Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
S. M. Die Fortschritte des Verstandes und der Vernunft werden durch die Bilder oder Anschauungen, die das Denken begleiten, zum Theil befördert, zum Theil aber auch gehindert. Befördert, weil die Anschauungen die Beweise von der Möglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich führen. Gehindert, weil die Bilder und Anschauungen unsere Aufmerksamkeit zu sehr auf sich ziehen, und wir so lange bei ihnen verweilen, bis uns die Verbindung der vorhergegangenen Jdeen, der Zweck weswegen
S. M. Die Fortschritte des Verstandes und der Vernunft werden durch die Bilder oder Anschauungen, die das Denken begleiten, zum Theil befoͤrdert, zum Theil aber auch gehindert. Befoͤrdert, weil die Anschauungen die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhren. Gehindert, weil die Bilder und Anschauungen unsere Aufmerksamkeit zu sehr auf sich ziehen, und wir so lange bei ihnen verweilen, bis uns die Verbindung der vorhergegangenen Jdeen, der Zweck weswegen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0133" n="133"/><lb/> hervorbringt, die die vor unsern Augen vorgefallne Begebenheit selbst in uns hervorbringen wuͤrde; man mag zwischen den Szenen (oder auch waͤhrend derselben) noch so sehr die ganze Vorstellung fuͤr ein bloßes Spiel der dichterischen Einbildungskraft, d.h. fuͤr eine bloße Vorstellung halten, so kann man doch nicht umhin, sie waͤhrend der Vorstellung fuͤr etwas Wirkliches zu halten. Wenn jemanden traͤumt, er schlafe bei einer huͤbschen Frau, so hat er wahrlich guten Grund dieses fuͤr wirklich zu halten, nicht weil er uͤber diese Wirklichkeit <hi rendition="#b">urtheilt,</hi> sondern weil er sie, durch ihre Wirkung, <hi rendition="#b">empfindet.</hi> Und ich bin uͤberzeugt, selbst der Philosoph, der die Erzeugung der Vorstellungen auseinander, nach den Gesetzen der Assoziation, recht gut kennt, wuͤrde, wenn eine solche Vorstellung mit der erforderlichen Lebhaftigkeit sich an seine Reihe anschließen sollte, dieselbe nicht anders als fuͤr wirklich halten koͤnnen. —</p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"> <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>S. M.</persName> </hi> </p> <p>Die Fortschritte des Verstandes und der Vernunft werden durch die Bilder oder Anschauungen, die <choice><corr>das</corr><sic>dem</sic></choice> Denken begleiten, zum Theil befoͤrdert, zum Theil aber auch gehindert. Befoͤrdert, weil die Anschauungen die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhren. Gehindert, weil die Bilder und Anschauungen unsere Aufmerksamkeit zu sehr auf sich ziehen, und wir so lange bei ihnen verweilen, bis uns die Verbindung der vorhergegangenen Jdeen, der Zweck weswegen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0133]
hervorbringt, die die vor unsern Augen vorgefallne Begebenheit selbst in uns hervorbringen wuͤrde; man mag zwischen den Szenen (oder auch waͤhrend derselben) noch so sehr die ganze Vorstellung fuͤr ein bloßes Spiel der dichterischen Einbildungskraft, d.h. fuͤr eine bloße Vorstellung halten, so kann man doch nicht umhin, sie waͤhrend der Vorstellung fuͤr etwas Wirkliches zu halten. Wenn jemanden traͤumt, er schlafe bei einer huͤbschen Frau, so hat er wahrlich guten Grund dieses fuͤr wirklich zu halten, nicht weil er uͤber diese Wirklichkeit urtheilt, sondern weil er sie, durch ihre Wirkung, empfindet. Und ich bin uͤberzeugt, selbst der Philosoph, der die Erzeugung der Vorstellungen auseinander, nach den Gesetzen der Assoziation, recht gut kennt, wuͤrde, wenn eine solche Vorstellung mit der erforderlichen Lebhaftigkeit sich an seine Reihe anschließen sollte, dieselbe nicht anders als fuͤr wirklich halten koͤnnen. —
S. M.
Die Fortschritte des Verstandes und der Vernunft werden durch die Bilder oder Anschauungen, die das Denken begleiten, zum Theil befoͤrdert, zum Theil aber auch gehindert. Befoͤrdert, weil die Anschauungen die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhren. Gehindert, weil die Bilder und Anschauungen unsere Aufmerksamkeit zu sehr auf sich ziehen, und wir so lange bei ihnen verweilen, bis uns die Verbindung der vorhergegangenen Jdeen, der Zweck weswegen
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