Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
Die Materie muß nothwendig als Subjekt und die Form als Prädikat betrachtet werden, weil die Form blos in der Materie, diese hingegen auch ohne die Form vorstellbar ist. So wie z.B. in einem Dreieck Raum als Subjekt, und die drei Linien worin es eingeschlossen ist, als Prädikat, aber nicht umgekehrt betrachtet werden muß, weil Raum auch an sich ohne Bestimmung der drei Linien, diese aber nicht ohne Raum vorstellbar sind. "Wirklich muß man in diesen Jrrthum gerathen, wenn man nur eine zufällige Form, eine Form der zweiten Gattung, und nicht jene nothwendige, ewige und erste, welche aller Formen Form und Quelle ist, erkennt, die wir mit den Pythagoräern das Leben und die Seele der Welt genannt haben. Aber diese erste allgemeine Form, und jene erste allgemeine Materie: wie sind sie vereinigt, unzertrennlich; verschieden -- und dennoch nur Ein Wesen? Dieses Räthsel müssen wir nun aufzulösen suchen. Das Prinzip, welches Materie heißt, kann auf zweierlei Weise betrachtet werden. Einmal, als Potenz; hernach, als Subjekt. Wenn wir sie als Potenz betrachten, fallen alle mögliche Wesen auf eine gewisse Weise unter ihren Begriff; und die Pythagoräer, Platoniker, Stoiker und andere haben sie aus dieser Ursache nicht weniger zu den
Die Materie muß nothwendig als Subjekt und die Form als Praͤdikat betrachtet werden, weil die Form blos in der Materie, diese hingegen auch ohne die Form vorstellbar ist. So wie z.B. in einem Dreieck Raum als Subjekt, und die drei Linien worin es eingeschlossen ist, als Praͤdikat, aber nicht umgekehrt betrachtet werden muß, weil Raum auch an sich ohne Bestimmung der drei Linien, diese aber nicht ohne Raum vorstellbar sind. »Wirklich muß man in diesen Jrrthum gerathen, wenn man nur eine zufaͤllige Form, eine Form der zweiten Gattung, und nicht jene nothwendige, ewige und erste, welche aller Formen Form und Quelle ist, erkennt, die wir mit den Pythagoraͤern das Leben und die Seele der Welt genannt haben. Aber diese erste allgemeine Form, und jene erste allgemeine Materie: wie sind sie vereinigt, unzertrennlich; verschieden — und dennoch nur Ein Wesen? Dieses Raͤthsel muͤssen wir nun aufzuloͤsen suchen. Das Prinzip, welches Materie heißt, kann auf zweierlei Weise betrachtet werden. Einmal, als Potenz; hernach, als Subjekt. Wenn wir sie als Potenz betrachten, fallen alle moͤgliche Wesen auf eine gewisse Weise unter ihren Begriff; und die Pythagoraͤer, Platoniker, Stoiker und andere haben sie aus dieser Ursache nicht weniger zu den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0075" n="75"/><lb/> der Peripatetische Maure Avikab zugethan, der sie den Gott nennt, in welchem alle Dinge sind.«</p> <p>Die Materie muß nothwendig als <hi rendition="#b">Subjekt</hi> und die Form als Praͤdikat betrachtet werden, weil die Form blos in der Materie, diese hingegen auch ohne die Form vorstellbar ist. So wie z.B. in einem Dreieck Raum als Subjekt, und die drei Linien worin es eingeschlossen ist, als Praͤdikat, aber nicht umgekehrt betrachtet werden muß, weil Raum auch an sich ohne Bestimmung der drei Linien, diese aber nicht ohne Raum vorstellbar sind.</p> <p>»Wirklich muß man in diesen Jrrthum gerathen, wenn man nur eine zufaͤllige Form, eine Form der zweiten Gattung, und nicht jene nothwendige, ewige und erste, welche aller Formen Form und Quelle ist, erkennt, die wir mit den Pythagoraͤern das Leben und die Seele der Welt genannt haben.</p> <p>Aber diese erste allgemeine Form, und jene erste allgemeine Materie: wie sind sie vereinigt, unzertrennlich; verschieden — und dennoch nur Ein Wesen? Dieses Raͤthsel muͤssen wir nun aufzuloͤsen suchen.</p> <p>Das Prinzip, welches Materie heißt, kann auf zweierlei Weise betrachtet werden. Einmal, als Potenz; hernach, als Subjekt. Wenn wir sie als Potenz betrachten, fallen alle moͤgliche Wesen auf eine gewisse Weise unter ihren Begriff; und die Pythagoraͤer, Platoniker, Stoiker und andere haben sie aus dieser Ursache nicht weniger zu den<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0075]
der Peripatetische Maure Avikab zugethan, der sie den Gott nennt, in welchem alle Dinge sind.«
Die Materie muß nothwendig als Subjekt und die Form als Praͤdikat betrachtet werden, weil die Form blos in der Materie, diese hingegen auch ohne die Form vorstellbar ist. So wie z.B. in einem Dreieck Raum als Subjekt, und die drei Linien worin es eingeschlossen ist, als Praͤdikat, aber nicht umgekehrt betrachtet werden muß, weil Raum auch an sich ohne Bestimmung der drei Linien, diese aber nicht ohne Raum vorstellbar sind.
»Wirklich muß man in diesen Jrrthum gerathen, wenn man nur eine zufaͤllige Form, eine Form der zweiten Gattung, und nicht jene nothwendige, ewige und erste, welche aller Formen Form und Quelle ist, erkennt, die wir mit den Pythagoraͤern das Leben und die Seele der Welt genannt haben.
Aber diese erste allgemeine Form, und jene erste allgemeine Materie: wie sind sie vereinigt, unzertrennlich; verschieden — und dennoch nur Ein Wesen? Dieses Raͤthsel muͤssen wir nun aufzuloͤsen suchen.
Das Prinzip, welches Materie heißt, kann auf zweierlei Weise betrachtet werden. Einmal, als Potenz; hernach, als Subjekt. Wenn wir sie als Potenz betrachten, fallen alle moͤgliche Wesen auf eine gewisse Weise unter ihren Begriff; und die Pythagoraͤer, Platoniker, Stoiker und andere haben sie aus dieser Ursache nicht weniger zu den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |