Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
1) daß die Erinnerung solcher Dinge, die unmittelbar mich selbst betrafen, lebhafter in mir ist, als solcher, die mich nicht eigentlich angingen, ob ich gleich dabei mit intereßiret war; 2) daß die unangenehmen Vorfälle mehrentheils einen stärkern Eindruck auf mich gemacht haben, als die angenehmen, ich mich auch der erstern weit lebhafter, als der letztern zu erinnern im Stande bin, wiewohl auch das Andenken an diese nicht ganz verloschen ist. Zu denen Begebenheiten, deren ich mich aus den ersten Jahren meiner Kindheit noch sehr lebhaft erinnere, gehören unter andern folgende: Mein Vater hatte mir befohlen, nichts anzurühren, was mir nicht gehörete, weil ich als Kind die üble Gewohnheit hatte, fast alles zu zerbrechen, was ich in die Hände nahm. Nun hatte ich als ein Kind von 5 Jahren meinen Vater mit einem Rostral Linien ziehen, gesehen. Kaum wandte er den Rücken, als ich mich des Rostrals bemächtigte, zuerst Linien damit zog; hierauf versuchte, ob man das Jnstrument auch wohl zerbrechen könnte, und es auch wirklich zerbrach. Jch wuste, daß hierauf einige Strafe erfolgen würde; dieser zu entgehen kroch ich unter einen, in meines Vaters Stube, gegen der Stubenthür über stehenden runden, mit
1) daß die Erinnerung solcher Dinge, die unmittelbar mich selbst betrafen, lebhafter in mir ist, als solcher, die mich nicht eigentlich angingen, ob ich gleich dabei mit intereßiret war; 2) daß die unangenehmen Vorfaͤlle mehrentheils einen staͤrkern Eindruck auf mich gemacht haben, als die angenehmen, ich mich auch der erstern weit lebhafter, als der letztern zu erinnern im Stande bin, wiewohl auch das Andenken an diese nicht ganz verloschen ist. Zu denen Begebenheiten, deren ich mich aus den ersten Jahren meiner Kindheit noch sehr lebhaft erinnere, gehoͤren unter andern folgende: Mein Vater hatte mir befohlen, nichts anzuruͤhren, was mir nicht gehoͤrete, weil ich als Kind die uͤble Gewohnheit hatte, fast alles zu zerbrechen, was ich in die Haͤnde nahm. Nun hatte ich als ein Kind von 5 Jahren meinen Vater mit einem Rostral Linien ziehen, gesehen. Kaum wandte er den Ruͤcken, als ich mich des Rostrals bemaͤchtigte, zuerst Linien damit zog; hierauf versuchte, ob man das Jnstrument auch wohl zerbrechen koͤnnte, und es auch wirklich zerbrach. Jch wuste, daß hierauf einige Strafe erfolgen wuͤrde; dieser zu entgehen kroch ich unter einen, in meines Vaters Stube, gegen der Stubenthuͤr uͤber stehenden runden, mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="43"/><lb/> mals vorgefallenen Begebenheiten, noch so deutlich erinnern kann, als wenn sie erst vor wenig Wochen geschehen waͤren, ich bemerke aber dabei, </p> <p>1) daß die Erinnerung solcher Dinge, die <hi rendition="#b">unmittelbar mich selbst betrafen,</hi> lebhafter in mir ist, als solcher, die mich nicht eigentlich angingen, ob ich gleich dabei mit intereßiret war; </p> <p>2) daß die unangenehmen Vorfaͤlle mehrentheils einen staͤrkern Eindruck auf mich gemacht haben, als die angenehmen, ich mich auch der erstern weit lebhafter, als der letztern zu erinnern im Stande bin, wiewohl auch das Andenken an diese nicht ganz verloschen ist. </p> <p>Zu denen Begebenheiten, deren ich mich aus den ersten Jahren meiner Kindheit noch sehr lebhaft erinnere, gehoͤren unter andern folgende: </p> <p>Mein Vater hatte mir befohlen, nichts anzuruͤhren, was mir nicht gehoͤrete, weil ich als Kind die uͤble Gewohnheit hatte, fast alles zu zerbrechen, was ich in die Haͤnde nahm. Nun hatte ich als ein Kind von 5 Jahren meinen Vater mit einem Rostral Linien ziehen, gesehen. Kaum wandte er den Ruͤcken, als ich mich des Rostrals bemaͤchtigte, zuerst Linien damit zog; hierauf versuchte, ob man das Jnstrument auch wohl zerbrechen koͤnnte, und es auch wirklich zerbrach. Jch wuste, daß hierauf einige Strafe erfolgen wuͤrde; dieser zu entgehen kroch ich unter einen, in meines Vaters Stube, gegen der Stubenthuͤr uͤber stehenden runden, mit<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0043]
mals vorgefallenen Begebenheiten, noch so deutlich erinnern kann, als wenn sie erst vor wenig Wochen geschehen waͤren, ich bemerke aber dabei,
1) daß die Erinnerung solcher Dinge, die unmittelbar mich selbst betrafen, lebhafter in mir ist, als solcher, die mich nicht eigentlich angingen, ob ich gleich dabei mit intereßiret war;
2) daß die unangenehmen Vorfaͤlle mehrentheils einen staͤrkern Eindruck auf mich gemacht haben, als die angenehmen, ich mich auch der erstern weit lebhafter, als der letztern zu erinnern im Stande bin, wiewohl auch das Andenken an diese nicht ganz verloschen ist.
Zu denen Begebenheiten, deren ich mich aus den ersten Jahren meiner Kindheit noch sehr lebhaft erinnere, gehoͤren unter andern folgende:
Mein Vater hatte mir befohlen, nichts anzuruͤhren, was mir nicht gehoͤrete, weil ich als Kind die uͤble Gewohnheit hatte, fast alles zu zerbrechen, was ich in die Haͤnde nahm. Nun hatte ich als ein Kind von 5 Jahren meinen Vater mit einem Rostral Linien ziehen, gesehen. Kaum wandte er den Ruͤcken, als ich mich des Rostrals bemaͤchtigte, zuerst Linien damit zog; hierauf versuchte, ob man das Jnstrument auch wohl zerbrechen koͤnnte, und es auch wirklich zerbrach. Jch wuste, daß hierauf einige Strafe erfolgen wuͤrde; dieser zu entgehen kroch ich unter einen, in meines Vaters Stube, gegen der Stubenthuͤr uͤber stehenden runden, mit
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/43>, abgerufen am 18.07.2024. |