Herr Sander ist noch ein junger Gelehrter, der aber freilich sehr groß werden kann. Ob der größte? das ist eine andre Frage. -- "Was er doch redet", brach hierauf der ergrimmte Lehrer aus; und ich sagte: lassen Sie ihn doch! Er meints recht gut; er weiß schon von Philosophen zu schwatzen. -- Auf dies alles blieb er bei seiner Miene, und wie man sagt, mopsig, und redete kein Wort mehr über Tisch. Wir hatten vor Tische gespielt; wir setzten es nun noch mehr der Langenweile wegen fort; aber so, daß weder ich, noch meine Frau ihn eines Worts würdigten, um ihn unser Misfallen über sein unanständiges Betragen fühlen zu lassen. Bei diesem Abendessen war es auch, wo er dem Ferdinand wiederum gebot, nicht wie ein Schwein zu schmatzen, weil ihm ein mehreres zu thun nicht erlaubt war. Daß er nichts gefühlt habe, das lernen Sie daraus, daß er eben die wiedrige Miene vom Sonntage an bis zum Donnerstage fortsetzte; so, daß er kaum antwortete, wenn ihm etwas gesagt wurde.
Als ich mich diese Zeit hindurch mit meiner Frau über dieses Betragen besprach: so fiel letztere auf allerlei Gedanken, unter andern gar auf den: daß es mit dem Menschen nicht richtig im Kopfe seyn müsse. Jch aber schrieb diesen und andre Auftritte, selbst seiner zu großen Strenge, die uns nun immer mehr sichtbar wurde, seinem schwarzen und überflüssigen Blute zu, weil er selbst einigemal sich davon hatte etwas merken lassen. Jndem wir uns
Herr Sander ist noch ein junger Gelehrter, der aber freilich sehr groß werden kann. Ob der groͤßte? das ist eine andre Frage. ― »Was er doch redet«, brach hierauf der ergrimmte Lehrer aus; und ich sagte: lassen Sie ihn doch! Er meints recht gut; er weiß schon von Philosophen zu schwatzen. ― Auf dies alles blieb er bei seiner Miene, und wie man sagt, mopsig, und redete kein Wort mehr uͤber Tisch. Wir hatten vor Tische gespielt; wir setzten es nun noch mehr der Langenweile wegen fort; aber so, daß weder ich, noch meine Frau ihn eines Worts wuͤrdigten, um ihn unser Misfallen uͤber sein unanstaͤndiges Betragen fuͤhlen zu lassen. Bei diesem Abendessen war es auch, wo er dem Ferdinand wiederum gebot, nicht wie ein Schwein zu schmatzen, weil ihm ein mehreres zu thun nicht erlaubt war. Daß er nichts gefuͤhlt habe, das lernen Sie daraus, daß er eben die wiedrige Miene vom Sonntage an bis zum Donnerstage fortsetzte; so, daß er kaum antwortete, wenn ihm etwas gesagt wurde.
Als ich mich diese Zeit hindurch mit meiner Frau uͤber dieses Betragen besprach: so fiel letztere auf allerlei Gedanken, unter andern gar auf den: daß es mit dem Menschen nicht richtig im Kopfe seyn muͤsse. Jch aber schrieb diesen und andre Auftritte, selbst seiner zu großen Strenge, die uns nun immer mehr sichtbar wurde, seinem schwarzen und uͤberfluͤssigen Blute zu, weil er selbst einigemal sich davon hatte etwas merken lassen. Jndem wir uns
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0028"n="26"/><lb/>
Herr Sander ist noch ein junger Gelehrter, der aber freilich sehr groß werden kann. Ob der groͤßte? das ist eine andre Frage. ― »Was er doch <choice><corr>redet«</corr><sic>redet</sic></choice>, brach hierauf der ergrimmte Lehrer aus; und ich sagte: lassen Sie ihn doch! Er meints recht gut; er weiß schon von Philosophen zu schwatzen. ― Auf dies alles blieb er bei seiner Miene, und wie man sagt, mopsig, und redete kein Wort mehr uͤber Tisch. Wir hatten vor Tische gespielt; wir setzten es nun noch mehr der Langenweile wegen fort; aber so, daß weder ich, noch meine Frau ihn eines Worts wuͤrdigten, um ihn unser Misfallen uͤber sein unanstaͤndiges Betragen fuͤhlen zu lassen. Bei diesem Abendessen war es auch, wo er dem Ferdinand wiederum gebot, nicht wie ein Schwein zu schmatzen, weil ihm ein mehreres zu thun nicht erlaubt war. Daß er nichts gefuͤhlt habe, das lernen Sie daraus, daß er eben die wiedrige Miene vom Sonntage an bis zum Donnerstage fortsetzte; so, daß er kaum antwortete, wenn ihm etwas gesagt wurde. </p><p>Als ich mich diese Zeit hindurch mit meiner Frau uͤber dieses Betragen besprach: so fiel letztere auf allerlei Gedanken, unter andern gar auf den: daß es mit dem Menschen nicht richtig im Kopfe seyn muͤsse. Jch aber schrieb diesen und andre Auftritte, selbst seiner zu großen Strenge, die uns nun immer mehr sichtbar wurde, seinem schwarzen und uͤberfluͤssigen Blute zu, weil er selbst einigemal sich davon hatte etwas merken lassen. Jndem wir uns<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[26/0028]
Herr Sander ist noch ein junger Gelehrter, der aber freilich sehr groß werden kann. Ob der groͤßte? das ist eine andre Frage. ― »Was er doch redet«, brach hierauf der ergrimmte Lehrer aus; und ich sagte: lassen Sie ihn doch! Er meints recht gut; er weiß schon von Philosophen zu schwatzen. ― Auf dies alles blieb er bei seiner Miene, und wie man sagt, mopsig, und redete kein Wort mehr uͤber Tisch. Wir hatten vor Tische gespielt; wir setzten es nun noch mehr der Langenweile wegen fort; aber so, daß weder ich, noch meine Frau ihn eines Worts wuͤrdigten, um ihn unser Misfallen uͤber sein unanstaͤndiges Betragen fuͤhlen zu lassen. Bei diesem Abendessen war es auch, wo er dem Ferdinand wiederum gebot, nicht wie ein Schwein zu schmatzen, weil ihm ein mehreres zu thun nicht erlaubt war. Daß er nichts gefuͤhlt habe, das lernen Sie daraus, daß er eben die wiedrige Miene vom Sonntage an bis zum Donnerstage fortsetzte; so, daß er kaum antwortete, wenn ihm etwas gesagt wurde.
Als ich mich diese Zeit hindurch mit meiner Frau uͤber dieses Betragen besprach: so fiel letztere auf allerlei Gedanken, unter andern gar auf den: daß es mit dem Menschen nicht richtig im Kopfe seyn muͤsse. Jch aber schrieb diesen und andre Auftritte, selbst seiner zu großen Strenge, die uns nun immer mehr sichtbar wurde, seinem schwarzen und uͤberfluͤssigen Blute zu, weil er selbst einigemal sich davon hatte etwas merken lassen. Jndem wir uns
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/28>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.