Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
Auf die Weise haben wir gesehen, wie sich das Verbum nicht nur nach dem Substantivum richtet, sondern sich zugleich als gewiß oder ungewiß, als wirklich oder nicht wirklich, in den Zusammenhang unsrer übrigen Vorstellungen fügt. -- Da sich aber alle unsre Vorstellungen an dem Begriffe von der Zeit fest halten müssen, so muß sich das Verbum auch nach diesem Begriffe fügen. Dieses thut es nun, indem sich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, noch ein t zwischen das b und e einschiebt, so daß es heißt, ich liebte, du liebtest, u.s.w. Um das Vergangne zu bezeichnen, muß die Stimme gleichsam einen Aufenthalt finden, und darf nicht so schnell von dem b, als von dem letzten Buchstaben des eigentlichen Worts, zu dem angehängten e, st, u.s.w. hinübergehen, als wenn die gegenwärtige Zeit ausgedrückt werden soll: denn der Begrif von der Vergangenheit schiebt sich gleichsam zwischen die Vorstellung von der Handlung und von ihrer Wirklichkeit hinein, weil das Vergangne doch eigentlich jetzt nicht mehr wirklich ist. Darum fällt auch, wenn ich nur von einer Person rede, das Zeichen der Wirklichkeit wieder weg, und es heißt nicht, er liebet, sondern er liebte.
Auf die Weise haben wir gesehen, wie sich das Verbum nicht nur nach dem Substantivum richtet, sondern sich zugleich als gewiß oder ungewiß, als wirklich oder nicht wirklich, in den Zusammenhang unsrer uͤbrigen Vorstellungen fuͤgt. ― Da sich aber alle unsre Vorstellungen an dem Begriffe von der Zeit fest halten muͤssen, so muß sich das Verbum auch nach diesem Begriffe fuͤgen. Dieses thut es nun, indem sich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, noch ein t zwischen das b und e einschiebt, so daß es heißt, ich liebte, du liebtest, u.s.w. Um das Vergangne zu bezeichnen, muß die Stimme gleichsam einen Aufenthalt finden, und darf nicht so schnell von dem b, als von dem letzten Buchstaben des eigentlichen Worts, zu dem angehaͤngten e, st, u.s.w. hinuͤbergehen, als wenn die gegenwaͤrtige Zeit ausgedruͤckt werden soll: denn der Begrif von der Vergangenheit schiebt sich gleichsam zwischen die Vorstellung von der Handlung und von ihrer Wirklichkeit hinein, weil das Vergangne doch eigentlich jetzt nicht mehr wirklich ist. Darum faͤllt auch, wenn ich nur von einer Person rede, das Zeichen der Wirklichkeit wieder weg, und es heißt nicht, er liebet, sondern er liebte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0123" n="121"/><lb/> staͤrkste Nachdruck auf das Verbum gesetzt, und es heißt, <hi rendition="#b">ihr liebet.</hi></p> <p>Auf die Weise haben wir gesehen, wie sich das Verbum nicht nur nach dem Substantivum richtet, sondern sich zugleich als gewiß oder ungewiß, als wirklich oder nicht wirklich, in den Zusammenhang unsrer uͤbrigen Vorstellungen fuͤgt. ― </p> <p>Da sich aber alle unsre Vorstellungen an dem Begriffe von der <hi rendition="#b">Zeit</hi> fest halten muͤssen, so muß sich das Verbum auch nach diesem Begriffe fuͤgen. Dieses thut es nun, indem sich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, noch ein <hi rendition="#b">t</hi> zwischen das <hi rendition="#b">b</hi> und <hi rendition="#b">e</hi> einschiebt, so daß es heißt, <hi rendition="#b">ich liebte, du liebtest,</hi> u.s.w. </p> <p>Um das Vergangne zu bezeichnen, muß die Stimme gleichsam einen Aufenthalt finden, und darf nicht so schnell von dem <hi rendition="#b">b</hi>, als von dem letzten Buchstaben des eigentlichen Worts, zu dem angehaͤngten <hi rendition="#b">e, st,</hi> u.s.w. hinuͤbergehen, als wenn die gegenwaͤrtige Zeit ausgedruͤckt werden soll: denn der Begrif von der Vergangenheit schiebt sich gleichsam zwischen die Vorstellung von der Handlung und von ihrer Wirklichkeit hinein, weil das Vergangne doch eigentlich <hi rendition="#b">jetzt</hi> nicht mehr wirklich ist. </p> <p>Darum faͤllt auch, wenn ich nur <hi rendition="#b">von</hi> einer Person rede, das Zeichen der Wirklichkeit wieder weg, und es heißt nicht, <hi rendition="#b">er liebet,</hi> sondern <hi rendition="#b">er liebte.</hi></p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0123]
staͤrkste Nachdruck auf das Verbum gesetzt, und es heißt, ihr liebet.
Auf die Weise haben wir gesehen, wie sich das Verbum nicht nur nach dem Substantivum richtet, sondern sich zugleich als gewiß oder ungewiß, als wirklich oder nicht wirklich, in den Zusammenhang unsrer uͤbrigen Vorstellungen fuͤgt. ―
Da sich aber alle unsre Vorstellungen an dem Begriffe von der Zeit fest halten muͤssen, so muß sich das Verbum auch nach diesem Begriffe fuͤgen. Dieses thut es nun, indem sich, um die Vergangenheit zu bezeichnen, noch ein t zwischen das b und e einschiebt, so daß es heißt, ich liebte, du liebtest, u.s.w.
Um das Vergangne zu bezeichnen, muß die Stimme gleichsam einen Aufenthalt finden, und darf nicht so schnell von dem b, als von dem letzten Buchstaben des eigentlichen Worts, zu dem angehaͤngten e, st, u.s.w. hinuͤbergehen, als wenn die gegenwaͤrtige Zeit ausgedruͤckt werden soll: denn der Begrif von der Vergangenheit schiebt sich gleichsam zwischen die Vorstellung von der Handlung und von ihrer Wirklichkeit hinein, weil das Vergangne doch eigentlich jetzt nicht mehr wirklich ist.
Darum faͤllt auch, wenn ich nur von einer Person rede, das Zeichen der Wirklichkeit wieder weg, und es heißt nicht, er liebet, sondern er liebte.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/123>, abgerufen am 16.02.2025. |