cher dies für eine kindische Drohung hielt, vernachlässigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Wälle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der häufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken müssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die nächste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß störte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, glücklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthür ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschäftigt, seine Mutter zu knäbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam.
cher dies fuͤr eine kindische Drohung hielt, vernachlaͤssigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Waͤlle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der haͤufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken muͤssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die naͤchste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß stoͤrte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, gluͤcklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthuͤr ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschaͤftigt, seine Mutter zu knaͤbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam.
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0019"n="17"/><lb/>
cher dies fuͤr eine kindische Drohung hielt, vernachlaͤssigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Waͤlle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der haͤufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken muͤssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die naͤchste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß stoͤrte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, gluͤcklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthuͤr ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschaͤftigt, seine Mutter zu knaͤbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam. </p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[17/0019]
cher dies fuͤr eine kindische Drohung hielt, vernachlaͤssigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Waͤlle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der haͤufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken muͤssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die naͤchste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß stoͤrte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, gluͤcklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthuͤr ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschaͤftigt, seine Mutter zu knaͤbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/19>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.