Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur Seelennaturkunde.
I.
Zweifel an eigner Existenz.

Aus einem Briefe.

Jch erinnere mich verschiedener, der Spaldingischen ähnlichen Erfahrungen, nur im schwächern Grade, gehabt zu haben. Eine in ihrer Art ganz besondre Erfahrung, will ich Jhnen wenigstens doch kurz erzählen:

Jn meinem dreyzehnten Jahre fiel ich durch einen Zufall ins Wasser, in dessen grundlosen Boden ich so lange steckte, daß ich dem Ertrinken nahe war, bis ich endlich durch Hülfe andrer Leute wieder herausgebracht ward.

Von dieser Zeit an glaubte ich, so oft ich zu Selbstbetrachtungen kam, ich sei damals wirklich ertrunken; alles was ich sähe, hörte oder empfände, seyen keine wirklichen Empfindungen in der Körperwelt, sondern Erinnerungen aus dem vorigen Leben.

Jch glaubte keinen Körper mehr zu haben, sondern mich nur dem Geiste nach entweder auf der Erde aufzuhalten, oder doch solche Vorstellungen zu haben, als ob ich mich auf der Erde aufhielte.



Zur Seelennaturkunde.
I.
Zweifel an eigner Existenz.

Aus einem Briefe.

Jch erinnere mich verschiedener, der Spaldingischen aͤhnlichen Erfahrungen, nur im schwaͤchern Grade, gehabt zu haben. Eine in ihrer Art ganz besondre Erfahrung, will ich Jhnen wenigstens doch kurz erzaͤhlen:

Jn meinem dreyzehnten Jahre fiel ich durch einen Zufall ins Wasser, in dessen grundlosen Boden ich so lange steckte, daß ich dem Ertrinken nahe war, bis ich endlich durch Huͤlfe andrer Leute wieder herausgebracht ward.

Von dieser Zeit an glaubte ich, so oft ich zu Selbstbetrachtungen kam, ich sei damals wirklich ertrunken; alles was ich saͤhe, hoͤrte oder empfaͤnde, seyen keine wirklichen Empfindungen in der Koͤrperwelt, sondern Erinnerungen aus dem vorigen Leben.

Jch glaubte keinen Koͤrper mehr zu haben, sondern mich nur dem Geiste nach entweder auf der Erde aufzuhalten, oder doch solche Vorstellungen zu haben, als ob ich mich auf der Erde aufhielte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0073" n="71"/><lb/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head>Zur Seelennaturkunde. </head><lb/>
          <div n="2">
            <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/>
Zweifel an eigner Existenz.</head><lb/>
            <note type="editorial">
              <bibl>
                <persName ref="#ref143"><note type="editorial"/>Stroth, Friedrich Andreas</persName>
              </bibl>
            </note>
            <argument>
              <p>Aus einem Briefe. </p>
            </argument>
            <p>Jch erinnere mich verschiedener, der <persName ref="#ref0112"><note type="editorial">Spalding, Johann Joachim</note>Spaldingischen</persName>  a&#x0364;hnlichen Erfahrungen, nur im schwa&#x0364;chern Grade, gehabt zu haben. Eine in  ihrer Art ganz besondre Erfahrung, will ich Jhnen wenigstens doch kurz  erza&#x0364;hlen: </p>
            <p>Jn meinem dreyzehnten Jahre fiel ich durch einen Zufall ins Wasser, in dessen  grundlosen Boden ich so lange steckte, daß ich dem Ertrinken nahe war, bis  ich endlich durch Hu&#x0364;lfe andrer Leute wieder herausgebracht ward. </p>
            <p>Von dieser Zeit an glaubte ich, so oft ich zu Selbstbetrachtungen kam, ich  sei damals wirklich ertrunken; alles was ich sa&#x0364;he, ho&#x0364;rte oder empfa&#x0364;nde,  seyen keine wirklichen Empfindungen in der Ko&#x0364;rperwelt, sondern Erinnerungen  aus dem vorigen Leben. </p>
            <p>Jch glaubte keinen Ko&#x0364;rper mehr zu haben, sondern mich nur dem Geiste nach  entweder auf der Erde aufzuhalten, oder doch solche Vorstellungen zu haben,  als ob ich mich auf der Erde aufhielte. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0073] Zur Seelennaturkunde. I. Zweifel an eigner Existenz. Aus einem Briefe. Jch erinnere mich verschiedener, der Spaldingischen aͤhnlichen Erfahrungen, nur im schwaͤchern Grade, gehabt zu haben. Eine in ihrer Art ganz besondre Erfahrung, will ich Jhnen wenigstens doch kurz erzaͤhlen: Jn meinem dreyzehnten Jahre fiel ich durch einen Zufall ins Wasser, in dessen grundlosen Boden ich so lange steckte, daß ich dem Ertrinken nahe war, bis ich endlich durch Huͤlfe andrer Leute wieder herausgebracht ward. Von dieser Zeit an glaubte ich, so oft ich zu Selbstbetrachtungen kam, ich sei damals wirklich ertrunken; alles was ich saͤhe, hoͤrte oder empfaͤnde, seyen keine wirklichen Empfindungen in der Koͤrperwelt, sondern Erinnerungen aus dem vorigen Leben. Jch glaubte keinen Koͤrper mehr zu haben, sondern mich nur dem Geiste nach entweder auf der Erde aufzuhalten, oder doch solche Vorstellungen zu haben, als ob ich mich auf der Erde aufhielte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/73
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/73>, abgerufen am 25.11.2024.