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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL. II.
seine ungeheuren Requisitionen den befreundeten Provinzialen
fast ebenso lästig fiel wie die Corsaren. Die Erfolge waren ent-
sprechend. In den campanischen Gewässern brachte die Flotte
des Antonius zwar eine Anzahl Piratenschiffe auf; aber die Kre-
tenser, die mit den Piraten Freundschaft und Bündniss gemacht
hatten, wiesen seine Forderung von dieser Gemeinschaft abzu-
lassen schroff zurück. Es kam zum Gefecht und die Ketten, die
Antonius vorsorglich auf seinen Schiffen in Vorrath gelegt hatte
um die gefangenen Flibustier damit zu fesseln, dienten dazu
den Quästor und die übrigen römischen Gefangenen an die Ma-
sten der eroberten römischen Schiffe zu schliessen, als die ky-
doniatischen Feldherren Lasthenes und Panares aus dem bei
ihrer Insel den Römern gelieferten Seetreffen triumphirend zu-
rückkehrten. Antonius, nachdem er mit seiner leichtsinnigen
Kriegführung ungeheure Summen vergeudet und nicht das Ge-
ringste ausgerichtet hatte, starb im J. 683 auf Kreta. Theils der
schlechte Erfolg seiner Expedition, theils die Kostbarkeit des
Flottenbaus, theils der Widerwille der Oligarchie gegen jede um-
fassendere Beamtencompetenz bewirkten, dass man nach der fac-
tischen Beendigung dieser Unternehmung durch Antonius Tod
keinen Oberadmiral wieder ernannte und auf die alte Weise zu-
rückkam jeden Statthalter in seiner Provinz für die Unterdrückung
der Piraterie sorgen zu lassen; wie denn zum Beispiel die von
Lucullus hergestellte Flotte (S. 52) hiefür im aegaeischen Meer
thätig war. Indess mit den Kretern blieb noch abzurechnen; eine
Schmach wie die vor Kydonia erlittene schien doch selbst die-
sem gesunkenen Geschlecht nur durch die Kriegserklärung be-
antwortet werden zu können. Dennoch hätten die kretischen
Gesandten, die im Jahre 684 in Rom mit der Bitte erschienen
die Gefangenen zurücknehmen und das alte Bündniss wieder her-
stellen zu wollen, fast einen günstigen Senatsbeschluss erlangt;
was die ganze Corporation eine Schande nannte, das verkaufte
bereitwillig für klingenden Preis der einzelne Senator. Erst nach-
dem ein förmlicher Senatsbeschluss die Anlehen der kretischen
Gesandten bei den römischen Banquiers klaglos gestellt, das
heisst nachdem der Senat sich selber in die Unmöglichkeit ver-
setzt hatte sich bestechen zu lassen, beschloss derselbe, dass die
kretischen Gemeinden ausser den römischen Ueberläufern die
Urheber des vor Kydonia verübten Frevels, die Führer Lasthe-
nes und Panares den Römern zu geeigneter Bestrafung zu über-
geben, ferner sämmtliche Schiffe und Boote von vier oder mehr
Rudern auszuliefern, 400 Geisseln zu stellen und eine Busse von

FÜNFTES BUCH. KAPITEL. II.
seine ungeheuren Requisitionen den befreundeten Provinzialen
fast ebenso lästig fiel wie die Corsaren. Die Erfolge waren ent-
sprechend. In den campanischen Gewässern brachte die Flotte
des Antonius zwar eine Anzahl Piratenschiffe auf; aber die Kre-
tenser, die mit den Piraten Freundschaft und Bündniſs gemacht
hatten, wiesen seine Forderung von dieser Gemeinschaft abzu-
lassen schroff zurück. Es kam zum Gefecht und die Ketten, die
Antonius vorsorglich auf seinen Schiffen in Vorrath gelegt hatte
um die gefangenen Flibustier damit zu fesseln, dienten dazu
den Quästor und die übrigen römischen Gefangenen an die Ma-
sten der eroberten römischen Schiffe zu schlieſsen, als die ky-
doniatischen Feldherren Lasthenes und Panares aus dem bei
ihrer Insel den Römern gelieferten Seetreffen triumphirend zu-
rückkehrten. Antonius, nachdem er mit seiner leichtsinnigen
Kriegführung ungeheure Summen vergeudet und nicht das Ge-
ringste ausgerichtet hatte, starb im J. 683 auf Kreta. Theils der
schlechte Erfolg seiner Expedition, theils die Kostbarkeit des
Flottenbaus, theils der Widerwille der Oligarchie gegen jede um-
fassendere Beamtencompetenz bewirkten, daſs man nach der fac-
tischen Beendigung dieser Unternehmung durch Antonius Tod
keinen Oberadmiral wieder ernannte und auf die alte Weise zu-
rückkam jeden Statthalter in seiner Provinz für die Unterdrückung
der Piraterie sorgen zu lassen; wie denn zum Beispiel die von
Lucullus hergestellte Flotte (S. 52) hiefür im aegaeischen Meer
thätig war. Indeſs mit den Kretern blieb noch abzurechnen; eine
Schmach wie die vor Kydonia erlittene schien doch selbst die-
sem gesunkenen Geschlecht nur durch die Kriegserklärung be-
antwortet werden zu können. Dennoch hätten die kretischen
Gesandten, die im Jahre 684 in Rom mit der Bitte erschienen
die Gefangenen zurücknehmen und das alte Bündniſs wieder her-
stellen zu wollen, fast einen günstigen Senatsbeschluſs erlangt;
was die ganze Corporation eine Schande nannte, das verkaufte
bereitwillig für klingenden Preis der einzelne Senator. Erst nach-
dem ein förmlicher Senatsbeschluſs die Anlehen der kretischen
Gesandten bei den römischen Banquiers klaglos gestellt, das
heiſst nachdem der Senat sich selber in die Unmöglichkeit ver-
setzt hatte sich bestechen zu lassen, beschloſs derselbe, daſs die
kretischen Gemeinden auſser den römischen Ueberläufern die
Urheber des vor Kydonia verübten Frevels, die Führer Lasthe-
nes und Panares den Römern zu geeigneter Bestrafung zu über-
geben, ferner sämmtliche Schiffe und Boote von vier oder mehr
Rudern auszuliefern, 400 Geiſseln zu stellen und eine Buſse von

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[70/0080] FÜNFTES BUCH. KAPITEL. II. seine ungeheuren Requisitionen den befreundeten Provinzialen fast ebenso lästig fiel wie die Corsaren. Die Erfolge waren ent- sprechend. In den campanischen Gewässern brachte die Flotte des Antonius zwar eine Anzahl Piratenschiffe auf; aber die Kre- tenser, die mit den Piraten Freundschaft und Bündniſs gemacht hatten, wiesen seine Forderung von dieser Gemeinschaft abzu- lassen schroff zurück. Es kam zum Gefecht und die Ketten, die Antonius vorsorglich auf seinen Schiffen in Vorrath gelegt hatte um die gefangenen Flibustier damit zu fesseln, dienten dazu den Quästor und die übrigen römischen Gefangenen an die Ma- sten der eroberten römischen Schiffe zu schlieſsen, als die ky- doniatischen Feldherren Lasthenes und Panares aus dem bei ihrer Insel den Römern gelieferten Seetreffen triumphirend zu- rückkehrten. Antonius, nachdem er mit seiner leichtsinnigen Kriegführung ungeheure Summen vergeudet und nicht das Ge- ringste ausgerichtet hatte, starb im J. 683 auf Kreta. Theils der schlechte Erfolg seiner Expedition, theils die Kostbarkeit des Flottenbaus, theils der Widerwille der Oligarchie gegen jede um- fassendere Beamtencompetenz bewirkten, daſs man nach der fac- tischen Beendigung dieser Unternehmung durch Antonius Tod keinen Oberadmiral wieder ernannte und auf die alte Weise zu- rückkam jeden Statthalter in seiner Provinz für die Unterdrückung der Piraterie sorgen zu lassen; wie denn zum Beispiel die von Lucullus hergestellte Flotte (S. 52) hiefür im aegaeischen Meer thätig war. Indeſs mit den Kretern blieb noch abzurechnen; eine Schmach wie die vor Kydonia erlittene schien doch selbst die- sem gesunkenen Geschlecht nur durch die Kriegserklärung be- antwortet werden zu können. Dennoch hätten die kretischen Gesandten, die im Jahre 684 in Rom mit der Bitte erschienen die Gefangenen zurücknehmen und das alte Bündniſs wieder her- stellen zu wollen, fast einen günstigen Senatsbeschluſs erlangt; was die ganze Corporation eine Schande nannte, das verkaufte bereitwillig für klingenden Preis der einzelne Senator. Erst nach- dem ein förmlicher Senatsbeschluſs die Anlehen der kretischen Gesandten bei den römischen Banquiers klaglos gestellt, das heiſst nachdem der Senat sich selber in die Unmöglichkeit ver- setzt hatte sich bestechen zu lassen, beschloſs derselbe, daſs die kretischen Gemeinden auſser den römischen Ueberläufern die Urheber des vor Kydonia verübten Frevels, die Führer Lasthe- nes und Panares den Römern zu geeigneter Bestrafung zu über- geben, ferner sämmtliche Schiffe und Boote von vier oder mehr Rudern auszuliefern, 400 Geiſseln zu stellen und eine Buſse von

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/80>, abgerufen am 06.05.2024.