Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Etwas erkläre ich mir freylich von diesen Erscheinungen daher, daß ich überhaupt etwas kränklich und engbrüstig war, daß ich eine schlechte Diät beobachtete, mich des Abends hauptsächlich im Winter (wo ich am meisten mit diesen Uebeln geplagt gewesen zu seyn mich erinnere) voll Kartoffeln stopfte, bald aufs Essen schlafen ging -- aber freilich das Wesentliche der oben genannten Erscheinung ist mir unerklärbar.

Zu eben der Zeit in abwechselnden Perioden hatte ich noch sonderbare Gefühlsvorstellungen. Sehr oft, wenn ich zu Bette war, schien mir alles, was ich anfühlte, eine ganz rauhe, höckrichte Oberfläche zu haben; es war das unausstehlichste Gefühl, das man sich denken kann, welches mich oft vermochte die Finger zusammen zu knebeln, um nicht die Bettdecke oder mich selbst mit den Fingerspitzen zu berühren, aber vergebens! denn nun berührte ich doch meine eigne Hand, und ich fand keine Lindrung. --

Jch glaube, im erwachsnern Alter haben sich diese sonderbaren Erscheinungen zum Theil dadurch verloren, daß ich besser die Gesundheitsvorschriften beobachtet habe. Demungeachtet kam in meinem achtzehnten Jahre jene Gefühlsvorstellung zuweilen wieder, hat mich aber nun längst gänzlich verlassen.

Noch Eines besondern Umstandes aus der Geschichte meines Lebens muß ich gedenken. Nahe


Etwas erklaͤre ich mir freylich von diesen Erscheinungen daher, daß ich uͤberhaupt etwas kraͤnklich und engbruͤstig war, daß ich eine schlechte Diaͤt beobachtete, mich des Abends hauptsaͤchlich im Winter (wo ich am meisten mit diesen Uebeln geplagt gewesen zu seyn mich erinnere) voll Kartoffeln stopfte, bald aufs Essen schlafen ging — aber freilich das Wesentliche der oben genannten Erscheinung ist mir unerklaͤrbar.

Zu eben der Zeit in abwechselnden Perioden hatte ich noch sonderbare Gefuͤhlsvorstellungen. Sehr oft, wenn ich zu Bette war, schien mir alles, was ich anfuͤhlte, eine ganz rauhe, hoͤckrichte Oberflaͤche zu haben; es war das unausstehlichste Gefuͤhl, das man sich denken kann, welches mich oft vermochte die Finger zusammen zu knebeln, um nicht die Bettdecke oder mich selbst mit den Fingerspitzen zu beruͤhren, aber vergebens! denn nun beruͤhrte ich doch meine eigne Hand, und ich fand keine Lindrung. —

Jch glaube, im erwachsnern Alter haben sich diese sonderbaren Erscheinungen zum Theil dadurch verloren, daß ich besser die Gesundheitsvorschriften beobachtet habe. Demungeachtet kam in meinem achtzehnten Jahre jene Gefuͤhlsvorstellung zuweilen wieder, hat mich aber nun laͤngst gaͤnzlich verlassen.

Noch Eines besondern Umstandes aus der Geschichte meines Lebens muß ich gedenken. Nahe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0076" n="74"/><lb/>
          <p>Etwas erkla&#x0364;re ich mir freylich von diesen Erscheinungen daher, daß ich u&#x0364;berhaupt                   etwas kra&#x0364;nklich und engbru&#x0364;stig war, daß ich eine schlechte Dia&#x0364;t beobachtete, mich                   des Abends hauptsa&#x0364;chlich im Winter (wo ich am meisten mit diesen Uebeln geplagt                   gewesen zu seyn mich erinnere) voll Kartoffeln stopfte, bald aufs Essen schlafen                   ging &#x2014; aber freilich das Wesentliche der oben genannten Erscheinung ist mir                   unerkla&#x0364;rbar. </p>
          <p>Zu eben der Zeit in abwechselnden Perioden hatte ich noch sonderbare <hi rendition="#b">Gefu&#x0364;hlsvorstellungen.</hi> Sehr oft, wenn ich zu Bette war,                   schien mir alles, was ich anfu&#x0364;hlte, eine ganz rauhe, ho&#x0364;ckrichte Oberfla&#x0364;che zu                   haben; es war das unausstehlichste Gefu&#x0364;hl, das man sich denken kann, welches mich                   oft vermochte die Finger zusammen zu knebeln, um nicht die Bettdecke oder mich                   selbst mit den Fingerspitzen zu beru&#x0364;hren, aber vergebens! denn nun beru&#x0364;hrte ich                   doch meine eigne Hand, und ich fand keine Lindrung. &#x2014; </p>
          <p>Jch glaube, im erwachsnern Alter haben sich diese sonderbaren Erscheinungen zum                   Theil dadurch verloren, daß ich besser die Gesundheitsvorschriften beobachtet                   habe. Demungeachtet kam in meinem achtzehnten Jahre jene Gefu&#x0364;hlsvorstellung                   zuweilen wieder, hat mich aber nun la&#x0364;ngst ga&#x0364;nzlich verlassen. </p>
          <p>Noch Eines besondern Umstandes aus der Geschichte meines Lebens muß ich gedenken.                   Nahe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0076] Etwas erklaͤre ich mir freylich von diesen Erscheinungen daher, daß ich uͤberhaupt etwas kraͤnklich und engbruͤstig war, daß ich eine schlechte Diaͤt beobachtete, mich des Abends hauptsaͤchlich im Winter (wo ich am meisten mit diesen Uebeln geplagt gewesen zu seyn mich erinnere) voll Kartoffeln stopfte, bald aufs Essen schlafen ging — aber freilich das Wesentliche der oben genannten Erscheinung ist mir unerklaͤrbar. Zu eben der Zeit in abwechselnden Perioden hatte ich noch sonderbare Gefuͤhlsvorstellungen. Sehr oft, wenn ich zu Bette war, schien mir alles, was ich anfuͤhlte, eine ganz rauhe, hoͤckrichte Oberflaͤche zu haben; es war das unausstehlichste Gefuͤhl, das man sich denken kann, welches mich oft vermochte die Finger zusammen zu knebeln, um nicht die Bettdecke oder mich selbst mit den Fingerspitzen zu beruͤhren, aber vergebens! denn nun beruͤhrte ich doch meine eigne Hand, und ich fand keine Lindrung. — Jch glaube, im erwachsnern Alter haben sich diese sonderbaren Erscheinungen zum Theil dadurch verloren, daß ich besser die Gesundheitsvorschriften beobachtet habe. Demungeachtet kam in meinem achtzehnten Jahre jene Gefuͤhlsvorstellung zuweilen wieder, hat mich aber nun laͤngst gaͤnzlich verlassen. Noch Eines besondern Umstandes aus der Geschichte meines Lebens muß ich gedenken. Nahe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/76
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/76>, abgerufen am 03.05.2024.