Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


Weg, sein eigenes Leben durch einen Mord zu verwirken, nach dessen Vollbringung es ihm immer noch frei stehen würde, sich wieder zu Gott zu bekehren.

Nach der Aussage seines Schlafkameraden des Füselier Thomas Gelmroth, lebte er beständig sehr gottesfürchtig, sang alle Morgen einige geistliche Lieder, las fleißig in geistlichen Büchern, wovon er unter andern das hällische goldne Schatzkästlein seinem Schlafkameraden zu dessen Erbauung anbot. Er ermunterte denselben oft zur Frömmigkeit, und erzählte ihm, wie er in seiner Jugend auch ein wilder Mensch gewesen, nunmehro aber auf den rechten Weg gekommen sey. Weil er weder Brandtwein trank, noch mit andern Burschen umging, so hielt ihn sein Schlafkamerad für einen Pietisten.

Einmal fügte es sich, daß letzterer Gesellschaft bei sich hatte, wo man lustig und guter Dinge war, und er dem Völkner Brüderschaft zutrinken wollte, dieser aber nahm an der allgemeinen Freude nicht Theil, und ging mit den Worten aus der Stube: er habe keinen Durst, kam auch den ganzen Tag nicht wieder zurück. Des Tages darauf, stellte Völkner seinen Schlafkameraden hierüber sehr ernsthaft zur Rede, der nun auch anfing alle Gesellschaft zu vermeiden, um nur mit ihm in Einigkeit zu leben, weswegen ihn Völkner sehr lieb gewann.

Als sie einmal zusammen schliefen, fiel es dem Gelmroth ein, seinen Schlafkameraden wegen sei-


Weg, sein eigenes Leben durch einen Mord zu verwirken, nach dessen Vollbringung es ihm immer noch frei stehen wuͤrde, sich wieder zu Gott zu bekehren.

Nach der Aussage seines Schlafkameraden des Fuͤselier Thomas Gelmroth, lebte er bestaͤndig sehr gottesfuͤrchtig, sang alle Morgen einige geistliche Lieder, las fleißig in geistlichen Buͤchern, wovon er unter andern das haͤllische goldne Schatzkaͤstlein seinem Schlafkameraden zu dessen Erbauung anbot. Er ermunterte denselben oft zur Froͤmmigkeit, und erzaͤhlte ihm, wie er in seiner Jugend auch ein wilder Mensch gewesen, nunmehro aber auf den rechten Weg gekommen sey. Weil er weder Brandtwein trank, noch mit andern Burschen umging, so hielt ihn sein Schlafkamerad fuͤr einen Pietisten.

Einmal fuͤgte es sich, daß letzterer Gesellschaft bei sich hatte, wo man lustig und guter Dinge war, und er dem Voͤlkner Bruͤderschaft zutrinken wollte, dieser aber nahm an der allgemeinen Freude nicht Theil, und ging mit den Worten aus der Stube: er habe keinen Durst, kam auch den ganzen Tag nicht wieder zuruͤck. Des Tages darauf, stellte Voͤlkner seinen Schlafkameraden hieruͤber sehr ernsthaft zur Rede, der nun auch anfing alle Gesellschaft zu vermeiden, um nur mit ihm in Einigkeit zu leben, weswegen ihn Voͤlkner sehr lieb gewann.

Als sie einmal zusammen schliefen, fiel es dem Gelmroth ein, seinen Schlafkameraden wegen sei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0016" n="12"/><lb/>
Weg, sein eigenes Leben durch einen Mord zu verwirken, nach dessen                         Vollbringung es ihm immer noch frei stehen wu&#x0364;rde, sich wieder zu Gott zu                         bekehren. </p>
          <p>Nach der Aussage seines Schlafkameraden des Fu&#x0364;selier Thomas Gelmroth, lebte                         er besta&#x0364;ndig sehr gottesfu&#x0364;rchtig, sang alle Morgen einige geistliche Lieder,                         las fleißig in geistlichen Bu&#x0364;chern, wovon er unter andern das ha&#x0364;llische                         goldne Schatzka&#x0364;stlein seinem Schlafkameraden zu dessen Erbauung anbot. Er                         ermunterte denselben oft zur Fro&#x0364;mmigkeit, und erza&#x0364;hlte ihm, wie er in seiner                         Jugend auch ein wilder Mensch gewesen, nunmehro aber auf den rechten Weg                         gekommen sey. Weil er weder Brandtwein trank, noch mit andern Burschen                         umging, so hielt ihn sein Schlafkamerad fu&#x0364;r einen Pietisten. </p>
          <p>Einmal fu&#x0364;gte es sich, daß letzterer Gesellschaft bei sich hatte, wo man                         lustig und guter Dinge war, und er dem Vo&#x0364;lkner Bru&#x0364;derschaft zutrinken                         wollte, dieser aber nahm an der allgemeinen Freude nicht Theil, und ging mit                         den Worten aus der Stube: er habe keinen Durst, kam auch den ganzen Tag                         nicht wieder zuru&#x0364;ck. Des Tages darauf, stellte Vo&#x0364;lkner seinen                         Schlafkameraden hieru&#x0364;ber sehr ernsthaft zur Rede, der nun auch anfing alle                         Gesellschaft zu vermeiden, um nur mit ihm in Einigkeit zu leben, weswegen                         ihn Vo&#x0364;lkner sehr lieb gewann. </p>
          <p>Als sie einmal zusammen schliefen, fiel es dem Gelmroth ein, seinen                         Schlafkameraden wegen sei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0016] Weg, sein eigenes Leben durch einen Mord zu verwirken, nach dessen Vollbringung es ihm immer noch frei stehen wuͤrde, sich wieder zu Gott zu bekehren. Nach der Aussage seines Schlafkameraden des Fuͤselier Thomas Gelmroth, lebte er bestaͤndig sehr gottesfuͤrchtig, sang alle Morgen einige geistliche Lieder, las fleißig in geistlichen Buͤchern, wovon er unter andern das haͤllische goldne Schatzkaͤstlein seinem Schlafkameraden zu dessen Erbauung anbot. Er ermunterte denselben oft zur Froͤmmigkeit, und erzaͤhlte ihm, wie er in seiner Jugend auch ein wilder Mensch gewesen, nunmehro aber auf den rechten Weg gekommen sey. Weil er weder Brandtwein trank, noch mit andern Burschen umging, so hielt ihn sein Schlafkamerad fuͤr einen Pietisten. Einmal fuͤgte es sich, daß letzterer Gesellschaft bei sich hatte, wo man lustig und guter Dinge war, und er dem Voͤlkner Bruͤderschaft zutrinken wollte, dieser aber nahm an der allgemeinen Freude nicht Theil, und ging mit den Worten aus der Stube: er habe keinen Durst, kam auch den ganzen Tag nicht wieder zuruͤck. Des Tages darauf, stellte Voͤlkner seinen Schlafkameraden hieruͤber sehr ernsthaft zur Rede, der nun auch anfing alle Gesellschaft zu vermeiden, um nur mit ihm in Einigkeit zu leben, weswegen ihn Voͤlkner sehr lieb gewann. Als sie einmal zusammen schliefen, fiel es dem Gelmroth ein, seinen Schlafkameraden wegen sei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/16
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/16>, abgerufen am 24.11.2024.