Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach und nach verschwand dieser grausame Gedanke, und die Ausführung unterblieb.


Drittes Stück.
I. 1-14.

Wird 1) von einem Manne erzählt, der die Erinnerung seines Zustandes während einer fünfwöchentlichen Krankheit aus dem Bewustseyn gänzlich verloren hatte, so daß die letzte Vorstellung, die diesem Zustande vorhergieng, die erste war, die auf denselben folgte.

2) Ein Schullehrer in .... hatte mehrere Wochen an einem hitzigen Fieber darnieder gelegen, sein Tod schien unvermeidlich. Er starb endlich nach der Meinung der Umstehenden wirklich. Man legte ihn in einer Kammer aufs Stroh. Man bestellte einen Sarg. Nachdem dieser herbeigeschaft worden war, gieng man in gedachte Kammer, um den Todten in den Sarg zu bringen. Aber wie wurde man nicht erstaunt, als man ihn völlig angezogen sein gewöhnliches Geschäfte verrichtend fand: und als man alles was mit ihm während seiner Krankheit vorgefallen war, erzählte, konnte er sich an nichts erinnern, ja nicht einmal daß er krank war. Nach einem halben Jahre erst war er im Stande, sich alles dessen zu erinnern.

3) Ein Mann hielt auf dem Gerüste eines zu erbauenden Hauses eine Rede. Das Gerüste stürzte


Nach und nach verschwand dieser grausame Gedanke, und die Ausfuͤhrung unterblieb.


Drittes Stuͤck.
I. 1-14.

Wird 1) von einem Manne erzaͤhlt, der die Erinnerung seines Zustandes waͤhrend einer fuͤnfwoͤchentlichen Krankheit aus dem Bewustseyn gaͤnzlich verloren hatte, so daß die letzte Vorstellung, die diesem Zustande vorhergieng, die erste war, die auf denselben folgte.

2) Ein Schullehrer in .... hatte mehrere Wochen an einem hitzigen Fieber darnieder gelegen, sein Tod schien unvermeidlich. Er starb endlich nach der Meinung der Umstehenden wirklich. Man legte ihn in einer Kammer aufs Stroh. Man bestellte einen Sarg. Nachdem dieser herbeigeschaft worden war, gieng man in gedachte Kammer, um den Todten in den Sarg zu bringen. Aber wie wurde man nicht erstaunt, als man ihn voͤllig angezogen sein gewoͤhnliches Geschaͤfte verrichtend fand: und als man alles was mit ihm waͤhrend seiner Krankheit vorgefallen war, erzaͤhlte, konnte er sich an nichts erinnern, ja nicht einmal daß er krank war. Nach einem halben Jahre erst war er im Stande, sich alles dessen zu erinnern.

3) Ein Mann hielt auf dem Geruͤste eines zu erbauenden Hauses eine Rede. Das Geruͤste stuͤrzte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0062" n="62"/><lb/>
            <p>Nach und                         nach verschwand dieser grausame Gedanke, und die Ausfu&#x0364;hrung                         unterblieb.</p>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Drittes Stu&#x0364;ck.</head><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">I</hi>. 1-14. </head><lb/>
            <p>Wird 1) von einem Manne erza&#x0364;hlt,                         der die Erinnerung seines Zustandes wa&#x0364;hrend einer fu&#x0364;nfwo&#x0364;chentlichen                         Krankheit aus dem Bewustseyn ga&#x0364;nzlich verloren hatte, so daß die letzte                         Vorstellung, die diesem Zustande vorhergieng, die erste war, die auf                         denselben folgte.</p>
            <p>2) Ein Schullehrer in .... hatte mehrere Wochen an                         einem hitzigen Fieber darnieder gelegen, sein Tod schien unvermeidlich. Er                         starb endlich nach der Meinung der Umstehenden wirklich. Man legte ihn in                         einer Kammer aufs Stroh. Man bestellte einen Sarg. Nachdem dieser                         herbeigeschaft worden war, gieng man in <choice><corr>gedachte                                 </corr><sic>gedachter</sic></choice> Kammer, um den Todten in                         den Sarg zu bringen. Aber wie wurde man nicht erstaunt, als man ihn vo&#x0364;llig                         angezogen sein gewo&#x0364;hnliches Gescha&#x0364;fte verrichtend fand: und als man alles                         was mit ihm wa&#x0364;hrend seiner Krankheit vorgefallen war, erza&#x0364;hlte, konnte er                         sich an nichts erinnern, ja nicht einmal daß er krank war. Nach einem halben                         Jahre erst war er im Stande, sich alles dessen zu erinnern.</p>
            <p>3) Ein                         Mann hielt auf dem Geru&#x0364;ste eines zu erbauenden Hauses eine Rede. Das Geru&#x0364;ste                         stu&#x0364;rzte<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0062] Nach und nach verschwand dieser grausame Gedanke, und die Ausfuͤhrung unterblieb. Drittes Stuͤck. I. 1-14. Wird 1) von einem Manne erzaͤhlt, der die Erinnerung seines Zustandes waͤhrend einer fuͤnfwoͤchentlichen Krankheit aus dem Bewustseyn gaͤnzlich verloren hatte, so daß die letzte Vorstellung, die diesem Zustande vorhergieng, die erste war, die auf denselben folgte. 2) Ein Schullehrer in .... hatte mehrere Wochen an einem hitzigen Fieber darnieder gelegen, sein Tod schien unvermeidlich. Er starb endlich nach der Meinung der Umstehenden wirklich. Man legte ihn in einer Kammer aufs Stroh. Man bestellte einen Sarg. Nachdem dieser herbeigeschaft worden war, gieng man in gedachte Kammer, um den Todten in den Sarg zu bringen. Aber wie wurde man nicht erstaunt, als man ihn voͤllig angezogen sein gewoͤhnliches Geschaͤfte verrichtend fand: und als man alles was mit ihm waͤhrend seiner Krankheit vorgefallen war, erzaͤhlte, konnte er sich an nichts erinnern, ja nicht einmal daß er krank war. Nach einem halben Jahre erst war er im Stande, sich alles dessen zu erinnern. 3) Ein Mann hielt auf dem Geruͤste eines zu erbauenden Hauses eine Rede. Das Geruͤste stuͤrzte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/62
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/62>, abgerufen am 02.05.2024.