Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.O! gab er zur Antwort, Sie wissen nicht, was Sie reden. Jch versicherte ihn hoch und theuer, mein Vater werde den Nachmittag Kaffee bei mir trinken. Während dieses Streits trat der Doktor herein, erkundigte sich nach der Ursache desselben, nahm eine ernsthafte Miene an und sagte: Freund, hören Sie endlich einmal auf, so etwas vernunftwidriges zu verlangen. Knape Soll Jhr Vater sein Unglück vergrössern, indem er sich bei Jhnen eine Krankheit holt und dieselbe vielleicht auch seiner Familie zubringt? Dies hatte die gute Wirkung, daß ich ruhiger wurde. Nach und nach gewann die wahre Vorstellung wieder die Oberhand, in dem Grade, wie ich anfing zu merken, daß ein gewisser Ueberdruß in die Stelle des Mitleids trat, wenn ich jemanden mit meinen Fragen belästigte. Mein Gedächtniß war, die lebhafte Erinnerung der erzählten Umstände abgerechnet, äusserst geschwächt, ich muste sogar, um einen zitternd geschriebenen Brief zu endigen, mich bei meinem Wirth nach der Jahrzahl erkundigen lassen. Leben und Tod waren mir gleichgültig, diesen hätte ich vielleicht vorgezogen. Von Gott waren mir nur die allgemeinsten Begriffe übrig. Ein besseres Leben nach dem Tode hielt ich wohl für möglich; aber die Vorzüge des- O! gab er zur Antwort, Sie wissen nicht, was Sie reden. Jch versicherte ihn hoch und theuer, mein Vater werde den Nachmittag Kaffee bei mir trinken. Waͤhrend dieses Streits trat der Doktor herein, erkundigte sich nach der Ursache desselben, nahm eine ernsthafte Miene an und sagte: Freund, hoͤren Sie endlich einmal auf, so etwas vernunftwidriges zu verlangen. Knape Soll Jhr Vater sein Ungluͤck vergroͤssern, indem er sich bei Jhnen eine Krankheit holt und dieselbe vielleicht auch seiner Familie zubringt? Dies hatte die gute Wirkung, daß ich ruhiger wurde. Nach und nach gewann die wahre Vorstellung wieder die Oberhand, in dem Grade, wie ich anfing zu merken, daß ein gewisser Ueberdruß in die Stelle des Mitleids trat, wenn ich jemanden mit meinen Fragen belaͤstigte. Mein Gedaͤchtniß war, die lebhafte Erinnerung der erzaͤhlten Umstaͤnde abgerechnet, aͤusserst geschwaͤcht, ich muste sogar, um einen zitternd geschriebenen Brief zu endigen, mich bei meinem Wirth nach der Jahrzahl erkundigen lassen. Leben und Tod waren mir gleichguͤltig, diesen haͤtte ich vielleicht vorgezogen. Von Gott waren mir nur die allgemeinsten Begriffe uͤbrig. Ein besseres Leben nach dem Tode hielt ich wohl fuͤr moͤglich; aber die Vorzuͤge des- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0008" n="8"/><lb/> <p>O! gab er zur Antwort, Sie wissen nicht, was Sie reden. Jch versicherte ihn hoch und theuer, mein Vater werde den Nachmittag Kaffee bei mir trinken. </p> <p>Waͤhrend dieses Streits trat der Doktor <persName ref="#ref0104"><note type="editorial">Knape, Christoph</note>Knape</persName> herein, erkundigte sich nach der Ursache desselben, nahm eine ernsthafte Miene an und sagte: Freund, hoͤren Sie endlich einmal auf, so etwas vernunftwidriges zu verlangen. </p> <p>Soll Jhr Vater sein Ungluͤck vergroͤssern, indem er sich bei Jhnen eine Krankheit holt und dieselbe vielleicht auch seiner Familie zubringt? Dies hatte die gute Wirkung, daß ich ruhiger wurde. Nach und nach gewann die wahre Vorstellung wieder die Oberhand, in dem Grade, wie ich anfing zu merken, daß ein gewisser Ueberdruß in die Stelle des Mitleids trat, wenn ich jemanden mit meinen Fragen belaͤstigte. </p> <p>Mein Gedaͤchtniß war, die lebhafte Erinnerung der erzaͤhlten Umstaͤnde abgerechnet, aͤusserst geschwaͤcht, ich muste sogar, um einen zitternd geschriebenen Brief zu endigen, mich bei meinem Wirth nach der Jahrzahl erkundigen lassen. Leben und Tod waren mir gleichguͤltig, diesen haͤtte ich vielleicht vorgezogen. </p> <p>Von Gott waren mir nur die allgemeinsten Begriffe uͤbrig. Ein besseres Leben nach dem Tode hielt ich wohl fuͤr moͤglich; aber die Vorzuͤge des-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0008]
O! gab er zur Antwort, Sie wissen nicht, was Sie reden. Jch versicherte ihn hoch und theuer, mein Vater werde den Nachmittag Kaffee bei mir trinken.
Waͤhrend dieses Streits trat der Doktor Knape herein, erkundigte sich nach der Ursache desselben, nahm eine ernsthafte Miene an und sagte: Freund, hoͤren Sie endlich einmal auf, so etwas vernunftwidriges zu verlangen.
Soll Jhr Vater sein Ungluͤck vergroͤssern, indem er sich bei Jhnen eine Krankheit holt und dieselbe vielleicht auch seiner Familie zubringt? Dies hatte die gute Wirkung, daß ich ruhiger wurde. Nach und nach gewann die wahre Vorstellung wieder die Oberhand, in dem Grade, wie ich anfing zu merken, daß ein gewisser Ueberdruß in die Stelle des Mitleids trat, wenn ich jemanden mit meinen Fragen belaͤstigte.
Mein Gedaͤchtniß war, die lebhafte Erinnerung der erzaͤhlten Umstaͤnde abgerechnet, aͤusserst geschwaͤcht, ich muste sogar, um einen zitternd geschriebenen Brief zu endigen, mich bei meinem Wirth nach der Jahrzahl erkundigen lassen. Leben und Tod waren mir gleichguͤltig, diesen haͤtte ich vielleicht vorgezogen.
Von Gott waren mir nur die allgemeinsten Begriffe uͤbrig. Ein besseres Leben nach dem Tode hielt ich wohl fuͤr moͤglich; aber die Vorzuͤge des-
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