Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Alles ist ihm freilich noch im Grunde Spiel, und er hat auch immer etwas, womit er sich beschäftigt. Ein Blick und ein Wort schränkt ihn zwar ein, aber nicht lange. Weiß man irgend eine Sache ihm etwas wichtig zu machen, so heftet sich sein kleines Nachdenken daran, so faßt ers schnell, und scheint sich darüber zu wundern, wie so etwas möglich ist. Man darf ihm nur einen kleinen Vorzug vor andern geben, so zeigt sich sein Ehrtrieb in allen Zügen des Gesichts, und besonders durch ein heitres, reines Lächeln. Jch sagte einmal zu ihm, daß er besser plaudern könne, als sein kleiner Nachbar, der eine Stelle über ihn hat, und daß er daher verdiene, über ihm zu sitzen; allein er hatte keine Lust dazu, blickte mich mit schamhafter Freundlichkeit an, und verstand, was ich sagen wollte. Verweise müssen, und dürfen auch nur sehr sparsam seyn, denn sie schlagen ihn zu sehr nieder, als daß sie die gehörige Wirkung thun sollten. Er ist lebhaft und feurig, wenn er bei einer Sache interessirt ist. Einmal hatte sein Nebenschüler ihn beschuldigt, daß er geplaudert habe. Nach den geendigten
Alles ist ihm freilich noch im Grunde Spiel, und er hat auch immer etwas, womit er sich beschaͤftigt. Ein Blick und ein Wort schraͤnkt ihn zwar ein, aber nicht lange. Weiß man irgend eine Sache ihm etwas wichtig zu machen, so heftet sich sein kleines Nachdenken daran, so faßt ers schnell, und scheint sich daruͤber zu wundern, wie so etwas moͤglich ist. Man darf ihm nur einen kleinen Vorzug vor andern geben, so zeigt sich sein Ehrtrieb in allen Zuͤgen des Gesichts, und besonders durch ein heitres, reines Laͤcheln. Jch sagte einmal zu ihm, daß er besser plaudern koͤnne, als sein kleiner Nachbar, der eine Stelle uͤber ihn hat, und daß er daher verdiene, uͤber ihm zu sitzen; allein er hatte keine Lust dazu, blickte mich mit schamhafter Freundlichkeit an, und verstand, was ich sagen wollte. Verweise muͤssen, und duͤrfen auch nur sehr sparsam seyn, denn sie schlagen ihn zu sehr nieder, als daß sie die gehoͤrige Wirkung thun sollten. Er ist lebhaft und feurig, wenn er bei einer Sache interessirt ist. Einmal hatte sein Nebenschuͤler ihn beschuldigt, daß er geplaudert habe. Nach den geendigten <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0120" n="113"/><lb/> Der Jugendfreund wird gefesselt, und behaͤlt sie gewiß lange Zeit in seiner Seele gegenwaͤrtig. </p> <p>Alles ist ihm freilich noch im Grunde Spiel, und er hat auch immer etwas, womit er sich beschaͤftigt. Ein Blick und ein Wort schraͤnkt ihn zwar ein, aber nicht lange. Weiß man irgend eine Sache ihm etwas wichtig zu machen, so heftet sich sein kleines Nachdenken daran, so faßt ers schnell, und scheint sich daruͤber zu wundern, wie so etwas moͤglich ist. </p> <p>Man darf ihm nur einen kleinen Vorzug vor andern geben, so zeigt sich sein Ehrtrieb in allen Zuͤgen des Gesichts, und besonders durch ein heitres, reines Laͤcheln. </p> <p>Jch sagte einmal zu ihm, daß er besser plaudern koͤnne, als sein kleiner Nachbar, der eine Stelle uͤber ihn hat, und daß er daher verdiene, uͤber ihm zu sitzen; allein er hatte keine Lust dazu, blickte mich mit schamhafter Freundlichkeit an, und verstand, was ich sagen wollte. </p> <p>Verweise muͤssen, und duͤrfen auch nur sehr sparsam seyn, denn sie schlagen ihn zu sehr nieder, als daß sie die gehoͤrige Wirkung thun sollten. Er ist lebhaft und feurig, wenn er bei einer Sache interessirt ist. </p> <p>Einmal hatte sein Nebenschuͤler ihn beschuldigt, daß er geplaudert habe. Nach den geendigten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0120]
Der Jugendfreund wird gefesselt, und behaͤlt sie gewiß lange Zeit in seiner Seele gegenwaͤrtig.
Alles ist ihm freilich noch im Grunde Spiel, und er hat auch immer etwas, womit er sich beschaͤftigt. Ein Blick und ein Wort schraͤnkt ihn zwar ein, aber nicht lange. Weiß man irgend eine Sache ihm etwas wichtig zu machen, so heftet sich sein kleines Nachdenken daran, so faßt ers schnell, und scheint sich daruͤber zu wundern, wie so etwas moͤglich ist.
Man darf ihm nur einen kleinen Vorzug vor andern geben, so zeigt sich sein Ehrtrieb in allen Zuͤgen des Gesichts, und besonders durch ein heitres, reines Laͤcheln.
Jch sagte einmal zu ihm, daß er besser plaudern koͤnne, als sein kleiner Nachbar, der eine Stelle uͤber ihn hat, und daß er daher verdiene, uͤber ihm zu sitzen; allein er hatte keine Lust dazu, blickte mich mit schamhafter Freundlichkeit an, und verstand, was ich sagen wollte.
Verweise muͤssen, und duͤrfen auch nur sehr sparsam seyn, denn sie schlagen ihn zu sehr nieder, als daß sie die gehoͤrige Wirkung thun sollten. Er ist lebhaft und feurig, wenn er bei einer Sache interessirt ist.
Einmal hatte sein Nebenschuͤler ihn beschuldigt, daß er geplaudert habe. Nach den geendigten
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/120>, abgerufen am 16.02.2025. |