Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
Als er bei einem jungen Frauenzimmer, mit der er sich nachmals verheirathet hat, in ihrer Krankheit wachte, hatte er folgenden Vorfall mit ihr. Des Nachts um ein Uhr sagte die Kranke zu ihren beiden Wächtern: sie möchten ein wenig still seyn, sie glaubte, etwas schlafen zu können. Dieses geschah. Der junge Herr schlich indessen herab um etwas Caffee zu besorgen; er blieb aber ziemlich lange aus, und Nach etwa einer Stunde regte sich die Kranke wieder. Sie antwortete: Jch habe so wie im Traume gelegen. "Hören Sie, Herr Stilling, ich habe einen sehr lebhaften Eindruck bekommen, von einer Sache, die ich aber nicht sagen darf, bis zu einer andern Zeit." Bey diesen Worten wurde
Als er bei einem jungen Frauenzimmer, mit der er sich nachmals verheirathet hat, in ihrer Krankheit wachte, hatte er folgenden Vorfall mit ihr. Des Nachts um ein Uhr sagte die Kranke zu ihren beiden Waͤchtern: sie moͤchten ein wenig still seyn, sie glaubte, etwas schlafen zu koͤnnen. Dieses geschah. Der junge Herr schlich indessen herab um etwas Caffee zu besorgen; er blieb aber ziemlich lange aus, und Nach etwa einer Stunde regte sich die Kranke wieder. Sie antwortete: Jch habe so wie im Traume gelegen. »Hoͤren Sie, Herr Stilling, ich habe einen sehr lebhaften Eindruck bekommen, von einer Sache, die ich aber nicht sagen darf, bis zu einer andern Zeit.« Bey diesen Worten wurde <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0119" n="117"/><lb/> Freude und der Dankbarkeit daselbst geflossen sind, koͤnnen nur diejenigen begreifen, die sich mit ihm in aͤhnlichen Umstaͤnden befunden haben. </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Als er bei einem jungen Frauenzimmer, mit der er sich nachmals verheirathet hat, in ihrer Krankheit wachte, hatte er folgenden Vorfall mit ihr. </p> <p>Des Nachts um ein Uhr sagte die Kranke zu ihren beiden Waͤchtern: sie moͤchten ein wenig still seyn, sie glaubte, etwas schlafen zu koͤnnen. </p> <p>Dieses geschah. Der junge Herr schlich indessen herab um etwas Caffee zu besorgen; er blieb aber ziemlich lange aus, und <persName ref="#ref0153"><note type="editorial">Jung-Stilling, Johann Heinrich</note>Stilling</persName> begonnte auf seinem Stuhl zu nicken. </p> <p>Nach etwa einer Stunde regte sich die Kranke wieder. <persName ref="#ref0153"><note type="editorial">Jung-Stilling, Johann Heinrich</note>Stilling</persName> schob die Gardine ein wenig von einander, und fragte sie; ob sie geschlafen habe? </p> <p>Sie antwortete: Jch habe so wie im Traume gelegen. »Hoͤren Sie, Herr Stilling, ich habe einen sehr lebhaften Eindruck bekommen, von einer Sache, die ich aber nicht sagen darf, bis zu einer andern Zeit.« </p> <p>Bey diesen Worten wurde <persName ref="#ref0153"><note type="editorial">Jung-Stilling, Johann Heinrich</note>Stilling</persName> ganz starr, er fuͤhlte vom Scheitel bis unter die Fußsohlen eine noch nie empfundene Erschuͤtterung, und mit einemmal fuhr ihm ein Strahl durch die Seele wie ein Blitz. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0119]
Freude und der Dankbarkeit daselbst geflossen sind, koͤnnen nur diejenigen begreifen, die sich mit ihm in aͤhnlichen Umstaͤnden befunden haben.
Als er bei einem jungen Frauenzimmer, mit der er sich nachmals verheirathet hat, in ihrer Krankheit wachte, hatte er folgenden Vorfall mit ihr.
Des Nachts um ein Uhr sagte die Kranke zu ihren beiden Waͤchtern: sie moͤchten ein wenig still seyn, sie glaubte, etwas schlafen zu koͤnnen.
Dieses geschah. Der junge Herr schlich indessen herab um etwas Caffee zu besorgen; er blieb aber ziemlich lange aus, und Stilling begonnte auf seinem Stuhl zu nicken.
Nach etwa einer Stunde regte sich die Kranke wieder. Stilling schob die Gardine ein wenig von einander, und fragte sie; ob sie geschlafen habe?
Sie antwortete: Jch habe so wie im Traume gelegen. »Hoͤren Sie, Herr Stilling, ich habe einen sehr lebhaften Eindruck bekommen, von einer Sache, die ich aber nicht sagen darf, bis zu einer andern Zeit.«
Bey diesen Worten wurde Stilling ganz starr, er fuͤhlte vom Scheitel bis unter die Fußsohlen eine noch nie empfundene Erschuͤtterung, und mit einemmal fuhr ihm ein Strahl durch die Seele wie ein Blitz.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/119>, abgerufen am 16.02.2025. |