Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


bedarf ich jetzt noch! Jch bin überschwenglich glücklich. Oft wenn ich so vor mir hinsehe, so treten mir Thränen in die Augen, ohne daß ich sagen kann warum? und meine Hände falten sich unwillkührlich. -- Jn meinem kleinen netten Stübchen mit meinen Büchern allein, von niemand getrennt noch gestört, verdien' ich mir mit Seelenruhe ehrlich mein Brod, und sammle mir Kenntnisse, die mich einst, -- guter Gott! -- die mich einst würdig machen, um ihre Hand zu werben; und Abends, wenn ich mich müde geschrieben und gelesen habe, wenn nun mein Herz auch Nahrung heischt, dann schleich' ich zu Jhr, zu meiner meiner Ludwine, die mir einen Himmel in die Brust küßt, und schlafe dann ruhig in sanfter seliger Fantasie ein, bis mich ein neuer glücklicher Tag weckt. -- Ach Gott! Laß mir das alles! Laß mich nicht wieder sinken mein Vater!

O ich muß hinaus ins Freie! Hier erstickt mich das Gefühl meiner Seligkeit.

Ja! es ist mir ganz wohl. Jch fühle daß ich lebe, alle meine Kräfte sind in Thätigkeit, und gewähren mir Freude an mir selbst und inniges Wohlseyn. Auch -- sonderbar! -- seit gestern fängt mir meine Vergangenheit wieder an lieb zu werden. W*** und G*** -- Orte wo ich


bedarf ich jetzt noch! Jch bin uͤberschwenglich gluͤcklich. Oft wenn ich so vor mir hinsehe, so treten mir Thraͤnen in die Augen, ohne daß ich sagen kann warum? und meine Haͤnde falten sich unwillkuͤhrlich. — Jn meinem kleinen netten Stuͤbchen mit meinen Buͤchern allein, von niemand getrennt noch gestoͤrt, verdien' ich mir mit Seelenruhe ehrlich mein Brod, und sammle mir Kenntnisse, die mich einst, — guter Gott! — die mich einst wuͤrdig machen, um ihre Hand zu werben; und Abends, wenn ich mich muͤde geschrieben und gelesen habe, wenn nun mein Herz auch Nahrung heischt, dann schleich' ich zu Jhr, zu meiner meiner Ludwine, die mir einen Himmel in die Brust kuͤßt, und schlafe dann ruhig in sanfter seliger Fantasie ein, bis mich ein neuer gluͤcklicher Tag weckt. — Ach Gott! Laß mir das alles! Laß mich nicht wieder sinken mein Vater!

O ich muß hinaus ins Freie! Hier erstickt mich das Gefuͤhl meiner Seligkeit.

Ja! es ist mir ganz wohl. Jch fuͤhle daß ich lebe, alle meine Kraͤfte sind in Thaͤtigkeit, und gewaͤhren mir Freude an mir selbst und inniges Wohlseyn. Auch — sonderbar! — seit gestern faͤngt mir meine Vergangenheit wieder an lieb zu werden. W*** und G*** — Orte wo ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0094" n="94"/><lb/>
bedarf                         ich jetzt noch! Jch bin u&#x0364;berschwenglich glu&#x0364;cklich. Oft wenn ich so vor mir                         hinsehe, so treten mir Thra&#x0364;nen in die Augen, ohne daß ich sagen kann warum?                         und meine Ha&#x0364;nde falten sich unwillku&#x0364;hrlich. &#x2014; Jn meinem kleinen netten                         Stu&#x0364;bchen mit meinen Bu&#x0364;chern allein, von niemand getrennt noch gesto&#x0364;rt,                         verdien' ich mir mit Seelenruhe ehrlich mein Brod, und sammle mir                         Kenntnisse, die mich einst, &#x2014; guter Gott! &#x2014; die mich einst wu&#x0364;rdig machen, um                         ihre Hand zu werben; und Abends, wenn ich mich mu&#x0364;de geschrieben und gelesen                         habe, wenn nun mein Herz auch Nahrung heischt, dann schleich' ich zu Jhr, zu                         meiner meiner Ludwine, die mir einen Himmel in die Brust ku&#x0364;ßt, und schlafe                         dann ruhig in sanfter seliger Fantasie ein, bis mich ein neuer glu&#x0364;cklicher                         Tag weckt. &#x2014; Ach Gott! Laß mir das alles! Laß mich nicht wieder sinken mein                         Vater!</p>
              <p>O ich muß hinaus ins Freie! Hier erstickt mich das Gefu&#x0364;hl meiner                         Seligkeit.</p>
            </div>
            <div n="4">
              <opener>
                <dateline> <hi rendition="#right">am 22. Junius.</hi> </dateline>
              </opener>
              <p>Ja! es ist mir ganz wohl. Jch fu&#x0364;hle daß ich lebe, alle                         meine Kra&#x0364;fte sind in Tha&#x0364;tigkeit, und gewa&#x0364;hren mir Freude an mir selbst und                         inniges Wohlseyn. Auch &#x2014; sonderbar! &#x2014; seit gestern fa&#x0364;ngt mir meine                         Vergangenheit wieder an lieb zu werden. W*** und G*** &#x2014; Orte wo ich<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0094] bedarf ich jetzt noch! Jch bin uͤberschwenglich gluͤcklich. Oft wenn ich so vor mir hinsehe, so treten mir Thraͤnen in die Augen, ohne daß ich sagen kann warum? und meine Haͤnde falten sich unwillkuͤhrlich. — Jn meinem kleinen netten Stuͤbchen mit meinen Buͤchern allein, von niemand getrennt noch gestoͤrt, verdien' ich mir mit Seelenruhe ehrlich mein Brod, und sammle mir Kenntnisse, die mich einst, — guter Gott! — die mich einst wuͤrdig machen, um ihre Hand zu werben; und Abends, wenn ich mich muͤde geschrieben und gelesen habe, wenn nun mein Herz auch Nahrung heischt, dann schleich' ich zu Jhr, zu meiner meiner Ludwine, die mir einen Himmel in die Brust kuͤßt, und schlafe dann ruhig in sanfter seliger Fantasie ein, bis mich ein neuer gluͤcklicher Tag weckt. — Ach Gott! Laß mir das alles! Laß mich nicht wieder sinken mein Vater! O ich muß hinaus ins Freie! Hier erstickt mich das Gefuͤhl meiner Seligkeit. am 22. Junius. Ja! es ist mir ganz wohl. Jch fuͤhle daß ich lebe, alle meine Kraͤfte sind in Thaͤtigkeit, und gewaͤhren mir Freude an mir selbst und inniges Wohlseyn. Auch — sonderbar! — seit gestern faͤngt mir meine Vergangenheit wieder an lieb zu werden. W*** und G*** — Orte wo ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/94
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/94>, abgerufen am 09.11.2024.