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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
werden, dass das Ziel des lucullischen Heeres der Tempel der
Anaitis oder der sogenannten syrischen Diana in Ekbatana sei,
das gefeiertste und das reichste Heiligthum der ganzen Euphrats-
landschaft*. Schaarenweise drängten sich von nah und fern die
Asiaten unter die Banner der Könige, welche sie aufriefen den
Osten und seine Götter vor den gottlosen Fremdlingen zu schir-
men. Allein die Thatsachen hatten gezeigt, dass das blosse Zu-
sammentreiben ungeheurer Heerhaufen nicht allein fruchtlos war,
sondern durch die Einfügung in dieselben selbst die wirklich
marschir- und schlagfähigen Schaaren unbrauchbar gemacht
und in den allgemeinen Ruin mit verwickelt wurden. Mithrada-
tes suchte vor allem die Waffe auszubilden, die zugleich die
schwächste der Occidentalen und die stärkste der Asiaten war,
die Reiterei: in der von ihm neu gebildeten Armee war die Hälfte
der Mannschaft beritten. Für den Dienst zu Fuss las er aus der
Masse der aufgebotenen oder freiwillig sich meldenden Rekruten
die dienstfähigen Leute sorgfältig aus und liess diese durch seine
pontischen Offiziere dressiren. Das ansehnliche Heer, das bald
wieder unter den Fahnen des Grosskönigs sich zusammenfand,
war aber nicht bestimmt auf der ersten besten Wahlstatt mit den
römischen Veteranen sich zu messen, sondern sich auf die Ver-
theidigung und auf den kleinen Krieg zu beschränken. Schon
den letzten Krieg in seinem Reiche hatte Mithradates stetig zu-
rückweichend und die Schlacht vermeidend geführt; auch dies-
mal wurde eine ähnliche Taktik angenommen und zum Kriegs-
schauplatz das eigentliche Armenien bestimmt, das Erbland des
Tigranes und vom Feinde noch vollkommen unberührt, das sich
durch seine physische Beschaffenheit wie durch den Patriotismus
seiner Bewohner vortrefflich für diese Kriegsweise eignete. --
Das Jahr 686 fand Lucullus in einer schwierigen und täglich be-
denklicher sich gestaltenden Lage. Trotz seiner glänzenden Siege
war man in Rom durchaus nicht mit ihm zufrieden. Der Senat
empfand die Eigenmächtigkeit seines Verfahrens; die von ihm
empfindlich verletzte Capitalistenpartei setzte alle Mittel der In-
trigue und Bestechung in Bewegung um seine Abberufung durch-
zusetzen. Täglich erscholl der Markt der Hauptstadt von gerech-

* Cicero (de imp. Pomp. 9, 13) kann schwerlich einen andern Tempel
gemeint haben als diesen, gegen die Raubzüge der syrischen wie der
parthischen Könige regelmässig sich richteten (Strabo 16, 744; Polyb. 31,
11; 1. Makkab. 6 u. a. m.); am wenigsten darf an den Tempel von Komana
oder überhaupt irgend ein Heiligthum im pontischen Reiche gedacht werden.

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werden, daſs das Ziel des lucullischen Heeres der Tempel der
Anaitis oder der sogenannten syrischen Diana in Ekbatana sei,
das gefeiertste und das reichste Heiligthum der ganzen Euphrats-
landschaft*. Schaarenweise drängten sich von nah und fern die
Asiaten unter die Banner der Könige, welche sie aufriefen den
Osten und seine Götter vor den gottlosen Fremdlingen zu schir-
men. Allein die Thatsachen hatten gezeigt, daſs das bloſse Zu-
sammentreiben ungeheurer Heerhaufen nicht allein fruchtlos war,
sondern durch die Einfügung in dieselben selbst die wirklich
marschir- und schlagfähigen Schaaren unbrauchbar gemacht
und in den allgemeinen Ruin mit verwickelt wurden. Mithrada-
tes suchte vor allem die Waffe auszubilden, die zugleich die
schwächste der Occidentalen und die stärkste der Asiaten war,
die Reiterei: in der von ihm neu gebildeten Armee war die Hälfte
der Mannschaft beritten. Für den Dienst zu Fuſs las er aus der
Masse der aufgebotenen oder freiwillig sich meldenden Rekruten
die dienstfähigen Leute sorgfältig aus und lieſs diese durch seine
pontischen Offiziere dressiren. Das ansehnliche Heer, das bald
wieder unter den Fahnen des Groſskönigs sich zusammenfand,
war aber nicht bestimmt auf der ersten besten Wahlstatt mit den
römischen Veteranen sich zu messen, sondern sich auf die Ver-
theidigung und auf den kleinen Krieg zu beschränken. Schon
den letzten Krieg in seinem Reiche hatte Mithradates stetig zu-
rückweichend und die Schlacht vermeidend geführt; auch dies-
mal wurde eine ähnliche Taktik angenommen und zum Kriegs-
schauplatz das eigentliche Armenien bestimmt, das Erbland des
Tigranes und vom Feinde noch vollkommen unberührt, das sich
durch seine physische Beschaffenheit wie durch den Patriotismus
seiner Bewohner vortrefflich für diese Kriegsweise eignete. —
Das Jahr 686 fand Lucullus in einer schwierigen und täglich be-
denklicher sich gestaltenden Lage. Trotz seiner glänzenden Siege
war man in Rom durchaus nicht mit ihm zufrieden. Der Senat
empfand die Eigenmächtigkeit seines Verfahrens; die von ihm
empfindlich verletzte Capitalistenpartei setzte alle Mittel der In-
trigue und Bestechung in Bewegung um seine Abberufung durch-
zusetzen. Täglich erscholl der Markt der Hauptstadt von gerech-

* Cicero (de imp. Pomp. 9, 13) kann schwerlich einen andern Tempel
gemeint haben als diesen, gegen die Raubzüge der syrischen wie der
parthischen Könige regelmäſsig sich richteten (Strabo 16, 744; Polyb. 31,
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oder überhaupt irgend ein Heiligthum im pontischen Reiche gedacht werden.
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[64/0074] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. werden, daſs das Ziel des lucullischen Heeres der Tempel der Anaitis oder der sogenannten syrischen Diana in Ekbatana sei, das gefeiertste und das reichste Heiligthum der ganzen Euphrats- landschaft *. Schaarenweise drängten sich von nah und fern die Asiaten unter die Banner der Könige, welche sie aufriefen den Osten und seine Götter vor den gottlosen Fremdlingen zu schir- men. Allein die Thatsachen hatten gezeigt, daſs das bloſse Zu- sammentreiben ungeheurer Heerhaufen nicht allein fruchtlos war, sondern durch die Einfügung in dieselben selbst die wirklich marschir- und schlagfähigen Schaaren unbrauchbar gemacht und in den allgemeinen Ruin mit verwickelt wurden. Mithrada- tes suchte vor allem die Waffe auszubilden, die zugleich die schwächste der Occidentalen und die stärkste der Asiaten war, die Reiterei: in der von ihm neu gebildeten Armee war die Hälfte der Mannschaft beritten. Für den Dienst zu Fuſs las er aus der Masse der aufgebotenen oder freiwillig sich meldenden Rekruten die dienstfähigen Leute sorgfältig aus und lieſs diese durch seine pontischen Offiziere dressiren. Das ansehnliche Heer, das bald wieder unter den Fahnen des Groſskönigs sich zusammenfand, war aber nicht bestimmt auf der ersten besten Wahlstatt mit den römischen Veteranen sich zu messen, sondern sich auf die Ver- theidigung und auf den kleinen Krieg zu beschränken. Schon den letzten Krieg in seinem Reiche hatte Mithradates stetig zu- rückweichend und die Schlacht vermeidend geführt; auch dies- mal wurde eine ähnliche Taktik angenommen und zum Kriegs- schauplatz das eigentliche Armenien bestimmt, das Erbland des Tigranes und vom Feinde noch vollkommen unberührt, das sich durch seine physische Beschaffenheit wie durch den Patriotismus seiner Bewohner vortrefflich für diese Kriegsweise eignete. — Das Jahr 686 fand Lucullus in einer schwierigen und täglich be- denklicher sich gestaltenden Lage. Trotz seiner glänzenden Siege war man in Rom durchaus nicht mit ihm zufrieden. Der Senat empfand die Eigenmächtigkeit seines Verfahrens; die von ihm empfindlich verletzte Capitalistenpartei setzte alle Mittel der In- trigue und Bestechung in Bewegung um seine Abberufung durch- zusetzen. Täglich erscholl der Markt der Hauptstadt von gerech- * Cicero (de imp. Pomp. 9, 13) kann schwerlich einen andern Tempel gemeint haben als diesen, gegen die Raubzüge der syrischen wie der parthischen Könige regelmäſsig sich richteten (Strabo 16, 744; Polyb. 31, 11; 1. Makkab. 6 u. a. m.); am wenigsten darf an den Tempel von Komana oder überhaupt irgend ein Heiligthum im pontischen Reiche gedacht werden.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/74>, abgerufen am 06.05.2024.