Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786.
1770 wie ich mit meinem Mann von Straßburg wegen großer Theurung abreiste, erschien mir Morgens um halb fünf Uhr der Erlöser wie im Traum, und redte bei einer halben Stunde mit mir, ich achtete aber nicht auf seine Reden vor großer Freude, und gedachte nur an das, was ich hernach Alles mit ihm reden wollte, als er aber ausgeredet hatte, verschwand er. 1771 im Monath December erhielte ich immer widrige Zuschriften von meinem Mann, welcher in Augsburg war, und ich in meinem Vaterlande; diese bewogen mich den Entschluß zu fassen, aufzuhören zu beten, und gedachte, es sei doch vergeblich, Gott der Herr erhöre und gedenke doch nicht an mich, und am Sonntag Abend dankte ich Gott noch vor alles zum letztenmale, war aber willens doch noch in die Kirche zu gehen, ich ging zu Bette. Morgens erwachte ich, ich wuste nicht, welche Zeit es war. Mit einemmale wurde es heller Tag zu meiner größten Verwunderung, und neben meinem Bette saß eine himmlische Mannsperson von etliche sechzig Jahr alt im blauen Gewande. Sein Angesicht war wie weiß und rother Crystall, sein Haar lichthell; er sahe mich sehr beweglich an, und sagte: halt an, halt ein, halt aus; ich redete kein Wort, sondern gedachte, wie muß ich das ver-
1770 wie ich mit meinem Mann von Straßburg wegen großer Theurung abreiste, erschien mir Morgens um halb fuͤnf Uhr der Erloͤser wie im Traum, und redte bei einer halben Stunde mit mir, ich achtete aber nicht auf seine Reden vor großer Freude, und gedachte nur an das, was ich hernach Alles mit ihm reden wollte, als er aber ausgeredet hatte, verschwand er. 1771 im Monath December erhielte ich immer widrige Zuschriften von meinem Mann, welcher in Augsburg war, und ich in meinem Vaterlande; diese bewogen mich den Entschluß zu fassen, aufzuhoͤren zu beten, und gedachte, es sei doch vergeblich, Gott der Herr erhoͤre und gedenke doch nicht an mich, und am Sonntag Abend dankte ich Gott noch vor alles zum letztenmale, war aber willens doch noch in die Kirche zu gehen, ich ging zu Bette. Morgens erwachte ich, ich wuste nicht, welche Zeit es war. Mit einemmale wurde es heller Tag zu meiner groͤßten Verwunderung, und neben meinem Bette saß eine himmlische Mannsperson von etliche sechzig Jahr alt im blauen Gewande. Sein Angesicht war wie weiß und rother Crystall, sein Haar lichthell; er sahe mich sehr beweglich an, und sagte: halt an, halt ein, halt aus; ich redete kein Wort, sondern gedachte, wie muß ich das ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0126" n="124"/><lb/> davon gesehen, und schalten uns aus und sagten: daß außer dem Kristkindlein niemals was zu sehen sei; es blieb uns aber immer im Andenken. </p> <p> 1770 wie ich mit meinem Mann von Straßburg wegen großer Theurung abreiste, erschien mir Morgens um halb fuͤnf Uhr der Erloͤser wie im Traum, und redte bei einer halben Stunde mit mir, ich achtete aber nicht auf seine Reden vor großer Freude, und gedachte nur an das, was ich hernach <hi rendition="#b">Alles</hi> mit ihm reden wollte, als er aber ausgeredet hatte, verschwand er. </p> <p> 1771 im Monath December erhielte ich immer widrige Zuschriften von meinem Mann, welcher in Augsburg war, und ich in meinem Vaterlande; diese bewogen mich den Entschluß zu fassen, aufzuhoͤren zu beten, und gedachte, es sei doch vergeblich, Gott der Herr erhoͤre und gedenke doch nicht an mich, und am Sonntag Abend dankte ich Gott noch vor alles zum letztenmale, war aber willens doch noch in die Kirche zu gehen, ich ging zu Bette. </p> <p>Morgens erwachte ich, ich wuste nicht, welche Zeit es war. Mit einemmale wurde es heller Tag zu meiner groͤßten Verwunderung, und neben meinem Bette saß eine himmlische Mannsperson von etliche sechzig Jahr alt im blauen Gewande. Sein Angesicht war wie weiß und rother Crystall, sein Haar lichthell; er sahe mich sehr beweglich an, und sagte: halt an, halt ein, halt aus; ich redete kein Wort, sondern gedachte, wie muß ich das ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0126]
davon gesehen, und schalten uns aus und sagten: daß außer dem Kristkindlein niemals was zu sehen sei; es blieb uns aber immer im Andenken.
1770 wie ich mit meinem Mann von Straßburg wegen großer Theurung abreiste, erschien mir Morgens um halb fuͤnf Uhr der Erloͤser wie im Traum, und redte bei einer halben Stunde mit mir, ich achtete aber nicht auf seine Reden vor großer Freude, und gedachte nur an das, was ich hernach Alles mit ihm reden wollte, als er aber ausgeredet hatte, verschwand er.
1771 im Monath December erhielte ich immer widrige Zuschriften von meinem Mann, welcher in Augsburg war, und ich in meinem Vaterlande; diese bewogen mich den Entschluß zu fassen, aufzuhoͤren zu beten, und gedachte, es sei doch vergeblich, Gott der Herr erhoͤre und gedenke doch nicht an mich, und am Sonntag Abend dankte ich Gott noch vor alles zum letztenmale, war aber willens doch noch in die Kirche zu gehen, ich ging zu Bette.
Morgens erwachte ich, ich wuste nicht, welche Zeit es war. Mit einemmale wurde es heller Tag zu meiner groͤßten Verwunderung, und neben meinem Bette saß eine himmlische Mannsperson von etliche sechzig Jahr alt im blauen Gewande. Sein Angesicht war wie weiß und rother Crystall, sein Haar lichthell; er sahe mich sehr beweglich an, und sagte: halt an, halt ein, halt aus; ich redete kein Wort, sondern gedachte, wie muß ich das ver-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 1. Berlin, 1786, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0401_1786/126>, abgerufen am 16.02.2025. |