und finden zwar unzählige wohlthätig großes Glück -- und schlummern in behaglicher Selbstgenügsamkeit. Allein mich oft getäuscht wissen und glücklich fühlen, möcht ich nicht feine Seele nennen, sondern verdorbenes Gefühl, das sich an jedes rauschende Blatt anhakt, zu viel Reiz hat, oft lästig ist, und mißmüthig macht; andern leicht unerträglich und lächerlich wird, und uns gefährlich werden kann. Z.B. zu zärtliche Romane, Schooshündchen, Püpchen, und dergl. feine Sächelchen, die nach einer höhern Sphäre riechen, welche einem Traumgespinst vom übermäßigen Genuß des Weins erzeugt, gleicht, das mit seinem Entstehen zerflattert. Jch war auch angesteckt mit Schaden für diese, zum Glück für eine bessere Welt aber glücklich geheilet. Bald hätte ich den holen Todtensang vergessen. Sie schwiegen -- vermuthlich aus hungriger Bedürfniß, und mit diesem Gedanken zerrann mein süßer Wahn. Um aber der ungewohnten Herbstkühle, ein schwach linderndes Mittel entgegen zu setzen, ließ ich meine Phantasie spielen, und reimte folgende Worte zu jenem würklich einschneidenden melancholischen Gesange.
Heulet Klagen! Todessänger!Prophezeyt mir Tod und Grab.Heulet schaudernd daß es bängerSchallt ins stille Thal herab.Heulets: daß nun Tod nicht fernHeulet nur, ich hör euch gern.
und finden zwar unzaͤhlige wohlthaͤtig großes Gluͤck — und schlummern in behaglicher Selbstgenuͤgsamkeit. Allein mich oft getaͤuscht wissen und gluͤcklich fuͤhlen, moͤcht ich nicht feine Seele nennen, sondern verdorbenes Gefuͤhl, das sich an jedes rauschende Blatt anhakt, zu viel Reiz hat, oft laͤstig ist, und mißmuͤthig macht; andern leicht unertraͤglich und laͤcherlich wird, und uns gefaͤhrlich werden kann. Z.B. zu zaͤrtliche Romane, Schooshuͤndchen, Puͤpchen, und dergl. feine Saͤchelchen, die nach einer hoͤhern Sphaͤre riechen, welche einem Traumgespinst vom uͤbermaͤßigen Genuß des Weins erzeugt, gleicht, das mit seinem Entstehen zerflattert. Jch war auch angesteckt mit Schaden fuͤr diese, zum Gluͤck fuͤr eine bessere Welt aber gluͤcklich geheilet. Bald haͤtte ich den holen Todtensang vergessen. Sie schwiegen — vermuthlich aus hungriger Beduͤrfniß, und mit diesem Gedanken zerrann mein suͤßer Wahn. Um aber der ungewohnten Herbstkuͤhle, ein schwach linderndes Mittel entgegen zu setzen, ließ ich meine Phantasie spielen, und reimte folgende Worte zu jenem wuͤrklich einschneidenden melancholischen Gesange.
Heulet Klagen! Todessaͤnger!Prophezeyt mir Tod und Grab.Heulet schaudernd daß es baͤngerSchallt ins stille Thal herab.Heulets: daß nun Tod nicht fernHeulet nur, ich hoͤr euch gern.
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und finden zwar unzaͤhlige wohlthaͤtig großes Gluͤck — und schlummern in behaglicher Selbstgenuͤgsamkeit. Allein mich oft getaͤuscht wissen und gluͤcklich fuͤhlen, moͤcht ich nicht feine Seele nennen, sondern verdorbenes Gefuͤhl, das sich an jedes rauschende Blatt anhakt, zu viel Reiz hat, oft laͤstig ist, und mißmuͤthig macht; andern leicht unertraͤglich und laͤcherlich wird, und uns gefaͤhrlich werden kann. Z.B. zu zaͤrtliche Romane, Schooshuͤndchen, Puͤpchen, und dergl. feine Saͤchelchen, die nach einer hoͤhern Sphaͤre riechen, welche einem Traumgespinst vom uͤbermaͤßigen Genuß des Weins erzeugt, gleicht, das mit seinem Entstehen zerflattert. Jch war auch angesteckt mit Schaden fuͤr diese, zum Gluͤck fuͤr eine bessere Welt aber gluͤcklich geheilet. Bald haͤtte ich den holen Todtensang vergessen. Sie schwiegen — vermuthlich aus hungriger Beduͤrfniß, und mit diesem Gedanken zerrann mein suͤßer Wahn. Um aber der ungewohnten Herbstkuͤhle, ein schwach linderndes Mittel entgegen zu setzen, ließ ich meine Phantasie spielen, und reimte folgende Worte zu jenem wuͤrklich einschneidenden melancholischen Gesange.</p><lg><l>Heulet Klagen! Todessaͤnger!</l><l>Prophezeyt mir Tod und Grab.</l><l>Heulet schaudernd daß es baͤnger</l><l>Schallt ins stille Thal herab.</l><l>Heulets: daß nun Tod nicht fern</l><l>Heulet nur, ich hoͤr euch gern.</l><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
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und finden zwar unzaͤhlige wohlthaͤtig großes Gluͤck — und schlummern in behaglicher Selbstgenuͤgsamkeit. Allein mich oft getaͤuscht wissen und gluͤcklich fuͤhlen, moͤcht ich nicht feine Seele nennen, sondern verdorbenes Gefuͤhl, das sich an jedes rauschende Blatt anhakt, zu viel Reiz hat, oft laͤstig ist, und mißmuͤthig macht; andern leicht unertraͤglich und laͤcherlich wird, und uns gefaͤhrlich werden kann. Z.B. zu zaͤrtliche Romane, Schooshuͤndchen, Puͤpchen, und dergl. feine Saͤchelchen, die nach einer hoͤhern Sphaͤre riechen, welche einem Traumgespinst vom uͤbermaͤßigen Genuß des Weins erzeugt, gleicht, das mit seinem Entstehen zerflattert. Jch war auch angesteckt mit Schaden fuͤr diese, zum Gluͤck fuͤr eine bessere Welt aber gluͤcklich geheilet. Bald haͤtte ich den holen Todtensang vergessen. Sie schwiegen — vermuthlich aus hungriger Beduͤrfniß, und mit diesem Gedanken zerrann mein suͤßer Wahn. Um aber der ungewohnten Herbstkuͤhle, ein schwach linderndes Mittel entgegen zu setzen, ließ ich meine Phantasie spielen, und reimte folgende Worte zu jenem wuͤrklich einschneidenden melancholischen Gesange.
Heulet Klagen! Todessaͤnger! Prophezeyt mir Tod und Grab. Heulet schaudernd daß es baͤnger Schallt ins stille Thal herab. Heulets: daß nun Tod nicht fern Heulet nur, ich hoͤr euch gern.
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/64>, abgerufen am 17.07.2024.
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