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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

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Lebenswandel nachspüre. Es ist unglaublich, auf was für Jdeen dieser Gedanke den Mann gebracht hat, und wie er, der sonst seinen gesunden Verstand hat, nichts weniger als verrückt ist, für Dinge sich einbildet, und wie er jedem Dinge, auch dem allerungereimtesten, einen Schein von Wahrscheinlichkeit zu geben weiß, welches die Stärke seiner Denkkraft zeigt, und die Fertigkeit seiner Seele, Schlußfolgen zu ziehen.



2. Geschichte des Jnquisiten Daniel Völkners, aus den Kriminalakten gezogen*).

Dieser Daniel Völkner war aus Friedland sechs Meilen von Königsberg in Preussen gebürtig. Seinen Vater, der daselbst Bürger und Riemer war, verlor er im vierzehnten Jahre, und lernte hierauf in seinem Orte das Schusterhandwerk. Nach geendigten Lehrjahren ging er, um sein Handwerk zu treiben, nach Danzig. Allein, ehe er hier noch Arbeit bekommen konnte, ward ihm sein Felleisen, und mit diesem sein Handwerkszeug und seine Kundschaften gestohlen. Weil er nun ohne diese keine Arbeit erhalten konnte, so ließ er sich in

*) Die Materialien zu dieser Geschichte sind mir vom Herrn Referendarius Frölich gütigst mitgetheilt.


Lebenswandel nachspuͤre. Es ist unglaublich, auf was fuͤr Jdeen dieser Gedanke den Mann gebracht hat, und wie er, der sonst seinen gesunden Verstand hat, nichts weniger als verruͤckt ist, fuͤr Dinge sich einbildet, und wie er jedem Dinge, auch dem allerungereimtesten, einen Schein von Wahrscheinlichkeit zu geben weiß, welches die Staͤrke seiner Denkkraft zeigt, und die Fertigkeit seiner Seele, Schlußfolgen zu ziehen.



2. Geschichte des Jnquisiten Daniel Voͤlkners, aus den Kriminalakten gezogen*).

Dieser Daniel Voͤlkner war aus Friedland sechs Meilen von Koͤnigsberg in Preussen gebuͤrtig. Seinen Vater, der daselbst Buͤrger und Riemer war, verlor er im vierzehnten Jahre, und lernte hierauf in seinem Orte das Schusterhandwerk. Nach geendigten Lehrjahren ging er, um sein Handwerk zu treiben, nach Danzig. Allein, ehe er hier noch Arbeit bekommen konnte, ward ihm sein Felleisen, und mit diesem sein Handwerkszeug und seine Kundschaften gestohlen. Weil er nun ohne diese keine Arbeit erhalten konnte, so ließ er sich in

*) Die Materialien zu dieser Geschichte sind mir vom Herrn Referendarius Froͤlich guͤtigst mitgetheilt.
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[10/0014] Lebenswandel nachspuͤre. Es ist unglaublich, auf was fuͤr Jdeen dieser Gedanke den Mann gebracht hat, und wie er, der sonst seinen gesunden Verstand hat, nichts weniger als verruͤckt ist, fuͤr Dinge sich einbildet, und wie er jedem Dinge, auch dem allerungereimtesten, einen Schein von Wahrscheinlichkeit zu geben weiß, welches die Staͤrke seiner Denkkraft zeigt, und die Fertigkeit seiner Seele, Schlußfolgen zu ziehen. 2. Geschichte des Jnquisiten Daniel Voͤlkners, aus den Kriminalakten gezogen*) . Dieser Daniel Voͤlkner war aus Friedland sechs Meilen von Koͤnigsberg in Preussen gebuͤrtig. Seinen Vater, der daselbst Buͤrger und Riemer war, verlor er im vierzehnten Jahre, und lernte hierauf in seinem Orte das Schusterhandwerk. Nach geendigten Lehrjahren ging er, um sein Handwerk zu treiben, nach Danzig. Allein, ehe er hier noch Arbeit bekommen konnte, ward ihm sein Felleisen, und mit diesem sein Handwerkszeug und seine Kundschaften gestohlen. Weil er nun ohne diese keine Arbeit erhalten konnte, so ließ er sich in *) Die Materialien zu dieser Geschichte sind mir vom Herrn Referendarius Froͤlich guͤtigst mitgetheilt.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/14>, abgerufen am 29.03.2024.