Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.
15. Mai 1783. Letzter Absatz vom 18ten May, am Tage der Entleibung. Nun noch eine kleine Erklärung, wills Gott, die letzte an die, die im Leben mich ihrer Freundschaft, Gewogenheit und Theilnehmung, und daß ichs recht sage, Mitleids würdigten. Mitleids -- wie grausam, wie erniedrigend, wenn man nichts als Mitleid erwarten kann, wenn man auf eigene Mittel, auf eigenen Trieb zu seinem Fortkommen entsagen muß. Wie demüthigend dieß sey -- wie schaudernd der Gedanke, seine Pflicht hintanzusetzen, seinen Amtseid zu vernachläßigen, dem, der Jahre lang darinnen seine Genugthuung, seine Wollust gesucht hat -- sey Gott bewußt -- Behalte ich nach diesem Leben noch Freunde, nu dann weihet meinem unglücklichen Andenken eine mitleidige Zähre! Jch danke denn Gott, der uns alle schuf, für unzählige glückliche Vorfälle, die er nicht selten auch mir hat zufließen lassen -- aber nun erschwert das Andenken verlebten Glücks meine Verzweiflung.
15. Mai 1783. Letzter Absatz vom 18ten May, am Tage der Entleibung. Nun noch eine kleine Erklaͤrung, wills Gott, die letzte an die, die im Leben mich ihrer Freundschaft, Gewogenheit und Theilnehmung, und daß ichs recht sage, Mitleids wuͤrdigten. Mitleids ― wie grausam, wie erniedrigend, wenn man nichts als Mitleid erwarten kann, wenn man auf eigene Mittel, auf eigenen Trieb zu seinem Fortkommen entsagen muß. Wie demuͤthigend dieß sey ― wie schaudernd der Gedanke, seine Pflicht hintanzusetzen, seinen Amtseid zu vernachlaͤßigen, dem, der Jahre lang darinnen seine Genugthuung, seine Wollust gesucht hat ― sey Gott bewußt ― Behalte ich nach diesem Leben noch Freunde, nu dann weihet meinem ungluͤcklichen Andenken eine mitleidige Zaͤhre! Jch danke denn Gott, der uns alle schuf, fuͤr unzaͤhlige gluͤckliche Vorfaͤlle, die er nicht selten auch mir hat zufließen lassen ― aber nun erschwert das Andenken verlebten Gluͤcks meine Verzweiflung. <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0040" n="36"/><lb/> nen Pflichten uneins zu seyn, nicht ersticken; auch der einzige bisherige Trost, daß mein Ungluͤck nicht meine Schuld ist, verlaͤßt mich ― So hilf mir denn mein Gott die Huͤtte gaͤnzlich zerbrechen, die du als die meine mir gabst, und die Pflicht gegen mich und andere zu verlassen gebietet. </p> <p rendition="#right">15. Mai 1783. </p> </div> <div> <head>Letzter Absatz vom 18ten May, am Tage der Entleibung. </head><lb/> <p>Nun noch eine kleine Erklaͤrung, wills Gott, die letzte an die, die im Leben mich ihrer Freundschaft, Gewogenheit und Theilnehmung, und daß ichs recht sage, Mitleids wuͤrdigten. Mitleids ― wie grausam, wie erniedrigend, wenn man nichts als Mitleid erwarten kann, wenn man auf eigene Mittel, auf eigenen Trieb zu seinem Fortkommen entsagen muß. </p> <p>Wie demuͤthigend dieß sey ― wie schaudernd der Gedanke, seine Pflicht hintanzusetzen, seinen Amtseid zu vernachlaͤßigen, dem, der Jahre lang darinnen seine Genugthuung, seine Wollust gesucht hat ― sey Gott bewußt ― Behalte ich nach diesem Leben noch Freunde, nu dann weihet meinem ungluͤcklichen Andenken eine mitleidige Zaͤhre! </p> <p>Jch danke denn Gott, der uns alle schuf, fuͤr unzaͤhlige gluͤckliche Vorfaͤlle, die er nicht selten auch mir hat zufließen lassen ― aber nun erschwert das Andenken verlebten Gluͤcks meine Verzweiflung. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0040]
nen Pflichten uneins zu seyn, nicht ersticken; auch der einzige bisherige Trost, daß mein Ungluͤck nicht meine Schuld ist, verlaͤßt mich ― So hilf mir denn mein Gott die Huͤtte gaͤnzlich zerbrechen, die du als die meine mir gabst, und die Pflicht gegen mich und andere zu verlassen gebietet.
15. Mai 1783.
Letzter Absatz vom 18ten May, am Tage der Entleibung.
Nun noch eine kleine Erklaͤrung, wills Gott, die letzte an die, die im Leben mich ihrer Freundschaft, Gewogenheit und Theilnehmung, und daß ichs recht sage, Mitleids wuͤrdigten. Mitleids ― wie grausam, wie erniedrigend, wenn man nichts als Mitleid erwarten kann, wenn man auf eigene Mittel, auf eigenen Trieb zu seinem Fortkommen entsagen muß.
Wie demuͤthigend dieß sey ― wie schaudernd der Gedanke, seine Pflicht hintanzusetzen, seinen Amtseid zu vernachlaͤßigen, dem, der Jahre lang darinnen seine Genugthuung, seine Wollust gesucht hat ― sey Gott bewußt ― Behalte ich nach diesem Leben noch Freunde, nu dann weihet meinem ungluͤcklichen Andenken eine mitleidige Zaͤhre!
Jch danke denn Gott, der uns alle schuf, fuͤr unzaͤhlige gluͤckliche Vorfaͤlle, die er nicht selten auch mir hat zufließen lassen ― aber nun erschwert das Andenken verlebten Gluͤcks meine Verzweiflung.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |