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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

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das er sich zu erreichen vorgesetzt hatte. V. Th. suchte alle Mittel auf, wodurch er sich ihm gefällig erweisen konnte, und die Art, mit der er vieles ausschlug, was er nicht erwiedern zu können hofte, reitzte ihn noch mehr; inzwischen sah sich doch Robert genöthigt, einen ihm angebotnen Vorschuß so lange anzunehmen, bis er von seiner Mutter Geld zu seiner neuen Einrichtung erhalten würde: denn er war davon, daß er bei seiner Verändrung recht gehandelt hätte, so fest überzeugt, daß es ihm gar nicht einfiel, daß er seiner Entschlüsse wegen getadelt werden könnte. Daher kann man sich sein Erstaunen und seinen trotzigen Zorn erklären, als er kurz darauf einen Brief von seiner Mutter erhielt, der voll der bittersten Vorwürfe war, der ihm endlich den Befehl auflegte, wieder aufs Waisenhaus zurückzugehen, außerdem aber sich nicht die geringste Hofnung zu machen, von ihr je mit einem Heller in Zukunft unterstützt zu werden, und sie habe deshalb den Kriegsrath G. ersucht, sein ganzes Ansehn anzuwenden, und ihm nichts ehr auszuzahlen, als bis er seinen boshaften Eigensinn gebrochen und als ein reuiger Sünder wieder zurückgekehrt sei. -- Gewalt konnte in Roberten nie etwas Gutes bewirken. Er konnte diesen Brief kaum zu Ende bringen. Er stampfte mit den Füssen und schäumte vor Wuth. Er zerriß ihn mit den Zähnen, vermaß sich und schwur fürchterlich, daß er von seiner Mutter nie wieder einen Heller annehmen wolle.


das er sich zu erreichen vorgesetzt hatte. V. Th. suchte alle Mittel auf, wodurch er sich ihm gefaͤllig erweisen konnte, und die Art, mit der er vieles ausschlug, was er nicht erwiedern zu koͤnnen hofte, reitzte ihn noch mehr; inzwischen sah sich doch Robert genoͤthigt, einen ihm angebotnen Vorschuß so lange anzunehmen, bis er von seiner Mutter Geld zu seiner neuen Einrichtung erhalten wuͤrde: denn er war davon, daß er bei seiner Veraͤndrung recht gehandelt haͤtte, so fest uͤberzeugt, daß es ihm gar nicht einfiel, daß er seiner Entschluͤsse wegen getadelt werden koͤnnte. Daher kann man sich sein Erstaunen und seinen trotzigen Zorn erklaͤren, als er kurz darauf einen Brief von seiner Mutter erhielt, der voll der bittersten Vorwuͤrfe war, der ihm endlich den Befehl auflegte, wieder aufs Waisenhaus zuruͤckzugehen, außerdem aber sich nicht die geringste Hofnung zu machen, von ihr je mit einem Heller in Zukunft unterstuͤtzt zu werden, und sie habe deshalb den Kriegsrath G. ersucht, sein ganzes Ansehn anzuwenden, und ihm nichts ehr auszuzahlen, als bis er seinen boshaften Eigensinn gebrochen und als ein reuiger Suͤnder wieder zuruͤckgekehrt sei. ― Gewalt konnte in Roberten nie etwas Gutes bewirken. Er konnte diesen Brief kaum zu Ende bringen. Er stampfte mit den Fuͤssen und schaͤumte vor Wuth. Er zerriß ihn mit den Zaͤhnen, vermaß sich und schwur fuͤrchterlich, daß er von seiner Mutter nie wieder einen Heller annehmen wolle.

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[4/0006] das er sich zu erreichen vorgesetzt hatte. V. Th. suchte alle Mittel auf, wodurch er sich ihm gefaͤllig erweisen konnte, und die Art, mit der er vieles ausschlug, was er nicht erwiedern zu koͤnnen hofte, reitzte ihn noch mehr; inzwischen sah sich doch Robert genoͤthigt, einen ihm angebotnen Vorschuß so lange anzunehmen, bis er von seiner Mutter Geld zu seiner neuen Einrichtung erhalten wuͤrde: denn er war davon, daß er bei seiner Veraͤndrung recht gehandelt haͤtte, so fest uͤberzeugt, daß es ihm gar nicht einfiel, daß er seiner Entschluͤsse wegen getadelt werden koͤnnte. Daher kann man sich sein Erstaunen und seinen trotzigen Zorn erklaͤren, als er kurz darauf einen Brief von seiner Mutter erhielt, der voll der bittersten Vorwuͤrfe war, der ihm endlich den Befehl auflegte, wieder aufs Waisenhaus zuruͤckzugehen, außerdem aber sich nicht die geringste Hofnung zu machen, von ihr je mit einem Heller in Zukunft unterstuͤtzt zu werden, und sie habe deshalb den Kriegsrath G. ersucht, sein ganzes Ansehn anzuwenden, und ihm nichts ehr auszuzahlen, als bis er seinen boshaften Eigensinn gebrochen und als ein reuiger Suͤnder wieder zuruͤckgekehrt sei. ― Gewalt konnte in Roberten nie etwas Gutes bewirken. Er konnte diesen Brief kaum zu Ende bringen. Er stampfte mit den Fuͤssen und schaͤumte vor Wuth. Er zerriß ihn mit den Zaͤhnen, vermaß sich und schwur fuͤrchterlich, daß er von seiner Mutter nie wieder einen Heller annehmen wolle.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/6>, abgerufen am 30.04.2024.