Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.Vorstellung ist diejenige Veränderung des Gemüths, wovon ein Bewustseyn möglich ist, d.h. die ich auf ein (vorstellendes) Subjekt, und auf ein (vorgestelltes) Objekt beziehen kann. Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht das Bewustseyn aus. Das was bezogen wird, ist Vorstellung. Es giebt also keine Vorstellung ohne Bewustseyn. Jch bemerkte hierüber, daß die Erklärung des Bewustseyns zu enge ist. Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht nicht ein einziges, sondern fünferlei Bewustseyn aus. Das Bewustseyn überhaupt ist die allgemeinste Form oder Bedingung alles besondern Bewustseyns, das zwar nicht durch innere Merkmale gedacht, aber dennoch in einem jeden bestimmten Bewustseyn vorausgesetzt werden muß. Die Erklärung von Vorstellung weicht gleichfalls vom Sprachgebrauche ab. Diesem Zufolge ist Vorstellung dasjenige, das sich als Theil eines Ganzen, oder als Merkmal auf dasselbe bezieht. Es kann also nicht alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist, Vorstellung heißen. Psychologische Erklärung der Erscheinung, daß wir alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist (auch ohne daß es je als Merkmal eines reellen Objekts gedacht worden) aufs Objekt beziehen. Eine jede Vorstellung besteht auf einem Stof und einer Form. Jener macht die Beziehung der Vorstellung aufs Objekt; diese die Vorstellung ist diejenige Veraͤnderung des Gemuͤths, wovon ein Bewustseyn moͤglich ist, d.h. die ich auf ein (vorstellendes) Subjekt, und auf ein (vorgestelltes) Objekt beziehen kann. Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht das Bewustseyn aus. Das was bezogen wird, ist Vorstellung. Es giebt also keine Vorstellung ohne Bewustseyn. Jch bemerkte hieruͤber, daß die Erklaͤrung des Bewustseyns zu enge ist. Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht nicht ein einziges, sondern fuͤnferlei Bewustseyn aus. Das Bewustseyn uͤberhaupt ist die allgemeinste Form oder Bedingung alles besondern Bewustseyns, das zwar nicht durch innere Merkmale gedacht, aber dennoch in einem jeden bestimmten Bewustseyn vorausgesetzt werden muß. Die Erklaͤrung von Vorstellung weicht gleichfalls vom Sprachgebrauche ab. Diesem Zufolge ist Vorstellung dasjenige, das sich als Theil eines Ganzen, oder als Merkmal auf dasselbe bezieht. Es kann also nicht alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist, Vorstellung heißen. Psychologische Erklaͤrung der Erscheinung, daß wir alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist (auch ohne daß es je als Merkmal eines reellen Objekts gedacht worden) aufs Objekt beziehen. Eine jede Vorstellung besteht auf einem Stof und einer Form. Jener macht die Beziehung der Vorstellung aufs Objekt; diese die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0138" n="138"/><lb/> <p><hi rendition="#b">Vorstellung</hi> ist diejenige Veraͤnderung des Gemuͤths, wovon ein Bewustseyn moͤglich ist, d.h. die ich auf ein (vorstellendes) Subjekt, und auf ein (vorgestelltes) Objekt beziehen kann.</p> <p>Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht das <hi rendition="#b">Bewustseyn</hi> aus. Das was bezogen wird, ist <hi rendition="#b">Vorstellung.</hi> Es giebt also keine <hi rendition="#b">Vorstellung</hi> ohne <hi rendition="#b">Bewustseyn.</hi></p> <p>Jch bemerkte hieruͤber, daß die Erklaͤrung des <hi rendition="#b">Bewustseyns</hi> zu enge ist. Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht nicht ein einziges, sondern fuͤnferlei <hi rendition="#b">Bewustseyn</hi> aus. Das <hi rendition="#b">Bewustseyn</hi> uͤberhaupt ist die allgemeinste Form oder Bedingung alles besondern Bewustseyns, das zwar nicht durch innere Merkmale <hi rendition="#b">gedacht,</hi> aber dennoch in einem jeden bestimmten Bewustseyn <hi rendition="#b">vorausgesetzt</hi> werden muß.</p> <p>Die Erklaͤrung von <hi rendition="#b">Vorstellung</hi> weicht gleichfalls vom Sprachgebrauche ab. Diesem Zufolge ist Vorstellung dasjenige, das sich als Theil eines Ganzen, oder als Merkmal auf dasselbe bezieht. Es kann also nicht alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist, Vorstellung heißen. Psychologische Erklaͤrung der Erscheinung, daß wir alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist (auch ohne daß es je als Merkmal eines reellen Objekts gedacht worden) aufs Objekt beziehen. Eine jede Vorstellung besteht auf einem <hi rendition="#b">Stof</hi> und einer <hi rendition="#b">Form.</hi> <choice><corr>Jener</corr><sic>Jenes</sic></choice> macht die Beziehung der Vorstellung aufs Objekt; diese die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0138]
Vorstellung ist diejenige Veraͤnderung des Gemuͤths, wovon ein Bewustseyn moͤglich ist, d.h. die ich auf ein (vorstellendes) Subjekt, und auf ein (vorgestelltes) Objekt beziehen kann.
Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht das Bewustseyn aus. Das was bezogen wird, ist Vorstellung. Es giebt also keine Vorstellung ohne Bewustseyn.
Jch bemerkte hieruͤber, daß die Erklaͤrung des Bewustseyns zu enge ist. Das wirkliche Beziehen einer Vorstellung auf ihr Objekt und Subjekt macht nicht ein einziges, sondern fuͤnferlei Bewustseyn aus. Das Bewustseyn uͤberhaupt ist die allgemeinste Form oder Bedingung alles besondern Bewustseyns, das zwar nicht durch innere Merkmale gedacht, aber dennoch in einem jeden bestimmten Bewustseyn vorausgesetzt werden muß.
Die Erklaͤrung von Vorstellung weicht gleichfalls vom Sprachgebrauche ab. Diesem Zufolge ist Vorstellung dasjenige, das sich als Theil eines Ganzen, oder als Merkmal auf dasselbe bezieht. Es kann also nicht alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist, Vorstellung heißen. Psychologische Erklaͤrung der Erscheinung, daß wir alles, was im Bewustseyn anzutreffen ist (auch ohne daß es je als Merkmal eines reellen Objekts gedacht worden) aufs Objekt beziehen. Eine jede Vorstellung besteht auf einem Stof und einer Form. Jener macht die Beziehung der Vorstellung aufs Objekt; diese die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |