Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Zwar rieth dieser Mann meinem Vater den Proceß wieder unsern schleichenden Betrüger fortzusetzen; allein, theils neigt sich meines Vaters Charakter sehr zu einer gewissen Furchtsamkeit, die bei der geringsten Wiedersetzlichkeit von außen, gleich bis zur gänzlichen Muthlosigkeit herabsinkt; theils mochte der Gedanke: was richtet ein armer zu Grunde gerichteter Mann gegen einen reichen Bösewicht aus, der einige 20 000 Rthlr. zu Befehl hat -- ihn besonders abschrecken. Schade! daß es jetzt nicht hat geschehen können, bei unsrer neuen Justitz-Verfassung. Jch hätte mich zu den Füssen des Königs geworfen, und ihn um Gerechtigkeit so lange geflehet, bis er mich erhöret hätte. Und ich weiß es, daß Friedrich keineswegs einen solchen Bösewicht, der eine ganze Familie (die ihn nie beleidiget hatte, noch je was schuldig gewesen war) in die bitterste Armuth stürzte, ungestraft gelassen hätte. -- Doch ich muß auch das nachholen, was eigentlich mich angeht. N** hatte eine Schwester, die von einem Officier geschwängert wurde. Jhr Vater wollte ihre Niederkunft in seinem Hause nicht gestatten; der Officier kam also zu meinem Vater (ein halb Jahr vorher, ehe wir gänzlich ruinirt wurden) und bat ihn, daß er sie doch einnehmen
Zwar rieth dieser Mann meinem Vater den Proceß wieder unsern schleichenden Betruͤger fortzusetzen; allein, theils neigt sich meines Vaters Charakter sehr zu einer gewissen Furchtsamkeit, die bei der geringsten Wiedersetzlichkeit von außen, gleich bis zur gaͤnzlichen Muthlosigkeit herabsinkt; theils mochte der Gedanke: was richtet ein armer zu Grunde gerichteter Mann gegen einen reichen Boͤsewicht aus, der einige 20 000 Rthlr. zu Befehl hat ― ihn besonders abschrecken. Schade! daß es jetzt nicht hat geschehen koͤnnen, bei unsrer neuen Justitz-Verfassung. Jch haͤtte mich zu den Fuͤssen des Koͤnigs geworfen, und ihn um Gerechtigkeit so lange geflehet, bis er mich erhoͤret haͤtte. Und ich weiß es, daß Friedrich keineswegs einen solchen Boͤsewicht, der eine ganze Familie (die ihn nie beleidiget hatte, noch je was schuldig gewesen war) in die bitterste Armuth stuͤrzte, ungestraft gelassen haͤtte. ― Doch ich muß auch das nachholen, was eigentlich mich angeht. N** hatte eine Schwester, die von einem Officier geschwaͤngert wurde. Jhr Vater wollte ihre Niederkunft in seinem Hause nicht gestatten; der Officier kam also zu meinem Vater (ein halb Jahr vorher, ehe wir gaͤnzlich ruinirt wurden) und bat ihn, daß er sie doch einnehmen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0049" n="49"/><lb/> sehr dieser redliche Mann erschrack, ist nicht zu beschreiben, da er erfuhr, daß wir auf eine so schaͤndliche Art darum waren betrogen worden. </p> <p>Zwar rieth dieser Mann meinem Vater den Proceß wieder unsern schleichenden Betruͤger fortzusetzen; allein, theils neigt sich meines Vaters Charakter sehr zu einer gewissen Furchtsamkeit, die bei der geringsten Wiedersetzlichkeit von außen, gleich bis zur gaͤnzlichen Muthlosigkeit herabsinkt; theils mochte der Gedanke: was richtet ein armer zu Grunde gerichteter Mann gegen einen reichen Boͤsewicht aus, der einige 20 000 Rthlr. zu Befehl hat ― ihn besonders abschrecken. Schade! daß es jetzt nicht hat geschehen koͤnnen, bei unsrer neuen Justitz-Verfassung. Jch haͤtte mich zu den Fuͤssen des Koͤnigs geworfen, und ihn um Gerechtigkeit so lange geflehet, bis er mich erhoͤret haͤtte. Und ich weiß es, daß Friedrich keineswegs einen solchen Boͤsewicht, der eine ganze Familie (die ihn nie beleidiget hatte, noch je was schuldig gewesen war) in die bitterste Armuth stuͤrzte, ungestraft gelassen haͤtte. ― </p> <p>Doch ich muß auch das nachholen, was eigentlich mich angeht. N** hatte eine Schwester, die von einem Officier geschwaͤngert wurde. Jhr Vater wollte ihre Niederkunft in seinem Hause nicht gestatten; der Officier kam also zu meinem Vater (ein halb Jahr vorher, ehe wir gaͤnzlich ruinirt wurden) und bat ihn, daß er sie doch einnehmen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0049]
sehr dieser redliche Mann erschrack, ist nicht zu beschreiben, da er erfuhr, daß wir auf eine so schaͤndliche Art darum waren betrogen worden.
Zwar rieth dieser Mann meinem Vater den Proceß wieder unsern schleichenden Betruͤger fortzusetzen; allein, theils neigt sich meines Vaters Charakter sehr zu einer gewissen Furchtsamkeit, die bei der geringsten Wiedersetzlichkeit von außen, gleich bis zur gaͤnzlichen Muthlosigkeit herabsinkt; theils mochte der Gedanke: was richtet ein armer zu Grunde gerichteter Mann gegen einen reichen Boͤsewicht aus, der einige 20 000 Rthlr. zu Befehl hat ― ihn besonders abschrecken. Schade! daß es jetzt nicht hat geschehen koͤnnen, bei unsrer neuen Justitz-Verfassung. Jch haͤtte mich zu den Fuͤssen des Koͤnigs geworfen, und ihn um Gerechtigkeit so lange geflehet, bis er mich erhoͤret haͤtte. Und ich weiß es, daß Friedrich keineswegs einen solchen Boͤsewicht, der eine ganze Familie (die ihn nie beleidiget hatte, noch je was schuldig gewesen war) in die bitterste Armuth stuͤrzte, ungestraft gelassen haͤtte. ―
Doch ich muß auch das nachholen, was eigentlich mich angeht. N** hatte eine Schwester, die von einem Officier geschwaͤngert wurde. Jhr Vater wollte ihre Niederkunft in seinem Hause nicht gestatten; der Officier kam also zu meinem Vater (ein halb Jahr vorher, ehe wir gaͤnzlich ruinirt wurden) und bat ihn, daß er sie doch einnehmen
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