Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.III. Ahndendes Vorgefühl der Krankheit. ![]() Jch stand in dem vorigen 7 jährigen Kriege als Feldprediger bei einem Regiment, das in einer angesehenen Stadt in Schlesien in die Winterquartiere kam. Jch war kurz vor dem Ende des Feldzuges genöthiget gewesen, auf dringendes Ansuchen meiner Anverwandten, bei dem Commandeur des Regiments, auf einige Wochen um Urlaub anzuhalten; um meine sterbende Mutter, die ein großes Verlangen, mich noch vor ihrem Ende zu sehen, bezeiget hatte, noch vor ihrem Tode zu sprechen. Jch fand sie schon bei meiner Ankunft in meine Vaterstadt auf der Bahre, und kam nur so eben zur rechten Zeit, um ihrem Sarge nachfolgen zu können. Jch hielt mich noch einige Wochen bei meinem Vater auf, und sobald ich von dem Regiment die Nachricht erhalten hatte, daß es in der erwehnten Stadt in die Winterquartiere sey verleget worden, reisete ich, ohne weiteren Verzug, und nach völlig besiegter Traurigkeit, von meiner Vaterstadt dahin ab. Jch war kaum einige Tage bei dem Regiment wieder angekommen, als ich bei einem heiterm Tage einen Spaziergang um die Stadt that, und auf demselben auf den in der Vorstadt belegenen, sehr schön angelegten Kirchhof kam. So angenehm mir das Aeussere desselben auch in III. Ahndendes Vorgefuͤhl der Krankheit. ![]() Jch stand in dem vorigen 7 jaͤhrigen Kriege als Feldprediger bei einem Regiment, das in einer angesehenen Stadt in Schlesien in die Winterquartiere kam. Jch war kurz vor dem Ende des Feldzuges genoͤthiget gewesen, auf dringendes Ansuchen meiner Anverwandten, bei dem Commandeur des Regiments, auf einige Wochen um Urlaub anzuhalten; um meine sterbende Mutter, die ein großes Verlangen, mich noch vor ihrem Ende zu sehen, bezeiget hatte, noch vor ihrem Tode zu sprechen. Jch fand sie schon bei meiner Ankunft in meine Vaterstadt auf der Bahre, und kam nur so eben zur rechten Zeit, um ihrem Sarge nachfolgen zu koͤnnen. Jch hielt mich noch einige Wochen bei meinem Vater auf, und sobald ich von dem Regiment die Nachricht erhalten hatte, daß es in der erwehnten Stadt in die Winterquartiere sey verleget worden, reisete ich, ohne weiteren Verzug, und nach voͤllig besiegter Traurigkeit, von meiner Vaterstadt dahin ab. Jch war kaum einige Tage bei dem Regiment wieder angekommen, als ich bei einem heiterm Tage einen Spaziergang um die Stadt that, und auf demselben auf den in der Vorstadt belegenen, sehr schoͤn angelegten Kirchhof kam. So angenehm mir das Aeussere desselben auch in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0020" n="20"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">III</hi>. Ahndendes Vorgefuͤhl der Krankheit.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref65"><note type="editorial"/>Anonym</persName> </bibl> </note> <p>Jch stand in dem vorigen 7 jaͤhrigen Kriege als Feldprediger bei einem Regiment, das in einer angesehenen Stadt in Schlesien in die Winterquartiere kam. Jch war kurz vor dem Ende des Feldzuges genoͤthiget gewesen, auf dringendes Ansuchen meiner Anverwandten, bei dem Commandeur des Regiments, auf einige Wochen um Urlaub anzuhalten; um meine sterbende Mutter, die ein großes Verlangen, mich noch vor ihrem Ende zu sehen, bezeiget hatte, noch vor ihrem Tode zu sprechen. Jch fand sie schon bei meiner Ankunft in meine Vaterstadt auf der Bahre, und kam nur so eben zur rechten Zeit, um ihrem Sarge nachfolgen zu koͤnnen. Jch hielt mich noch einige Wochen bei meinem Vater auf, und sobald ich von dem Regiment die Nachricht erhalten hatte, daß es in der erwehnten Stadt in die Winterquartiere sey verleget worden, reisete ich, ohne weiteren Verzug, und nach voͤllig besiegter Traurigkeit, von meiner Vaterstadt dahin ab. Jch war kaum einige Tage bei dem Regiment wieder angekommen, als ich bei einem heiterm Tage einen Spaziergang um die Stadt that, und auf demselben auf den in der Vorstadt belegenen, sehr schoͤn angelegten Kirchhof kam. So angenehm mir das Aeussere desselben auch in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0020]
III. Ahndendes Vorgefuͤhl der Krankheit.
Jch stand in dem vorigen 7 jaͤhrigen Kriege als Feldprediger bei einem Regiment, das in einer angesehenen Stadt in Schlesien in die Winterquartiere kam. Jch war kurz vor dem Ende des Feldzuges genoͤthiget gewesen, auf dringendes Ansuchen meiner Anverwandten, bei dem Commandeur des Regiments, auf einige Wochen um Urlaub anzuhalten; um meine sterbende Mutter, die ein großes Verlangen, mich noch vor ihrem Ende zu sehen, bezeiget hatte, noch vor ihrem Tode zu sprechen. Jch fand sie schon bei meiner Ankunft in meine Vaterstadt auf der Bahre, und kam nur so eben zur rechten Zeit, um ihrem Sarge nachfolgen zu koͤnnen. Jch hielt mich noch einige Wochen bei meinem Vater auf, und sobald ich von dem Regiment die Nachricht erhalten hatte, daß es in der erwehnten Stadt in die Winterquartiere sey verleget worden, reisete ich, ohne weiteren Verzug, und nach voͤllig besiegter Traurigkeit, von meiner Vaterstadt dahin ab. Jch war kaum einige Tage bei dem Regiment wieder angekommen, als ich bei einem heiterm Tage einen Spaziergang um die Stadt that, und auf demselben auf den in der Vorstadt belegenen, sehr schoͤn angelegten Kirchhof kam. So angenehm mir das Aeussere desselben auch in
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/20>, abgerufen am 18.07.2024. |