andern; denn was ist Gluͤck anders, als Zufriedenheit? Zufriedenheit erhaͤlst Du freilich durch die Befriedigung Deiner Begierden, und dauerhafte wahre Zufriedenheit nur durch Befriedigung vernuͤnftiger Begierden; eine andere ist das Vergnuͤgen eines Moments, der zehntausend folgende vergiftet. Wahre Zufriedenheit kannst Du immer haben, lieber Bruder! verbinde nur Weisheitkenntniß Deiner Umstaͤnde mit der Wahl Deiner Begierden, und Klugheit mit der Wahl der Mittel zur Befriedigung derselben. Siehst Du die Unmoͤglichkeit der Stillung eines oder des andern Verlangens; so leide den Mangel, dulde ihn! ersetze ihn durch die Gewaͤhrung eines schaͤtzbarern, groͤßern, das mehr zur Vervollkommung Deines Zustandes beitraͤgt, oder Dir einen staͤrkern Drang in Deiner Seele macht. Nur waͤhle immer das, was Du nach allen Verhaͤltnissen fuͤr Dich als das Beste erkennst; dann bist Du gluͤcklich, und noch in der irrdischen Huͤlle empfindest Du einen Himmel voll Wonne.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/65>, abgerufen am 22.11.2024.