Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


zu Auslernung seiner Profeßion untüchtig machen würde. Bei Untersuchung der Spinde bemerkte er, daß sie verschlossen und gut verwahrt sey. Hier fiel ihm ein, daß der Geselle einst erzählet, wie sich gewisse Diebe, durch Bohrung verschiedener Löcher, die Erbrechung einer Spinde erleichtern. Er nützte diesen Umstand, und nahm gegen Achtzig Thaler, größtentheils in Gold, dessen Werth er nicht kannte, heraus, weil er glaubte: nur ohngefehr so viel genommen zu haben, als das Lehrgeld betrüge, und ließ das andere liegen. Der Meister kam nach Hause, und der Diebstahl wurde denselben Abend nicht bemerkt. Noch hatte er bis dahin auf keine Bemäntelung oder Entschuldigung seiner That gedacht; allein im Bette fiel ihm ein: die Sache so einzuleiten, als ob auswärtige Diebe ins Haus gekommen. Er schlich sich daher aus seinem Bette in die Werkstatt nahm einen Sattel aus der Spinde, versteckte ihn unter einen Wagen unterm Schuppen, öfnete den Thorweg auf den Hof, warf einen seiner Strümpfe auf den Flur, gieng wieder zu Bett', und fing einige Zeit darauf, ein gewaltiges Geschrei an: daß Diebe im Hause wären. Das ganze Haus ward dabei munter, man bemerkte den Diebstahl, und die von dem Knaben gemachten Anstalten brachten alle auf den Verdacht, daß ein ehemaliger Hausknecht der Thäter sey. Der Knabe schwieg hierzu still, und der ehemalige Hausknecht wurde hier zur Untersuchung gezogen. Diesen unschuldigen Menschen zu


zu Auslernung seiner Profeßion untuͤchtig machen wuͤrde. Bei Untersuchung der Spinde bemerkte er, daß sie verschlossen und gut verwahrt sey. Hier fiel ihm ein, daß der Geselle einst erzaͤhlet, wie sich gewisse Diebe, durch Bohrung verschiedener Loͤcher, die Erbrechung einer Spinde erleichtern. Er nuͤtzte diesen Umstand, und nahm gegen Achtzig Thaler, groͤßtentheils in Gold, dessen Werth er nicht kannte, heraus, weil er glaubte: nur ohngefehr so viel genommen zu haben, als das Lehrgeld betruͤge, und ließ das andere liegen. Der Meister kam nach Hause, und der Diebstahl wurde denselben Abend nicht bemerkt. Noch hatte er bis dahin auf keine Bemaͤntelung oder Entschuldigung seiner That gedacht; allein im Bette fiel ihm ein: die Sache so einzuleiten, als ob auswaͤrtige Diebe ins Haus gekommen. Er schlich sich daher aus seinem Bette in die Werkstatt nahm einen Sattel aus der Spinde, versteckte ihn unter einen Wagen unterm Schuppen, oͤfnete den Thorweg auf den Hof, warf einen seiner Struͤmpfe auf den Flur, gieng wieder zu Bett', und fing einige Zeit darauf, ein gewaltiges Geschrei an: daß Diebe im Hause waͤren. Das ganze Haus ward dabei munter, man bemerkte den Diebstahl, und die von dem Knaben gemachten Anstalten brachten alle auf den Verdacht, daß ein ehemaliger Hausknecht der Thaͤter sey. Der Knabe schwieg hierzu still, und der ehemalige Hausknecht wurde hier zur Untersuchung gezogen. Diesen unschuldigen Menschen zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0058" n="56"/><lb/>
zu Auslernung seiner Profeßion untu&#x0364;chtig machen wu&#x0364;rde. Bei  Untersuchung der Spinde bemerkte er, daß sie verschlossen und gut verwahrt  sey. Hier fiel ihm ein, daß der Geselle einst erza&#x0364;hlet, wie sich gewisse  Diebe, durch Bohrung verschiedener Lo&#x0364;cher, die Erbrechung einer Spinde  <choice><corr>erleichtern</corr><sic>erleichtert</sic></choice>. Er nu&#x0364;tzte diesen Umstand, und nahm gegen  Achtzig Thaler, gro&#x0364;ßtentheils in Gold, dessen Werth er nicht kannte, heraus,  weil er glaubte: nur ohngefehr so viel genommen zu haben, als das Lehrgeld  betru&#x0364;ge, und ließ das andere liegen. Der Meister kam nach Hause, und der  Diebstahl wurde denselben Abend nicht bemerkt. Noch hatte er bis dahin auf  keine Bema&#x0364;ntelung oder Entschuldigung seiner That gedacht; allein im Bette  fiel ihm ein: die Sache so einzuleiten, als ob auswa&#x0364;rtige Diebe ins Haus  gekommen. Er schlich sich daher aus seinem Bette in die Werkstatt nahm einen  Sattel aus der Spinde, versteckte ihn unter einen Wagen unterm Schuppen,  o&#x0364;fnete den Thorweg auf den Hof, warf einen seiner Stru&#x0364;mpfe auf den Flur,  gieng wieder zu Bett', und fing einige Zeit darauf, ein gewaltiges Geschrei  an: daß Diebe im Hause wa&#x0364;ren. Das ganze Haus ward dabei munter, man bemerkte  den Diebstahl, und die von dem Knaben gemachten Anstalten brachten alle auf  den Verdacht, daß ein ehemaliger Hausknecht der Tha&#x0364;ter sey. Der Knabe  schwieg hierzu still, und der ehemalige Hausknecht wurde hier zur  Untersuchung gezogen. Diesen unschuldigen Menschen zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0058] zu Auslernung seiner Profeßion untuͤchtig machen wuͤrde. Bei Untersuchung der Spinde bemerkte er, daß sie verschlossen und gut verwahrt sey. Hier fiel ihm ein, daß der Geselle einst erzaͤhlet, wie sich gewisse Diebe, durch Bohrung verschiedener Loͤcher, die Erbrechung einer Spinde erleichtern. Er nuͤtzte diesen Umstand, und nahm gegen Achtzig Thaler, groͤßtentheils in Gold, dessen Werth er nicht kannte, heraus, weil er glaubte: nur ohngefehr so viel genommen zu haben, als das Lehrgeld betruͤge, und ließ das andere liegen. Der Meister kam nach Hause, und der Diebstahl wurde denselben Abend nicht bemerkt. Noch hatte er bis dahin auf keine Bemaͤntelung oder Entschuldigung seiner That gedacht; allein im Bette fiel ihm ein: die Sache so einzuleiten, als ob auswaͤrtige Diebe ins Haus gekommen. Er schlich sich daher aus seinem Bette in die Werkstatt nahm einen Sattel aus der Spinde, versteckte ihn unter einen Wagen unterm Schuppen, oͤfnete den Thorweg auf den Hof, warf einen seiner Struͤmpfe auf den Flur, gieng wieder zu Bett', und fing einige Zeit darauf, ein gewaltiges Geschrei an: daß Diebe im Hause waͤren. Das ganze Haus ward dabei munter, man bemerkte den Diebstahl, und die von dem Knaben gemachten Anstalten brachten alle auf den Verdacht, daß ein ehemaliger Hausknecht der Thaͤter sey. Der Knabe schwieg hierzu still, und der ehemalige Hausknecht wurde hier zur Untersuchung gezogen. Diesen unschuldigen Menschen zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/58
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/58>, abgerufen am 22.11.2024.