Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.Jch muß ein paar Umstände anführen, welche zugleich gelegentliche Ursachen seines heftigen Zorns wurden. Es war eine Cousine bei der Mahlzeit gegenwärtig, welche er sehr liebte, und die sich jetzt auf eine launige Art über sein Betragen aufhielt. Es that ihm in der Seele weh, daß er sich in ihren Augen heruntergesetzt sah, und daß sich diese seine so geliebte Gespielin mit seinen übrigen Geschwistern zu einem spöttischen Gelächter über seine Unarten, wozu ihn sein Hunger zu legitimiren schien, vereinigte. Ueberdem war ihm sein Vater in den ersten Jahren seiner Kindheit, wegen seiner strengen Erziehung gewissermaßen verhaßt; -- so unaussprechlich er ihn auch nachher zu lieben anfing, und so innig noch jetzt seine ganze Seele an dem Bilde des Seligen hängt. Schack blieb gemeiniglich ganz gleichgültig, wenn sein Vater über Schmerzen seines Körpers klagte, ja er gönnte sie ihm oft gar; gab ihm selten im Herzen Recht, wenn er sich über andere ärgerte, beneidete ihn oft mit einen innern verbissenen Unwillen, wenn er sich das beste Stück bei Tische vorlegte, oder vom Rande des Hirsebreies die geschmolzene braune Butter für sich abstrich, und fühlte sich nie glücklicher, als wenn sein Vater nicht zu Hause war. Dagegen liebte er seine Mutter, da sie seiner Lebhaftigkeit freiern Lauf ließ, und ihn oft -- vielleicht mit zu vieler mütterlicher Zärtlichkeit gegen Jch muß ein paar Umstaͤnde anfuͤhren, welche zugleich gelegentliche Ursachen seines heftigen Zorns wurden. Es war eine Cousine bei der Mahlzeit gegenwaͤrtig, welche er sehr liebte, und die sich jetzt auf eine launige Art uͤber sein Betragen aufhielt. Es that ihm in der Seele weh, daß er sich in ihren Augen heruntergesetzt sah, und daß sich diese seine so geliebte Gespielin mit seinen uͤbrigen Geschwistern zu einem spoͤttischen Gelaͤchter uͤber seine Unarten, wozu ihn sein Hunger zu legitimiren schien, vereinigte. Ueberdem war ihm sein Vater in den ersten Jahren seiner Kindheit, wegen seiner strengen Erziehung gewissermaßen verhaßt; — so unaussprechlich er ihn auch nachher zu lieben anfing, und so innig noch jetzt seine ganze Seele an dem Bilde des Seligen haͤngt. Schack blieb gemeiniglich ganz gleichguͤltig, wenn sein Vater uͤber Schmerzen seines Koͤrpers klagte, ja er goͤnnte sie ihm oft gar; gab ihm selten im Herzen Recht, wenn er sich uͤber andere aͤrgerte, beneidete ihn oft mit einen innern verbissenen Unwillen, wenn er sich das beste Stuͤck bei Tische vorlegte, oder vom Rande des Hirsebreies die geschmolzene braune Butter fuͤr sich abstrich, und fuͤhlte sich nie gluͤcklicher, als wenn sein Vater nicht zu Hause war. Dagegen liebte er seine Mutter, da sie seiner Lebhaftigkeit freiern Lauf ließ, und ihn oft — vielleicht mit zu vieler muͤtterlicher Zaͤrtlichkeit gegen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0108" n="108"/><lb/> <p>Jch muß ein paar Umstaͤnde anfuͤhren, welche zugleich gelegentliche Ursachen seines heftigen Zorns wurden. Es war eine Cousine bei der Mahlzeit gegenwaͤrtig, welche er sehr liebte, und die sich jetzt auf eine launige Art uͤber sein Betragen aufhielt. Es that ihm in der Seele weh, daß er sich in ihren Augen heruntergesetzt sah, und daß sich diese seine so geliebte Gespielin mit seinen uͤbrigen Geschwistern zu einem spoͤttischen Gelaͤchter uͤber seine Unarten, wozu ihn sein Hunger zu legitimiren schien, vereinigte. </p> <p>Ueberdem war ihm sein Vater in den ersten Jahren seiner Kindheit, wegen seiner strengen Erziehung gewissermaßen verhaßt; — so unaussprechlich er ihn auch nachher zu lieben anfing, und so innig noch jetzt seine ganze Seele an dem Bilde des Seligen haͤngt. Schack blieb gemeiniglich ganz gleichguͤltig, wenn sein Vater uͤber Schmerzen seines Koͤrpers klagte, ja er goͤnnte sie ihm oft gar; gab ihm selten im Herzen Recht, wenn er sich uͤber andere aͤrgerte, beneidete ihn oft mit einen innern verbissenen Unwillen, wenn er sich das beste Stuͤck bei Tische vorlegte, oder vom Rande des Hirsebreies die geschmolzene braune Butter fuͤr sich abstrich, und fuͤhlte sich nie gluͤcklicher, als wenn sein Vater nicht zu Hause war. </p> <p>Dagegen liebte er seine Mutter, da sie seiner Lebhaftigkeit freiern Lauf ließ, und ihn oft — vielleicht mit zu vieler muͤtterlicher Zaͤrtlichkeit gegen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0108]
Jch muß ein paar Umstaͤnde anfuͤhren, welche zugleich gelegentliche Ursachen seines heftigen Zorns wurden. Es war eine Cousine bei der Mahlzeit gegenwaͤrtig, welche er sehr liebte, und die sich jetzt auf eine launige Art uͤber sein Betragen aufhielt. Es that ihm in der Seele weh, daß er sich in ihren Augen heruntergesetzt sah, und daß sich diese seine so geliebte Gespielin mit seinen uͤbrigen Geschwistern zu einem spoͤttischen Gelaͤchter uͤber seine Unarten, wozu ihn sein Hunger zu legitimiren schien, vereinigte.
Ueberdem war ihm sein Vater in den ersten Jahren seiner Kindheit, wegen seiner strengen Erziehung gewissermaßen verhaßt; — so unaussprechlich er ihn auch nachher zu lieben anfing, und so innig noch jetzt seine ganze Seele an dem Bilde des Seligen haͤngt. Schack blieb gemeiniglich ganz gleichguͤltig, wenn sein Vater uͤber Schmerzen seines Koͤrpers klagte, ja er goͤnnte sie ihm oft gar; gab ihm selten im Herzen Recht, wenn er sich uͤber andere aͤrgerte, beneidete ihn oft mit einen innern verbissenen Unwillen, wenn er sich das beste Stuͤck bei Tische vorlegte, oder vom Rande des Hirsebreies die geschmolzene braune Butter fuͤr sich abstrich, und fuͤhlte sich nie gluͤcklicher, als wenn sein Vater nicht zu Hause war.
Dagegen liebte er seine Mutter, da sie seiner Lebhaftigkeit freiern Lauf ließ, und ihn oft — vielleicht mit zu vieler muͤtterlicher Zaͤrtlichkeit gegen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |