Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0118" n="118"/><lb/> Weltliche von sich abzulegen und an nichts, als an ihren Herren Jesum zu denken, den sie bestaͤndig im Munde fuͤhrten, und zum Deckmantel ihrer innern heimlichen Buͤberei machten. Sie trugen braune Roͤcke, ungepuderte Perucken, schwarze Unterkleider und — keine <choice><corr>Manschetten,</corr><sic>Manschatten,</sic></choice> welche sie fuͤr untruͤgliche Zeichen eines ausgearteten Weltsinnes hielten. Auf der Straße schlichen sie dicht an den Mauern der Haͤuser hin, sahen dabei gemeiniglich fern auf die Erde, und seufzten laut, wenn sie ein eitel angekleidetes Frauenzimmer, einen offenen Busen, oder einen Mann in einem mit Tressen besetzten Kleide erblickten. Jn des Jnspektors Hause, wohin die Vornehmsten woͤchentlich ein Paarmahl zu einer Betstunde zusammenkamen, spielten sie eben solche laͤcherliche Rollen. Sie traten mit Seufzen in sein Haus, und mit einer Ehrfurcht in seine Stube, die mehr an Abgoͤtterei graͤnzte. Kaum wagten sie es, ihr geistliches Oberhaupt anzusehen, und sie schaͤtzten sich unendlich gluͤcklich, wenn sie zum Handkuß des Jnspektors gelangen konnten, welcher sie gemeiniglich mit den Worten: der Herr segne Sie! anzureden pflegte. Dieß war der Gruß fuͤr seine Soͤhne in Christo, wie er seine Creaturen nannte. Gegen die sogenannten Unglaͤubigen betrug er sich ganz anders. Er begegnete ihnen mit einer Steifigkeit und einem Stolze, der nicht seines Gleichen hatte. Alle Prediger seines Kirchsprengels, die nicht zu den Glaͤu-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0118]
Weltliche von sich abzulegen und an nichts, als an ihren Herren Jesum zu denken, den sie bestaͤndig im Munde fuͤhrten, und zum Deckmantel ihrer innern heimlichen Buͤberei machten. Sie trugen braune Roͤcke, ungepuderte Perucken, schwarze Unterkleider und — keine Manschetten, welche sie fuͤr untruͤgliche Zeichen eines ausgearteten Weltsinnes hielten. Auf der Straße schlichen sie dicht an den Mauern der Haͤuser hin, sahen dabei gemeiniglich fern auf die Erde, und seufzten laut, wenn sie ein eitel angekleidetes Frauenzimmer, einen offenen Busen, oder einen Mann in einem mit Tressen besetzten Kleide erblickten. Jn des Jnspektors Hause, wohin die Vornehmsten woͤchentlich ein Paarmahl zu einer Betstunde zusammenkamen, spielten sie eben solche laͤcherliche Rollen. Sie traten mit Seufzen in sein Haus, und mit einer Ehrfurcht in seine Stube, die mehr an Abgoͤtterei graͤnzte. Kaum wagten sie es, ihr geistliches Oberhaupt anzusehen, und sie schaͤtzten sich unendlich gluͤcklich, wenn sie zum Handkuß des Jnspektors gelangen konnten, welcher sie gemeiniglich mit den Worten: der Herr segne Sie! anzureden pflegte. Dieß war der Gruß fuͤr seine Soͤhne in Christo, wie er seine Creaturen nannte. Gegen die sogenannten Unglaͤubigen betrug er sich ganz anders. Er begegnete ihnen mit einer Steifigkeit und einem Stolze, der nicht seines Gleichen hatte. Alle Prediger seines Kirchsprengels, die nicht zu den Glaͤu-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |