Ankläger, lauter Verdammungsurtheile; kein Vertheidiger, kein Entschuldiger! Mir bleibt nichts übrig als zuweilen, wenns zu viel wird, wenn das Maas meiner Quaalen überläuft, in meiner Verzweiflung, wie Herkules in die Flammen mich zu werfen, und mein Martern hinweg zu martern. Herkules! -- Ja ich bin gewiß so überzeugt wie er, daß dies Leben für mich nicht taugt; aber hätt' ich auch seine Entschließung! -- Doch ist es warlich nicht Furcht vor dem Tode die mich abhält. Wahrlich nicht! Aber -- soll ich denn wie ein Polyp aus diesem Leben hinausgehen? Soll ich gar kein Andenken mitnehmen und zurücklassen? Hu! Vergessen! wer den Tod wünscht, der wünscht darum keine Vernichtung. Jm Grunde ist es doch nur die Hoffnung seine gegenwärtige drückende Verhältnisse -- wenigstens zu verwechseln. Aber vergessen, weggetilgt seyn, das ist dem menschlichen Geiste so unerträglich wie die Leere: er kann und mag sie nicht denken.
Wohl, ich will jede That begierig aufhaschen, wie ich als selbstständiges Jch handeln kann, mich in alle Begebenheiten einmischen, jeder Gefahr meine Brust bieten. Vielleicht begrab' ich mich denn einmal unter den Ruinen einer meiner Unternehmungen; und, wird das Auge der Liebe mein Grab gleich nie benetzen, so sollen sie doch sagen müssen: Hier liegt er!
Anklaͤger, lauter Verdammungsurtheile; kein Vertheidiger, kein Entschuldiger! Mir bleibt nichts uͤbrig als zuweilen, wenns zu viel wird, wenn das Maas meiner Quaalen uͤberlaͤuft, in meiner Verzweiflung, wie Herkules in die Flammen mich zu werfen, und mein Martern hinweg zu martern. Herkules! — Ja ich bin gewiß so uͤberzeugt wie er, daß dies Leben fuͤr mich nicht taugt; aber haͤtt' ich auch seine Entschließung! — Doch ist es warlich nicht Furcht vor dem Tode die mich abhaͤlt. Wahrlich nicht! Aber — soll ich denn wie ein Polyp aus diesem Leben hinausgehen? Soll ich gar kein Andenken mitnehmen und zuruͤcklassen? Hu! Vergessen! wer den Tod wuͤnscht, der wuͤnscht darum keine Vernichtung. Jm Grunde ist es doch nur die Hoffnung seine gegenwaͤrtige druͤckende Verhaͤltnisse — wenigstens zu verwechseln. Aber vergessen, weggetilgt seyn, das ist dem menschlichen Geiste so unertraͤglich wie die Leere: er kann und mag sie nicht denken.
Wohl, ich will jede That begierig aufhaschen, wie ich als selbststaͤndiges Jch handeln kann, mich in alle Begebenheiten einmischen, jeder Gefahr meine Brust bieten. Vielleicht begrab' ich mich denn einmal unter den Ruinen einer meiner Unternehmungen; und, wird das Auge der Liebe mein Grab gleich nie benetzen, so sollen sie doch sagen muͤssen: Hier liegt er!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0083"n="81"/><lb/>
Anklaͤger, lauter Verdammungsurtheile; kein Vertheidiger, kein Entschuldiger! Mir bleibt nichts uͤbrig als zuweilen, wenns zu viel wird, wenn das Maas meiner Quaalen uͤberlaͤuft, in meiner Verzweiflung, wie Herkules in die Flammen mich zu werfen, und mein Martern hinweg zu martern. Herkules! — Ja ich bin gewiß so uͤberzeugt wie er, daß dies Leben fuͤr mich nicht taugt; aber haͤtt' ich auch seine Entschließung! — Doch ist es warlich nicht Furcht vor dem Tode die mich abhaͤlt. Wahrlich nicht! Aber — soll ich denn wie ein Polyp aus diesem Leben hinausgehen? Soll ich gar kein Andenken mitnehmen und zuruͤcklassen? Hu! Vergessen! wer den Tod wuͤnscht, der wuͤnscht darum keine Vernichtung. Jm Grunde ist es doch nur die Hoffnung seine gegenwaͤrtige druͤckende Verhaͤltnisse — wenigstens zu verwechseln. Aber vergessen, weggetilgt seyn, das ist dem menschlichen Geiste so unertraͤglich wie die Leere: er kann und mag sie nicht denken. </p><p>Wohl, ich will jede That begierig aufhaschen, wie ich als selbststaͤndiges <hirendition="#b">Jch</hi> handeln kann, mich in alle Begebenheiten einmischen, jeder Gefahr meine Brust bieten. Vielleicht begrab' ich mich denn einmal unter den Ruinen einer meiner Unternehmungen; und, wird das Auge der Liebe mein Grab gleich nie benetzen, so sollen sie doch sagen muͤssen: Hier liegt er!</p></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></div></div></body></text></TEI>
[81/0083]
Anklaͤger, lauter Verdammungsurtheile; kein Vertheidiger, kein Entschuldiger! Mir bleibt nichts uͤbrig als zuweilen, wenns zu viel wird, wenn das Maas meiner Quaalen uͤberlaͤuft, in meiner Verzweiflung, wie Herkules in die Flammen mich zu werfen, und mein Martern hinweg zu martern. Herkules! — Ja ich bin gewiß so uͤberzeugt wie er, daß dies Leben fuͤr mich nicht taugt; aber haͤtt' ich auch seine Entschließung! — Doch ist es warlich nicht Furcht vor dem Tode die mich abhaͤlt. Wahrlich nicht! Aber — soll ich denn wie ein Polyp aus diesem Leben hinausgehen? Soll ich gar kein Andenken mitnehmen und zuruͤcklassen? Hu! Vergessen! wer den Tod wuͤnscht, der wuͤnscht darum keine Vernichtung. Jm Grunde ist es doch nur die Hoffnung seine gegenwaͤrtige druͤckende Verhaͤltnisse — wenigstens zu verwechseln. Aber vergessen, weggetilgt seyn, das ist dem menschlichen Geiste so unertraͤglich wie die Leere: er kann und mag sie nicht denken.
Wohl, ich will jede That begierig aufhaschen, wie ich als selbststaͤndiges Jch handeln kann, mich in alle Begebenheiten einmischen, jeder Gefahr meine Brust bieten. Vielleicht begrab' ich mich denn einmal unter den Ruinen einer meiner Unternehmungen; und, wird das Auge der Liebe mein Grab gleich nie benetzen, so sollen sie doch sagen muͤssen: Hier liegt er!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.
Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/83>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.