Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0090" n="90"/><lb/> lichen Rollischen Melodie. Jch haͤtte nur noch Loͤwen und aller Thiere frolockend Gebruͤll da um mich haben moͤgen, und so im vollen Chor hinauf jubeln: Lobt den Herrn! — So war Adams erstes Erwachen! — O Vater! warum duͤrfen wir nicht immer so an dem Busen der Natur liegen, und deine Herrlichkeit einschluͤrfen, und im Genuß unsrer Menschheit gluͤcklich seyn? — — Es war eine selige, selige Stunde meines Lebens. Jch fuͤhlte, daß mein Herz noch des Gluͤcks der Unschuld faͤhig sey. Thoren, die wir sind, sagt' ich, keiner ist, der nicht in seinem Herzen die Tugend ehren muͤsse, auch in seiner <choice><corr>schmerzendsten</corr><sic>schmerzesten</sic></choice> Stunde, keiner der nicht fuͤhlt: Das ist Tugend und dies Laster, so gut wie das Schoͤne und das Haͤßliche, und doch thun wir als sey Sie uns wildfremd, weil unsere Vernunft ihr Wesen nicht begreift, so wenig, wie das Gesetz der Schoͤnheit, verhaͤrten uns gegen Sie, als sey Sie unsere Feindin, und setzen Jhr elende Chikanen des Verstandes entgegen, indessen Sie ganz allein auf unser Herz Anspruͤche macht. Nein! Nein dieses Gefuͤhl, das sich jetzt so selig uͤber mich ergießt, will ich heilig bewahren, und wenn meine berauschte Sinne mir es rauben wollen, dann will ich diese Stunde meiner Seele zuruͤckrufen, und hier die Wahrheit wieder finden. — Gott! und wenn Sie mich liebt, dann soll Sie auf diesem Wege zur stillen kindlichen Gluͤckseligkeit meine Gefaͤhrtin seyn. Jch will zu Jhr sprechen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0090]
lichen Rollischen Melodie. Jch haͤtte nur noch Loͤwen und aller Thiere frolockend Gebruͤll da um mich haben moͤgen, und so im vollen Chor hinauf jubeln: Lobt den Herrn! — So war Adams erstes Erwachen! — O Vater! warum duͤrfen wir nicht immer so an dem Busen der Natur liegen, und deine Herrlichkeit einschluͤrfen, und im Genuß unsrer Menschheit gluͤcklich seyn? — — Es war eine selige, selige Stunde meines Lebens. Jch fuͤhlte, daß mein Herz noch des Gluͤcks der Unschuld faͤhig sey. Thoren, die wir sind, sagt' ich, keiner ist, der nicht in seinem Herzen die Tugend ehren muͤsse, auch in seiner schmerzendsten Stunde, keiner der nicht fuͤhlt: Das ist Tugend und dies Laster, so gut wie das Schoͤne und das Haͤßliche, und doch thun wir als sey Sie uns wildfremd, weil unsere Vernunft ihr Wesen nicht begreift, so wenig, wie das Gesetz der Schoͤnheit, verhaͤrten uns gegen Sie, als sey Sie unsere Feindin, und setzen Jhr elende Chikanen des Verstandes entgegen, indessen Sie ganz allein auf unser Herz Anspruͤche macht. Nein! Nein dieses Gefuͤhl, das sich jetzt so selig uͤber mich ergießt, will ich heilig bewahren, und wenn meine berauschte Sinne mir es rauben wollen, dann will ich diese Stunde meiner Seele zuruͤckrufen, und hier die Wahrheit wieder finden. — Gott! und wenn Sie mich liebt, dann soll Sie auf diesem Wege zur stillen kindlichen Gluͤckseligkeit meine Gefaͤhrtin seyn. Jch will zu Jhr sprechen
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