wir in unsrer Kindheit eher zu denken angefangen haben sollten, als bis wir die äußern Formen der Dinge und ihre Verhältnisse so wohl gegen einander, als auch insbesondere ihre Beziehungen auf uns, zu unterscheiden und auszudrücken gelernt hatten. -- Auch sind würklich die Eindrücke, welche wir in unsrer frühen Kindheit von irgend einem auffallenden sichtbaren Gegenstande erhielten, diejenigen, der wir uns noch am leichtesten aus der ersten Epoche unseres Denkens erinnern können; da wir hingegen die Eindrücke der andern Sinne schon längst vergessen haben. Der erste geharnischte Reuter, das erste ausländische Thier, das wir zu sehen bekommen, wird uns immer noch deutlich vor den Augen schweben; aber wir werden es lange vergessen haben, was wir dabei dachten, und was uns andere damals darüber sagten. Wir wissen es nicht mehr, unter welchen Umständen wir die meisten Eindrücke des Auges in unsrer ersten Kindheit bekommen haben, und mit welchen Jdeen sie sich damals verbanden; -- aber wir würden gewiß finden, wenn wir den ganzen Vorrath unsrer nach und nach erlangten Begriffe überhaupt so zergliedern könnten, daß wir die ersten Anfänge derselben, und ihre Beziehungen auf die Entwickelungen der andern Sinnesbegriffe anzugeben im Stande wären, daß, sag ich, wir die meisten durch das Organ des Gesichts erhalten haben müssen, und daß durch eine unendlich oft wie-
wir in unsrer Kindheit eher zu denken angefangen haben sollten, als bis wir die aͤußern Formen der Dinge und ihre Verhaͤltnisse so wohl gegen einander, als auch insbesondere ihre Beziehungen auf uns, zu unterscheiden und auszudruͤcken gelernt hatten. — Auch sind wuͤrklich die Eindruͤcke, welche wir in unsrer fruͤhen Kindheit von irgend einem auffallenden sichtbaren Gegenstande erhielten, diejenigen, der wir uns noch am leichtesten aus der ersten Epoche unseres Denkens erinnern koͤnnen; da wir hingegen die Eindruͤcke der andern Sinne schon laͤngst vergessen haben. Der erste geharnischte Reuter, das erste auslaͤndische Thier, das wir zu sehen bekommen, wird uns immer noch deutlich vor den Augen schweben; aber wir werden es lange vergessen haben, was wir dabei dachten, und was uns andere damals daruͤber sagten. Wir wissen es nicht mehr, unter welchen Umstaͤnden wir die meisten Eindruͤcke des Auges in unsrer ersten Kindheit bekommen haben, und mit welchen Jdeen sie sich damals verbanden; — aber wir wuͤrden gewiß finden, wenn wir den ganzen Vorrath unsrer nach und nach erlangten Begriffe uͤberhaupt so zergliedern koͤnnten, daß wir die ersten Anfaͤnge derselben, und ihre Beziehungen auf die Entwickelungen der andern Sinnesbegriffe anzugeben im Stande waͤren, daß, sag ich, wir die meisten durch das Organ des Gesichts erhalten haben muͤssen, und daß durch eine unendlich oft wie-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0049"n="49"/><lb/>
wir in unsrer Kindheit eher <hirendition="#b">zu denken</hi> angefangen haben sollten, als bis wir die aͤußern Formen der Dinge und ihre Verhaͤltnisse so wohl gegen einander, als auch insbesondere ihre Beziehungen auf uns, zu <hirendition="#b">unterscheiden</hi> und <hirendition="#b">auszudruͤcken</hi> gelernt hatten. — Auch sind wuͤrklich die Eindruͤcke, welche wir in unsrer fruͤhen Kindheit von irgend einem auffallenden <hirendition="#b">sichtbaren</hi> Gegenstande erhielten, diejenigen, der wir uns noch am leichtesten aus der ersten Epoche unseres Denkens erinnern koͤnnen; da wir hingegen die Eindruͤcke der andern Sinne schon laͤngst vergessen haben. Der erste geharnischte Reuter, das erste auslaͤndische Thier, das wir <choice><corr>zu sehen</corr><sic>zusehen</sic></choice> bekommen, wird uns immer noch deutlich vor den Augen schweben; aber wir werden es lange vergessen haben, was wir dabei dachten, und was uns andere damals daruͤber sagten. Wir wissen es nicht mehr, unter <hirendition="#b">welchen</hi> Umstaͤnden wir die meisten Eindruͤcke des Auges in unsrer ersten Kindheit bekommen haben, und mit <hirendition="#b">welchen</hi> Jdeen sie sich damals verbanden; — aber wir wuͤrden gewiß finden, wenn wir den ganzen Vorrath unsrer nach und nach erlangten Begriffe uͤberhaupt so zergliedern koͤnnten, daß wir die ersten Anfaͤnge derselben, und ihre Beziehungen auf die Entwickelungen der andern Sinnesbegriffe anzugeben im Stande waͤren, daß, sag ich, wir die meisten durch das Organ des Gesichts erhalten haben muͤssen, und daß durch eine unendlich oft wie-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[49/0049]
wir in unsrer Kindheit eher zu denken angefangen haben sollten, als bis wir die aͤußern Formen der Dinge und ihre Verhaͤltnisse so wohl gegen einander, als auch insbesondere ihre Beziehungen auf uns, zu unterscheiden und auszudruͤcken gelernt hatten. — Auch sind wuͤrklich die Eindruͤcke, welche wir in unsrer fruͤhen Kindheit von irgend einem auffallenden sichtbaren Gegenstande erhielten, diejenigen, der wir uns noch am leichtesten aus der ersten Epoche unseres Denkens erinnern koͤnnen; da wir hingegen die Eindruͤcke der andern Sinne schon laͤngst vergessen haben. Der erste geharnischte Reuter, das erste auslaͤndische Thier, das wir zu sehen bekommen, wird uns immer noch deutlich vor den Augen schweben; aber wir werden es lange vergessen haben, was wir dabei dachten, und was uns andere damals daruͤber sagten. Wir wissen es nicht mehr, unter welchen Umstaͤnden wir die meisten Eindruͤcke des Auges in unsrer ersten Kindheit bekommen haben, und mit welchen Jdeen sie sich damals verbanden; — aber wir wuͤrden gewiß finden, wenn wir den ganzen Vorrath unsrer nach und nach erlangten Begriffe uͤberhaupt so zergliedern koͤnnten, daß wir die ersten Anfaͤnge derselben, und ihre Beziehungen auf die Entwickelungen der andern Sinnesbegriffe anzugeben im Stande waͤren, daß, sag ich, wir die meisten durch das Organ des Gesichts erhalten haben muͤssen, und daß durch eine unendlich oft wie-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/49>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.